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Calan, 22.07.2011
Mit brachialer Gewalt zerrte der Monsterguppy an der Fangleine der Harpune, die sich straff spannte und Silo samt Boot hinter sich herzerrte. Calan indes hielt seinen Hauptmann fest, wobei seine Hände kaum Chancen hatte, am kreisrunden, glitschigen Bauch Silos Halt zu finden.
„Ja Mensch, was sind wir auch doof!“ rief Calan schließlich und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Inzwischen brauste ihr Boot mit Affenzahn durch die Wellen und pflügte sich durchs Meer, wobei hintern ihnen Gischt aufspritzte. Kurz fummelte er in seiner Hosentasche rum, ehe er sein Khoriner Taschenmesser fand. Er klappte es aus – eine Lupe. Ganz praktisch, wenn man Mörderwürmer studieren wollte, doch dafür war ihr Fisch zu dick. Als nächstes klappten sich ein Zahnstocher, eine Peitsche, ein Schuhlöffel und ein Megaphon aus, ehe er fand was er suchte – die Taschenmesserklinge.
„Ritsche, ratsche, voller Arglistdas Seil hindurch, der Guppy s’ angepisst!“trällerte er lustig eine Abwandlung von Wilhelm Strauchs berühmten Reimen, ehe das Seil tatsächlich hindurch war. Schlagartig fielen die beiden Männer nach hinten, während der Fisch weiter voraus preschte.
„Oh mein Gott, mein Bein! Er hat mein Bein gefressen!“ schrie Calan panisch. Zwar spürte er es noch, aber das waren nur Phantomschmerzen, da war er sicher. Denn da, wo es sein sollte, hing nun ein großer Tintenfisch.
„Er hat mich verkrüppelt!“ gellten seine Rufe über das Meer, dann richtete er sich auf – versuchte es zumindest- und brüllte hinaus:
„Ich werde dich finden, Guppy Dick! Ich werden dich jagen über alle...“ kurz zählte er an den Fingern ab
„alle sieben Weltmeere! Ich werde dich jagen und wenn ich dich nicht zur Strecke bringe, dann soll mich Beliar holen. Ich schwöre, ich werde dich jagen!“Reichlich pathetisch zwar, doch immerhin hatte das Ungeheuer ihn zu einem alten, verbitterten Krüppel gemacht.
„Sag mal, schmecken Tintenfische eigentlich?“ fragte er danach an Silo gewandt und zeigte auf sein – nein, nicht Holzbein. Tintenfischbein! Dabei bemerkte er gar nicht, dass Guppy Dick gewendet hatte und wieder auf die Beiden zuschwamm.
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Silothar, 22.07.2011
„Mit Knoblauch schmeckt alles“, knurrte Silo und legte Calan somit ausgiebig seine Meinung über die Geheimnisse der südländischen Küche dar. Die Küste war inzwischen nicht mehr in Sicht, das Ungeheuer hatte sie weit hinaus auf den sonnigen Ozean gezogen. „Zum Glück sind wir sicher, solange wir nicht über Bord gehen!“ Die überdimensionalen Riesenfischis drehten begierig ihre Kreise und dem Hauptmann kam ihr Fehler in den Sinn: Sie waren eindeutig zu weit hinaus geschwommen! Doch wie sollten sie zurück zur Küste kommen?
„Wenn du glaubst, dass ich den ganzen Weg zurück rudere hast du dich aber geschnitten“, erläuterte er dem Schüler dessen Aussichten auf Hilfe seinerseits. Doch schon kam ihm eine Idee: Wenn sie eines dieser sicherlich sehr schmackhaften Tiefseewesen hierher gebracht hatte, war es dann nicht möglich, dass ...
