Vengard rüstet zum Krieg
Ein König ist in erster Linie für seine Untertanen da, doch manchmal muss es auch andersherum sein.
Für Rhobar II. stand immer die Freiheit seines Volkes im Vordergrund. Doch nun, da es die Lage nicht anders zulässt, musste Rhobar eben jenes Grundprinzip der Freiheit, auf dem das Reich beruht, vorübergehend außer Kraft setzen - ausgerechnet um es zu erhalten und dem ganzen Reich wieder Frieden bringen zu können.
Die Rede ist von Zwangsrekrutierungen, bei denen das Volk, das eigentlich von den Soldaten beschützt werden soll, nun mehr denn je in die Pflicht genommen wird. Die letzten Monate haben immerhin offenbart, dass das Reich der Orks verwundbar ist, wie seit Jahren nicht mehr. Wo es früher noch entschlossen und brutal gegen die Überreste der königlichen Armee vorgegangen ist, zeigen sich auf einmal Uneinigkeit und Egoismus in den Reihen der Orks. Rhobar erkannte dies in seiner Weisheit und handelte dementsprechend. Kein leichtes Unterfangen, aber auch kein Unlösbares.
Jeder Mann, der imstande ist, eine Waffe zu führen und sonst keiner lebensnotwendigen Tätigkeit für die Gesellschaft nachgeht (und wer nicht reich genug ist, um sich freizukaufen), soll demnach in den Grundlagen des Kampfes geschult werden, um bereit zu sein, das Heer zu verstärken, sobald es nötig sein mag. So manche Gestalt, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt, findet sich auf einmal beim Drill in der Burg Vengards wieder. Mit Speer, Schild und Schwert üben die neuen Rekruten das Kriegshandwerk, so Viele wie seit den besten Zeiten des Reiches nicht mehr.
Die Botschaft ist ganz klar: Noch ist dieser Krieg nicht verloren.
Begünstigt durch den Sieg in Kap Dun hatte es kaum einer gewagt, gegen die Maßnahme zu protestieren. Zu präsent ist das Militär in diesen Tagen, als dass Widerstand Erfolg haben könnte. Tatsächlich herrscht in der Burg zu dieser Zeit Hochbetrieb, während die Straßen Vengards dafür umso leerer sind. Einzig die Stadtwache bewegt sich noch ohne Einschränkung, doch das gemeine Volk scheut in dieser Zeit eher den Kontakt mit den Soldaten und hält sich nicht länger als nötig außerhalb der eigenen vier Wände auf. So klagt auch schon so mancher Schankwirt über schwindende Umsätze, aber zumindest die neuen und alten Soldaten lassen noch ein paar Münzen in den Wirtshäusern der Stadt.
Was die Münzen betrifft mangelt es der königlichen Kasse zumindest auch dieser Tage nicht. Während die Rekrutierungen das Thema Nummer eins unter der Bevölkerung sind, gehen andere Neuigkeiten unter. So leisten auch die Wohlhabenden ihren Anteil, allerdings nicht unbedingt auf dem Schlachtfeld: Neben Rekrutierern ziehen ebenfalls Trupps der Stadtwache durch die edleren Viertel, um in den Häusern eben jener Oberschicht nach allem zu suchen, was irgendwie von Wert ist. Ob nun Tafelsilber oder der edle Hochzeitskelch - alles, was das vergrößerte Heer unterhalten kann, wandert ohne Kompromisse in den Besitz der Staatskasse - sehr zum Leidwesen der Besitzer versteht sich. Einige haben zwar ihr Hab und Gut vor neugierigen Blicken verstecken können - zumindest die wertvollsten Sachen - doch so mancher eher stümperhafte Versuch ist sofort aufgefallen.
Alle Bevölkerungsschichten sind so beteiligt worden, wenngleich sich der König auf einen moralisch zweifelhaften Weg begeben hatte. Aber bekanntlich rechtfertigt der Zweck die Mittel.
Durch viele freiwillige und unfreiwillige Spenden, bei denen die unfreiwilligen eindeutig überwogen, ist so die bereits geschundene Staatskasse aufgefüllt worden. Der Plan des Königs geht also bis zu diesem Zeitpunkt auf. Ob sich das neue Heer voller Rekruten wirklich im Kampf bewähren wird, kann sich trotzdem erst in der Zukunft zeigen. Zuvor wird sich der Herrscher entscheiden müssen, ob er auch gegen die anderen Orkstädte vorgehen wird.
Fest steht aber, dass die nächsten Entscheidungen das Schicksal des ganzen Reiches auf lange Zeit bestimmen wird. Vielleicht sogar für immer.
Rodeon