KommentarJeder hat es schon einmal erlebt. Krieg, Belagerung, Kampf, eine angespannte Situation und mitten drin, irgendjemand der in Seelenruhe sein Wurstbrötchen vertilgt. Solche Episoden, die mehr an Slapstick, an Situationskomik erinnern, als wirkliche Ärgernisse darstellen, haben viele schon erlebt, wenn nicht sogar selbst verfasst und es ist unserem Rollenspieler-Kollegen Marc hoch anzurechnen, dass er nicht in Panik ausgebrochen ist, als ein wildfremder RPGler einfach auf seinen Beitrag reagierte, etwas was heutzutage echten Seltenheitswert hat. Doch warum nimmt sich Ornlu die Zeit und schreibt extra mit einem allgemeinen Account eine Reaktion der sildener Einwohner?
„Ich sah es als meine Pflicht, zu reagieren. Es kann doch nicht angehen, dass sich so einer noch feiern lässt.“, antwortete er mir auf diese Frage. Was bedeutet diese Aussage, dieses Geschehen für uns als Mitglieder dieses Rollenspiels?
An sich ist es, wie eben beschrieben, eine klassische Situation, eine Folge von zu wenig Interesse für die aktuellen Geschehnisse, von Unwissenheit. - Das kommt vor, aber weshalb ist es dann die Pflicht eines erfahrenen Rollenspielers zu reagieren? Was tut Ornlu hier?
Er postet die logische Konsequenz der Handlungsweise bezogen auf die Situation und genau hierin finden wir das Thema, dessen ich mich heute annehmen will.
Konsequenz im Handeln unserer Charaktere, in der Interaktion mit ihrer Umgebung, aber auch in der Interaktion zwischen Gilden, im Umgang der Gilde mit ihren eigenen Mitgliedern ist ein hohes Gut, eine der Essenzen dessen, was die Verflechtungen der Handlungsstränge jedes einzelnen im Rollenspiel kontinuierlich und logisch erscheinen lässt. Auf eine Handlung folgt die Konsequenz – Actio und Reactio, das uralte Prinzip einer sich fortpflanzenden Handlung, der Entwicklung und Konstruktion eines roten Fadens und des Verflechtens mehrerer roter Fäden. Wenn niemand mehr auf den anderen reagiert, dann fehlt dem Rollenspiel jedwede Interaktion, dann schreiben alle aneinander vorbei, dann fehlt der Darstellung einer lebendigen Welt jedwede Grundlage.
Es gibt massenweise Interaktion, der Postwechsel ist für viele das, was sie am RPG interessant finden. Warum also das zum Thema machen?
Nigel Ascan, unser Chefredakteur, spricht es in seinem Leitartikel an, dass Gilden in letzter Zeit zusehends in Interaktionsschwierigkeiten verfallen, weil man sich kaum noch kennt, sich der eigenen Darstellung als Gilde, als Gruppierung, als Einheit und als politische Fraktion, als Machtfaktors im Rollenspiel nicht sicher oder einig ist. Ja, das hat möglicherweise etwas damit zu tun, dass wir uns mittlerweile weit von der Vorlage entfernt haben.
Entwicklung an sich ist etwas positives, nur gilt es das Profil zu wahren, die Einheit der Darstellung. In Zeiten wie diesen hat jeder ein ganz persönliches Bild von seiner Gilde, von seinem Charakter und dessen Stellung in der Gilde. Es ist nicht einfach in diesem Geflecht den Überblick zu behalten, aber es ist notwendig, um das Gildenprinzip zu erhalten.
Was hat Konsequenz damit zu tun?
Handlungen ziehen Reaktionen nach sich. Konsequenzen sind Reaktionen, die aufgrund logischen Überlegens und bestimmter Voraussetzungen, wie der aktuellen Situation, eintreten.
Nehmen wir uns das vorgestellte Beispiel doch einmal vor.
Es ist etwas seltsam, dass ein Barde beim Eintreffen in einem Dorf, welches sich gerade auf dem Kriegspfad befindet, einfach den Marktplatz stürmt und ein Liedchen trällert, trotzdem ist es nicht unbedingt schlecht, dies zu tun, vorausgesetzt man kann mit den Konsequenzen leben. Sehr schön ist hier zu sehen, wie diese Konsequenzen aussehen. Die Dorfgemeinschaft ist angespannt und verdächtigt den Neuankömmling der Konspiration mit dem Feind. Wer einfach so ein flottes Liedchen spielt, vollkommen unberührt von der allgemeinen äußerst angespannten Situation, der fürchtet wohl das, was da kommen mag, nicht. Warum nicht? Er weiß mehr über das, was kommen wird, oder ist ein vollkommener Idiot. Ein Barde wird wohl kein vollkommener Schwachmatiker sein, woraus ein logischer Schluss folgt und damit eine logische Konsequenz. Man jagt den offensichtlichen Kollaborateur aus dem Dorf.