„Sie wollen uns fressen, oh Innos, sie wollen uns fressen!“, kreischte er auf, als die Wahrheit ihn mit voller Wucht ins Gesicht schlug. „Wenigstens haben wir einen neuen Freund gefunden. Ich werde dich Klaus-Jürgen nennen, glaube ich. Oder Willi. Oder Mephisto, das sind alles schöne, traditionelle Namen. Was sagst du dazu?“, wandte er sich an Calan, der das vielarmige Wesen, angewidert getrachtete, des Anblick offenbar überdrüssig wurde und an einigen Armen zog. Sich windend schwirrte Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto in die Luft und –
Happs!Ihr unfreiwilliges Transportmittel war wieder da, der Steuerknüppel, der einst Silos Harpune gewesen war, steckte hinter dem Kopf im Rücken. Das Maul war aufgerissen als das Untier aus dem Wasser geschossen war, die Zähne gebleckt. Der Furcht erregende Anblick des sicherlich vier Meter langen Geschöpfs wurde nun ein wenig gedämpft, da statt Reißzähnen in Dolchlänge nun umher schwenkende Arme mit Saugnoppen das Bild dominierten. Dann war der Fisch auch schon unter aufspritzendem Wasser verschwunden.
„Haben wir ihn abgehängt?“, fragte Silo und lehnte sich gefährlich weit über die Reling des Boots. Schatten huschten unter der Wasseroberfläche, keine klaren Formen waren zu entdecken. Dann hörten sie es: Ein tiefes, bedrohliches Dröhnen.
„Ich hoffe das war dein Magen ...“
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Calan, 22.07.2011
In seiner Aufregung vergaß Calan sogar seine Verkrüppelung und stellte sich auf die Beine. Beziehungsweise auf ein echtes und ein imaginäres. Traurig sah er die Reste von Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto, den er zuletzt doch ins Herz geschlossen war. Der treuherzige Blick, die knuffigen Saugnäpfe und die schlabbrigen Ärmchen, der Kopf, der nicht auf einem Hals sondern am Rest hing – wer konnte einem solchen Anblick widerstehen? Gerade wusste er, dass er einen neuen Freund gefunden hatte, da ging dieser schon wieder von ihnen – getötet von Guppy Dick!
Erst jetzt konnte er das böse Vieh richtig betrachten. Es hatte Ähnlichkeit mit einem riesigen, weißen Hai, oder vielleicht auch mit einem submarinen Godzilla. Und mit einem Guppy. Vielleicht war sein Vater Godzilla und seine Mutter ein Guppy. Die beiden hatten sich ineinander verliebt und ihr ganzer Stolz war ihr Sohn – oder Tochter, Calan wollte nicht nachschauen, was stimmte – Guppy Dick!
Er blickte dem Biest in die tiefen Augen. Wenn die Augen tatsächlich der Spiegel zur Seele war, so war die Seele des Biestes irgendwie groß und glitschig, außerdem konnte man darin Calan und Silo sehen, was für eine Seele doch recht erstaunlich sein dürfte.
„Stüüüürb, Unhold!“ rief Calan, schwang seine wallende Helden-Mähne und holte mit der Harpune aus. Wie in Zeitlupe flog sie durch die Luft, drehte sich und eierte gar ein bisschen, doch es flog. Es flog, wie auch Nylonstrümpfe fliegen würden. Nicht unbedingt gut, nicht wirklich gerade und schon gar nicht effizient. Doch es flog. Und wer einen Nylonstrumpf fest genug schmiss, konnte damit auch einen Godzilla-Guppy umlegen.
Doch es war kein Nylonstrumpf, sondern eine Harpune. Und somit musste er nicht ganz so fest schmeißen.
Guppy Dick brüllte vor Schmerz, als sich die Spitze in sein offenes Maul bohrte. Er schnappte zu und brach die Spitze ab, an der noch immer das Seil hing, das immer weiter in den Schlund gezogen wurde – das Monster schluckte den Rest runter. Calan ließ das Seil frei und betrachtete den Guppy nachdenklich, als er sich eine weitere Harpune nahm.
