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04 Schatzkästchen

Orkisches Nord-Süd-Gefälle

Geehrte Leser,
es gibt viele verschiedene Orkrassen und -gruppierungen im Rollenspiel. Einige wie die Khorinisorks oder das Orkische Imperiums der Nordlande, hatten bereits große, weltverändernde Auftritte in den Spannungsbögen unserer gemeinsamen Geschichte.
Nicht so die Orkstämme der Südlichen Inseln. Sie sind weitgehend unbekannt und bisher wenn überhaupt nur sehr selten und sporadisch in Erscheinung getreten.
Doch seit ein paar Monaten steht genau dieser kleine Teil der Orkischen Völkergemeinschaft Fokus der ihn repräsentierenden ZA-Gilde. Diese, zur Zeit noch hauptsächlich aus Veteranen des Myrtanischen Orkreiches bestehend, ist nun im Begriff, langsam aber sicher auf Tuchfühlung mit ihren degenerierten Vettern zu gehen.
Das dabei Kulturen aufeinandertreffen, die fast so unterschiedlich sind, wie Myrtaner und Nordlandorks, und wie sich ein eben solcher versucht beim Stamm der argaan'schen Knochenbrecher Anschluss zu finden, erfahren wir hautnah - oder wohl eher fellnah - in Form der persönlichen Erfahrungsberichts des ehemaligen Ork-Schamanen Lugdrub gro-Ogdum auf seinem Weg durch die Höhlen des Weißaugengebirges.
Viel Vergnügen beim Lesen.

Yared

Anmerkung:
Die Redaktion dankt Ardescion für tatkräftige Unterstützung.
Die folgende Postserie ist in Orthographie und Artikulation genauso wiedergegeben, wie sie im RPG in den Thread „Weißaugengebirge #1“ gepostet wurde. Allein die Formatierung mag minimal abweichen.