Aber wer handelt hier? Sind es einzelne Personen? Sind es Marc, der Barde, und Simon? Nein, es sind Marc und die gesamte Fraktion des Waldvolkes, die hier aufeinander treffen.
Darf sich ein Einzelner anmaßen für die Gilde zu sprechen, für die Gilde zu handeln, die Gilde im RPG darzustellen? Wenn die Gilde wirklich einheitlich in ihrer Selbstdarstellung ist, dann geht das gut. Dann kann man konsequent sein dem einzelnen Charakter gegenüber. Konsequenz ist notwendig für die Lebendigkeit der Rollenspielwelt. Wenn aber einer Gilde die Einheitlichkeit der Selbstdarstellung abhanden kommt, verschwimmen die klaren Konturen der Darstellung und die Rollenspielergruppe zerfasert sich ziellos.
Kommen wir zu einer weiteren Ebene des Geschehens in unserem Beispiel. Es gibt ein interessantes Phänomen im RPG. Die meisten Neulinge im RPG beginnen ihre Karriere am Hauptsitz oder in unmittelbarer Umgebung der Gilde, der sie später gerne beitreten wollen, eben in jenem Terrain, für das ihr Charakter ausgelegt ist. Dieses Phänomen lässt sich in unserem Fall sehr klar beobachten, allein schon aus dem, was Marc schreibt. Der Inhalt seiner Beiträge legt nahe, dass er wohl ursprünglich vorgehabt haben muss, sich dem Waldvolk anzuschließen.
Dass dies natürlich relativ unmöglich nach dem Verhalten seines Charakters ist, versteht sich fast von selbst. Was folgt daraus? Das Verhalten eines Charakters hat nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklung im RPG, sondern auch Auswirkungen auf das OT-Verhältnis und die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten. Denkt man daran? Ich habe in der Zeit, in der ich mich nun schon hier beteilige, mehrere Fälle erlebt, in denen das nicht getan worden ist und man sich hinterher wunderte, warum man OT einer Gilde angehörte, zu welcher der eigene Charakter aufgrund seines Verhaltens nur schwer Zugang erhalten hätte können.
Genau deshalb ist es wichtig, dies jedem, egal ob Neuling oder erfahrenem Rollenspieler, klar zu machen, genauso, wie es wichtig ist, klares Profil zu zeigen, als Einzelner, wie auch als Gilde, und konsequent in der eigenen Handlungsweise zu sein und zu bleiben.
Nicht nur die interagierende Gilde und ihr Vertreter ist hier konsequent, sondern auch der Betroffene, Marc, und das von beiden Seiten ohne aggressiv oder beleidigend zu werden. Zudem ist dieser Postwechsel ein hervorragendes Beispiel der Vermittlung von Rollenspielgepflogenheiten und Hintergrundwissen direkt über das RPG ohne OT-Kommunikation. Eine Methode, die in so mancher Gilde heutzutage als Parademodell herausgestellt wird, hat sie doch eine lange Tradition von den Anfängen des Rollenspiels an. Trotzdem mag ich zuletzt noch zu bedenken geben, dass gerade diese Methode eines hohen Maßes an Eigeninitiative und der Fähigkeit des vorausschauenden Postens bedarf.
Was sollten wir aus der Betrachtung dieses Postwechsels also mitnehmen?
Konsequenzen aufzuzeigen ist essentiell für eine funktionierende lebendige Spielwelt, denn sie erleichtert die Nachvollziehbarkeit der Handlungen der Charaktere und Fraktionen. Gerade in Zeiten von Flutwellen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen, kann uns die Konsequenz in unseren Handlungen ein Leitfaden sein, der zu positiven, interessanten Entwicklungen führt und somit das RPG für uns spannend und interessant, aber auch nachvollziehbar und anschaulich gestaltet.
Bleibt noch anzumerken, dass jeder Verlust, Chancen bietet in der Charakterentwicklung wie auch in unserer eigenen Entwicklung. So eröffnen uns auch zunächst für unseren Charakter nachteilig erscheinende möglicherweise aus Konsequenzen entstandene Entwicklungen doch eine Vielzahl an Möglichkeiten, die es zu erforschen gilt.
(-- Yared)