Das Monster hustete und röchelte und schien sich irgendwie verschluckt zu haben. Langsam lief er weiß an, als würde er keine Luft mehr bekommen, dann warf Calan die zweite Harpune. Sie bohrte sich genau in die Spitze der Schnauze und saß dort wie eine Kühlerfigur.
Doch langsam wurden die Bewegungen Guppy Dicks, des Weißen Godzilla-Guppy-Wals ruhiger und erlagen schließlich. Vermutlich war er am Seil erstickt oder dergleich.
„Das war für Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto und mein Bein, du Arsch!“ schrie er das Vieh an, ehe er merkte, dass er noch beide Beine hatte.
„Nanu?“ murmelte er, ehe ihm ein Licht aufging.
„Silo! Guppy Dick hat mein Bein wieder ausgespuckt!“ rief er jubelnd und zeigte dem Hauptmann sein zurückerobertes Füßlein.
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Silothar, 22.07.2011
„Ausgezeichnete Arbeit“, lobte Silo seinen Schützling. Dann hörten sie es erneut, lauter als zuvor: ein donnernden Rumpeln, ein rumpelndes Stöhnen, ein stöhnendes Rumpelstilzchen.
„meine Güte Calan, iss mal was, wir haben doch jetzt genug Fisch!“, befahl Silo entnervt, als ein Schatten auf die beiden Fischer fiel. Salzwasser tropfte auf sie und ein furchtbarer Gestank beleidigte sie mit jedem Atemzug. Langsam drehten sie sich um. „Och nööö“ wäre die beste Beschreibung ihrer Mienen. Offenbar hatte nicht nur der Guppy Dick seine Freunde mitgebracht. Fangarme ragten in die Luft, Tentakeln fegten umher, und schließlich kam ein gewaltiger dreieckiger Kopf aus den Fluten. Einen Moment lang schien die Zeit still zu stehen, niemand bewegte sich oder wagte es, einen Ton von sich zu geben. Er hörte es, bevor er es sah. Durch die Luft peitschende Arme. Vier von ihnen trafen die Wasseroberfläche gleichzeitig, und schon flogen die beiden Milizionäre durch die Luft, das Boot und eine gewaltige Flutwelle unter ihnen. Die Küste kam in Sicht, und schon kam es rasend näher: Das Kap Argaans. Silo schloss die Augen, und schon wurden sie auf die Felsen zu katapultiert und – ließen sie unter sich. Der Brecher donnerte auf die Steilküste während ihr Böötchen auf Rasen landete und eine dreißig Meter lange Spur hinterließ, als sie in Richtung Landesinnere schlitterten. Dann standen sie, die Augen aufgerissen, die Hände um die Reling der Nussschale geklammert. Silo stand langsam, bedächtig auf und holte tief und bebend Luft ...
„JUHU! Nochmal, nochmal, nochmal!“, forderte er und führte einen kleinen Freudentanz um das an Land liegende, heil gebliebene Boot auf. Die beiden spitz zulaufenen Tentakel, die sich über den Rand der Steilküste hoben, bemerkte er leider nicht.
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Calan, 22.07.2011
Ächzend rappelte sich Calan auf und versuchte die Hände von der Bordswand zu lösen. Irgendwie hatte er einen Krampf in den Fingern und bekam sie einfach nicht ab. Erst unter großer Anstrengung und unter lautem Krachen lösten sie sich. Das laute Krachen wurde jedoch von einem noch lauteren Krachen übertönt, als ein riesiger Fangarm die Steilklippe hoch kroch und nach den beiden tastete.
„Silo!“ rief Calan, als er den Arm bemerkte.
„Klaus-Jürgen-Willi-Mephistos Vater ist da!“Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto Senior ließ sich auch nicht lumpen und schlug mit seinem Arm einen armen, unschuldigen Baum zu Klump. Holzsplitter flogen in alle Richtungen, während die Wurzeln sich einige Meter weiter tiefer in der Erde wiederfanden. Calan fand, es war Zeit, für eine Schlichtung.