Von Lugdrub, 26.03.2011

Irgendwo im gebirgigen Nirgendwo

Die Höhlenratte schmeckte köstlich. Zwar etwas zäh und muffig, aber wenn man sich vorstellte, dass es ein Hähnchen oder ein Stück Kalbsfleisch war, ließen sich auch die Geschmacksknospen an der Nase herum führen. Meistens jedenfalls. Natürlich gab es auch Tage, da die Büschel trockenen Berggrases auch wirklich so schmeckten wie trockenes Gras. Da kriegte man sie nicht runter, egal wie viel Schnee man zum Nachspülen nahm. Es gab auch Zeiten, da zergingen Kiesel und Erde nicht auf der Zunge, trotz der Vorstellung, es wären heiße Bohnen mit Reis. Dann lagen sie im Magen und sorgten für enorme Verdauungsstörungen.
Aber er war ja ein Ork. Ihm konnte das egal sein. Er hatte eine gute Verdauung, trotz ungenießbarer Nahrung. So war es doch schon vor Generationen gewesen. Die Menschen hatten in ihren beheizten Hütten gelebt und die Orks nur einige Meilen weiter nördlich den Dreck gefressen, als wäre er ein Festtagsmahl. Darum auch der resistente Magen. Besser ging es da nur Schraten, Ogern und Trollen. Die konnten alles fressen. Erde, Menschen, Orks, Bäume, Eisen, Leder, Luft, Menschen, Erde, Glas und – weshalb man sie so mochte – Menschen. Aber er war ja kein Schrat, Oger oder Troll. Nein, er war ein Ork.
Und ihm war fürchterlich langweilig in seinem selbst auferlegten Exil. Wie es dazu kam? Die Gründe waren marginal. Nichtig. Einfach bedeutungslos. Kein Spontanentschluss, mitnichten, nein, er war einfach der Meinung gewesen, traditionell-orkisches Rudelleben würde unweigerlich zum Tode führen. Krieg den Menschen von Argaan? Lächerlich. So würde es bald heißen: Tod den Orks von Argaan, die eigentlich aus Myrtana kamen, selbst da nicht beheimatet waren und im Grunde nur dort lebten, wo die Menschen schwach oder idiotisch genug waren, sich auch schlagen zu lassen.
Aber nun … die Menschen in Myrtana hatten einen neuen König, der zur Abwechslung mal Orks schlug. Und der König von Argaan war wohl nicht besser. Er machte es nur anders. Statt alle Orks zu schlagen, versklavte er einige. Fast hätten einige seiner Orkjäger auch ihn erwischt. Eine bittere Ironie wäre das gewesen, wenn ein Nordländer Sklave der Menschen geworden wäre. Nordländer hatten das Sklavengeschäft überhaupt erst erfolgreich gemacht.
„Was sagst du dazu, Stein?“, fragte er, legte den Kopf schief und blickte aus goldenen Augen zu dem mannshohen Stein. „Das hätte dem Schicksal gefallen, oder? Ich als Gefangener der Menschen. Kannst du dir meine Wenigkeit in einem Käfig vorstellen? Andererseits … immer was zu futtern, viele Leute, die mich sehen wollen würden … und kleine Ork-Stoffpuppen namens Lu-Gnut. Verflucht …“
Aber Stein stimmte ihm nicht zu. Wie immer eigentlich. Stein redete ziemlich ungern. Er verstand es, fragte nicht nach. Steins Privatleben ging ihn nichts an. Und wenn Stein halt mehr für sich blieb, dann war es so. Hauptsache er hatte einen Mitbewohner. Darüber hinaus kostete er weder Zeit noch Gold. Nicht, das er welches hatte. Aber trotzdem sparte er.
Wird Zeit, dass du endlich verschwindest.
Stein blickte ihn an. Frech. Irgendwie fuchsig. Auch der Ton war ziemlich vorlaut gewesen. Der Ork schaute ihn an. „Ganz neue Töne, mein Stein. Kaum mach ich wieder den Mund auf, hast du zu maulen und willst, dass ich verschwinde. Warum? Ich achte deine Privatsphäre, nimm’ nie dein Handtuch oder benutz’ dein Geschirr.“ – Er funkelte Stein an – „Weißt du, vielleicht sollte ich wirklich gehen. Wäre besser. Dann kann der Herr Stein wieder in aller Ruhe vor sich her steinen und ich fall’ ihm nicht mehr zur Last. Aber dann soll er sich bloß nicht wundern, wenn er niemanden mehr hat, der ihm Gras, oder Ratten oder Kiesel bringt. Wobei ich den Geschmack bei dir schon immer krank fand. Ich mein’, irgendwo ist das doch Kannibalismus. Ein Grund mehr, auszuziehen und mir eine eigene Höhle zu suchen.“
Aber Stein versuchte gar nicht erst seinen morbiden Geschmack zu rechtfertigen. Er ignorierte den Ork einfach. Die beste Taktik, um einem Streit vorzubeugen. Oder ihn erst so richtig eskalieren zu lassen. Zum Glück gehörte der Ork aber zu der ruhigen Sorte.
„Dann“, begann er eisig und erhob sich, „sehe ich keinen Sinn mehr darin, diese Wohngemeinschaft länger als die meine zu bezeichnen. Ich ziehe aus. Ein schönes Leben noch, du egoistischer, arroganter, blöder Stein.“
Hätte die Höhle eine Tür gehabt, er hätte sie geknallt. Hatte sie natürlich nicht, also sprang der Ork aus dem Schlund und einen Abhang hinab, was er schreiend als großen Fehler proklamierte.
Stein indes, allein in seinen eigenen, nicht ganz eckigen vier Wänden, lehnte sich zurück und seufzte steinern.
Endlich ist er weg, murmelte er, ehe er auch schon einschlief. Wie schon die exakt dreitausendsechshundertachtundvierzig Jahre, fünfundzwanzig Tage, sieben Minuten und zwölf Sekunden zuvor, die verstrichen sind, seit Mama Weißauge ihn zuhause raus geschmissen hatte.


Von Lugdrub, 27.03.2011

Höhle der Knochenbrecher

„Was das sein?“
„Sehen aus wie Ork!“
„Aber seien nicht Ork! Gucken. Orks sehen aus wie wir. Aber das sehen nicht aus wie Ork. Guck, Shug, guck!“
„Nein, Ghut. Das sein nicht Ork von kleiner Insel. Seien Ork von großer Insel im Westen! Seien Ork von großer Stamm! Seien Nordlande-Ork!“

