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03 Nordmar und Varant

VARANT

Ins Dunkle…

Heiß brennt die Scheibe des rechtschaffenden Gottes vom Himmel auf die Wüstenstadt nieder und sucht einem jeden die letzte Flüssigkeit im Körper zu verdampfen, auf dass er eingeht in das Feuer Innos‘.
Meine Schritte wirbeln Staub auf diesen sandigen Straßen auf, in die Luft, wo eh schon zu viel von ihm hängt, um den servilen Wanderer die unsicheren Schritte noch zu erschweren.
Meine Schritte wirken für andere Beobachter sicherlich kränklich, den alten Glanz, die jugendliche Leichtigkeit verloren. Ich fühle mich alt dieser Tage des immer Gleichen, in den Tagen, die wirken, als seien sie es allein, die die Bedeutung der Phrase „Ruhe vor dem Sturm“ verstehen.

Bakaresh liegt darnieder in seinem alltäglichen Gang. Die Opfer der Zeit scheinen Tage der Stille, Tage des Schweigens zu fordern, dass selbst die Ratten, die sich aus fünf jungen Männern zusammengerauft haben, dass vermeintlich sinkende Schiff verlassen, um auf der fernen Insel Khorinis, wohlgemerkt jene, die schon vor Jahren verlassen worden ist, verlorenes Glück zu finden. Schätze, so nennt es Vryce, der cholerische Straßenköter, und malt ein Bild von Reichtum und Wohlstand in den vergessenen Ruinen der Vergangenheit.
Und alle, alle fallen darauf rein.
Die Diebesbande macht sich auf, nach dem Alten zu suchen, rührende Hoffnungen nährend, als jemand wiederzukehren, der keiner von ihnen je sein wird. Steckt den Schakal in Stiefel und Mantel und er wird trotzdem noch auf allen Vieren laufen.

So senkt sich mein Blick aus dem Dunst der Illusion hin zu mir selbst, der ich verloren auf den Bakaresher Straßen wandle und nicht merke, wie mich die Dunkelheit lockt, der ich fortan folge. Alsbald machen meine Schritte auf dem Berg nahe der Stadt vor den schwarzen Toren jenes huldvollen Gemäuers Halt und meine Augen erkennen, was jedem Wissenden bereits seit einem halben Satz bekannt ist – das Kastell des Zirkels um Xardas.

Reißt die Tore auf und lasst den alten Mief den staubigen Hallen entfliehen! Die Skelette, gekrönt und ans Tor genagelt, verharren im giftigen Kichern, während sich die Tore öffnen. Ich trete ein in die Finsternis einer anderen Zeit, die von Edelmut und Forscherdrang spricht und doch nach Süffisanz und Weltfremdheit stinkt.

Vorbei an dem alten, steinernen Mann fällt mein Blick auf den einst von seinen Opfern als Prinz der Finsternis betitelten Hüter des Kastells. Ich lasse ihn zurück, der er mit der faltigen Machtdemonstration Beliars und einem selbsterkorenen Propheten in dumpfer Lethargie versunken schweigt und erblicke den schönsten Ort dieser Sphäre, der im neuen Glanz von alter Schönheit erfüllt worden ist.

Dort, wo noch vor Tagen ein schwarzes Loch klaffte, steht erneut der flüsternde Weltenbaum. Die Esche im Kastell, eine weitere Demonstration des finsteren Gottes, welche Macht er selbst in der Sphäre Adanos‘ über Leben und Tod besitzt.
Die Spuren deuten auf das Werk des Hüters. Sein Weg ist erfüllt von gebrochenen Frauen, die ihr Leid im Likör zu liquidieren hoffen. Estefania, die jüngste von ihnen, versucht es in der Bibliothek, hoffend, dass in der Stille jener niemand die verlangte Einsamkeit zu brechen vermag. Sie wird gebrochen von der gefallenen Priesterin des Wassergottes, Angelina del Rio, Mutter der Tochter des Hohepriesters Ceron, Weib der Dunkelheit auf den Spuren ihrer eigenen Magie, die sie, wie sie glaubt, aus den Glaubensverlust heraus verloren hat.

Seht die Inzucht zwischen den Kindern der Götter. Das Weib Adanos‘ warf sich dem Heiler Beliars‘ zu Füßen, der gleichsam mit falschen Schlangen Innos‘ anbiedert.
Meine Augen erblickten den Priester Lopadas, der nach dem Wissen suchend in jene Hallen gestolpert ist und nun als Schüler der Heilmagie unter Cerons gelehrten Händen werkelt.

Die Welt spricht von Feindschaft, von Rachsucht und ewigem Krieg zwischen den drei großen Glaubensgemeinschaften, doch im Kastell des Zirkels scheinen sie alle gleich. So übt sich der Feuermagier am verfaulten Obst und seinem Lehrmeisters höchst selbst, keinen Gedanken verschwendet, dem dunklen Gott einen Diener zu rauben, viel zu naiv im Denken verharrend, dass doch jedes Leben wertvoll ist und selbst nach dem Tod die Menschen noch damit einverstanden sein müssten, dass man sie als Lehrobjekte missbraucht.
Er scheint die Toleranz Beliars und seiner Geschöpfe nicht verstanden zu haben und nimmt doch begierig das Wissen seiner Großmeister an, um es später in den Dienst seines Gottes zu stellen. Selbst dem Hohepriester geht es nur um die Menschen, sein Codex der Heilung ist im heilig und so mag es erscheinen, dass hier die Saat sich pflanzt, welche die Welt ein Stück besser zu machen vermag.

Ich bin angekommen und befreit von Gerüchten und Tatsachen, lasse mich nieder unter der Krone der Esche und verweile im einen stillen, nur vom Rauschen der Blätter durchbrochenen Frieden. Und gleichsam was die „Ruhe vor dem Sturm“ diesem Hort der Meditation noch bereithalten mag, in diesem Augenblick ist es mir vollkommen gleich.

Ich verweile und gönne meinem müden Körper ein wenig Ruhe ohne Unheilversprechende Attribute. Tun sie es mir gleich, wenn sie können,
ihr Berichterstatter aus dem Kastell

(--Ardescion)

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