„Sehr geehrter Herr Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto sr. Wir alle sind bedrückt über den tragischen, sinnlosen Tod unseres Freundes Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto, der viel zu früh von uns geschieden ist. Im Namen der Stadtwache Thorniaras möchte ich mein – unser! – Bedauern ausdrücken. Und doch sollten wir nicht verzagen, wissen wir doch, dass sich unsere Geliebten im... ähm. Tintenfischhimmel...-tiefsee...-dingsbums wiederfinden, wo sie für immer glücklich sein werden. Requisite in Perücke oder so. Innos habe ihn selig.“Klaus-Jürgen-Willi-Mephisto sr. jedoch schien nicht zu hören. Verständlich, musste er doch noch den tragischen Tod seines einzigen Sohnes verkraften. Er suchte Antworten, verständlich. Und auch wenn es ihn bedrückte, so war es doch verständlich, dass er auch ihnen die Schuld an Klaus-Jürgen-Willi-Mephistos Tod gab.
„Bitte, Herr Kraken, lassen sie das!“ empörte sich Calan, als ein Arm direkt vor ihm zu Boden schlug und einen Haufen Dreck aufwirbelte.
„Oder die Stadtwache wird sie in Gewahrsam nehmen müssen. Sie sind ja unberechenbar!“Noch einmal schlug der Arm nach unten.
„Nana!“ rügte Calan und packte die letzte verbleibende Harpune.
„Widersetzen sie sich ihrer Festnahme?“Die Antwort war ein Schlag, dem der Varanter nur knapp entkommen konnte.
Wie jedoch sollte er einen Riesenkraken festnehmen, von dem er nur den Arm sah? Mit nichts als einer Harpune. Natürlich auf die einzige Art und Weise, die für ihn in Frage kam: Die Dümmlich-heroische!
Mit einem Satz sprang er dem Fangarm entgegen, die Harpune noch immer in der Hand.
„Im Namen König Rhobars des ich glaube dritten!“ ächzte er, während der Arm irritiert zappelte und versuchte ihn abzuschütteln.
„hiermit sind sie verhaftet!“Der Arm schlug zwei- dreimal gegen den Boden, in der Hoffnung Calan abzuschütteln. Glücklicherweise schlug die Calanlose Seite gegen die Erde.
„Sie haben das Recht zu schweigen!“Lautes Brüllen ertönte.
„Alles was sie sagen, kann und wird gegen sie verwendet werden!“Noch lauteres Brüllen ertönte, während der Arm weiter zappelte
„Ich glaub nen Anwalt darfst du dir auch noch nehmen.“Modriger Geruch stieß ihm entgegen, als der Krake schnaubte. Er schien nicht viel von Anwälten zu halten, vielleicht entsprang dieser Geruch gar einem im Kraken geendeten Advokaten.
Der Speer piekte in den Fangarm und während Calan zustieß fiel er zu Boden. Zwei, drei Schritt tief, genug um ihm die Luft aus den Lungen zu nehmen. Tief atmete er ein rollte sich zur Seite. Zwar raste kein Arm hinunter, dem er damit knapp entronnen wäre – aber es hätte ja sein können. Außerdem verlangte es die Helden-Etikette.
Schnell stand er wieder auf den Beiden und schwang den Speer wieder, warf ihn dem Fangarm entgegen, der sich wie eine Katze an sie heranpirschte. Dieser zog sich zurück und lautes Brausen tönte auf. Dann tauchte er wieder auf, schien sich jedoch vermehrt zu haben. Nicht weniger als Fünf Fangarme tauchten nun auf und hatten es auf die beiden Wächter abgesehen.
„Ich glaube wir sollten Verstärkung holen!“ rief Calan und nahm lieber erst mal die Beine in die Hand.