Stimmengewirr. Tief, guttural, mit einer Grammatik der Orksprache, dass es einem so zivilisierten Ork wie dem Liegenden in den empfindlichen Ohren weh tat. Aber nicht nur die schmerzten. Der ganze Körper tat fürchterlich weh. Der Sprung von den Abhang war wohl nicht die beste Idee gewesen, auch wen kurzweiliger Wahnsinn es als so etwas ausstaffiert hatte. Jetzt lag der Ork hier irgendwo – den Gerüchen nach in einer Höhle – und hörte furchtbar schlechte Sprache.
„Aufwachen, du!“
Der Liegende blinzelte, öffnete die Augen und schluckte. Zwei Orkfratzen über ihm. Aber das waren nicht die Gesichter der Orks aus dem Norden, das waren nicht die bärbeißigen Züge der Khorinis-Orks. Nein, das hier war eine gänzlich andere Orkrasse. Er kannte sie, zumindest aus Büchern der Schamanen. Argaanische Orks. Kinder Beliars, die länger noch als die von Khorinis dem großen Reich ferngeblieben und degeneriert sind. Ihr Fell war dunkel, wirkte grau und stumpf. Die beiden Individuen – Schamanen, wie er an primitiven Kopfschmuck bemerkte – hatten sich weiße Farbe ins Gesicht geschmiert, ließen die fahlen Haare fettig am Schädel hinunterhängen. Sie wirkten furchtbar dünn, dennoch kräftig genug, einem Menschen ohne viel Federlesen das Genick brechen zu können.
„Ich bin wach … ich … bin wach“, murmelte der Liegende. Die Schamanen glotzten blöd, wunderten sich über die formvollendete Sprache. „Wer seid ihr?“
„Wer du seien?! Du sprechen orkisch ziemlich gut!“, behauptete der Linke laut.
„Jaja! Ghut Recht haben!“, stimmte der Rechte zu.
„Weil ich sie seit der Welpenzeit spreche, Oraks. Ich komme vom Festland. Aus den Nordlanden. Ich bin Lugdrub gro-Ogdum.“
„Kind der Felsen? Ogdum wir hier nennen die Molerats, kleine Pinkies die aussehen wie Menschenwelpen!“, kicherte Shug und bohrte sich in der Nase. Ghut betrachtete ihn dabei seltsam interessiert, ehe er sich Lugdrub zuwandte.
„Entschuldigen Shug. Er oft nicht schlauste. Ich seien Ghut, Schamane von Knochenbrecherstamm. Das seien Shug. Auch Schamane von Knochenbrecher. Wir seien so was wie Feuer und Wasser bei Menschens!“
„Feuermagier und Wassermagier?“, fragte der Liegende nach.
„Jaja! Magiers!“, Ghut nickte schnell, gleichermaßen erstaunt und fasziniert von dem Wissen dieses einen Orkes, der so anders aussah wie die, die er in seinem ganzen bisherigen Leben kennen gelernt hatte. Shug starrte sie nur mit offenem Maul an, pulte sich Fleischreste aus den Reißzähnen.
„Und wo bin ich hier?“, fragte Lugdrub nach, versuchte sich aufzurichten und schaffte es auch. Jetzt erst bemerkte er den leicht bläulichen Schimmer, der Shugs Pranke umgab, der immer noch wie schwachsinnig in die Leere starrte. Mit einem Mal wurde dem Ork klar, was der Knochenbrecher da tat. Er heilte ihn. Die Schmerzen waren zwar noch da – hintergründig, nur noch ein Schein – aber so schlimm wie vor Stunden noch waren sie nicht mehr.
„Du seien in Höhle von Knochenbrecher bei Sümpfen von Menschen mit großen Baum. Du wissen, das seien ganz, ganz riesig großer Baum. Und Menschens darin leben! Aber Menschen uns nicht lassen zu Baum, weil sagen, dass es ihrer ist und nicht der von Knochenbrecher. Also hauen Knochenbrecher Menschen und wollen Baum für sich. Aber …“ – Ghuts Gesichtausdruck bekam etwas betrübtes – „Menschen sich wehren gut. Erst nur haben Schwert und Bogen. Jetzt aber besser seien. Haben richtig viel Bogens und auch Pflanzen scheinen zu hassen Knochenbrecher. Gagh seien erwürgt von Ranke, Hag überfallen von Rattenschwarm! Menschens und Natur hassen Knochenbrecher“
Shug – der nun wieder im Diesseits war – nickte ebenso betrübt. Lugdrub richtete sich auf, klopfte den Staub von den Überresten der Schamanenrobe. Die beiden Knochenbrecher erhoben sich ebenso, waren aber deutlich kleiner als ihr nordisches Pendant.
„Sorgt euch nicht, Ghut und Shug. Ich kenne Menschen. Ich kenne sie sehr gut. Dort, wo ich herkomme, war es lange Zeit so, dass sie sich in Höhlen verkrochen haben und wir ihre Städte besaßen. Habt ihr einen Häuptling? Einen Kriegsherrn? Bringt mich zu ihm, stell mich ihm vor!“

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