Die Gabe der GötterSeit Angedenken der Zeit existiert sie: Die Magie. Jene Kraft dessen inhärente Widersprüchlichkeit nur durch ihre Unglaublichkeit übertroffen wird. Fähig das Leben selbst zu schaffen und es im selben Moment zu nehmen, Seelen zu stehlen oder den fremden Geist zu binden und zu brechen. Erlernt und beherrscht durch kaltes Kalkül und eisernen Willen, aber getrieben und gewachsen durch das Chaos der Seele und die Gefühle des Geistes. Allmächtiges Werkzeug der Götter und Geschenk an ihre Erwählten. Jene Macht ist es, die die Welt geformt hat und immerwährend verändert und diese Macht zu erlangen suchen nun zwei Seelen, welche sich dem dunklen Herrn verschieben haben.
Eine dieser Seelen nannte sich Caitlyn, die von den Dämonen gemiedene, und trat vor den Hüter Ceron, verzweifelt in ihrer Suche nach Wahrheit. Der Andere war Abaddon, ein freier Jäger, der den Priester Narzuhl ob seiner Weisheit ersuchte. Lehrlinge sowie Lehrende, so unterschiedlich wie die Sammlungen der Sternenbilder am Firmament. Doch ebenso allesamt gekleidet in den Schleier der Dunkelheit, egal ob nun Robe aus Samt oder Himmel der Nacht und aller Unterschiedlichkeit zum Trotz gaben die Lehrenden ihren Schülern diese prüfenden Fragen:
„Was ist Magie? Worin steckt Magie?“
Solch unendlich tiefgründige Fragen, um dessen Antworten die Diener der Götter seit Jahrhunderten suchen und trotz all ihrer angesammelten Weisheit, das wahre Ausmaß der Wahrheit sicherlich bei Weitem noch nicht begriffen haben. Steckt Magie in Allem, was lebt? Sicherlich sind die Werke Adanos‘ geschaffen von der Magie und diese mag ihnen inne wohnen. Doch was ist mit den Dienern Beliars? Sind die toten Seelen, die gezwängt in faulende Körper den Befehlen der schwarzen Magier folgen, wirklich ohne jeden magischen Funken? Und ist das allesverschlingende Feuer der Diener Innos‘ nicht grade ihr mächtigster magischer Ausdruck? Eine einzige Antwort der unwissenden Caitlyn und Fragen über Fragen, die sich über jene Antwort häufen.
Ist es dann so, wie es der Lehrling Abaddon vermutete? Magie sei Gabe der Götter, ihren Auserwählten verliehen auf dass sie die Macht und den Einfluss ihres größten Herrn mehren. Doch auch diese Antwort lehrte niemandem die schlussendliche Wahrheit. Magier sind es, die junge Magier lehren, nicht die Götter. Die Lehrlinge sind es, die ihren Weg selbst wählen und nach der Macht der Götter trachten. Und ist es wirklich die Gabe der Götter oder sind sie vielleicht Götter ob ihrer Gabe? Sind es nicht vielmehr die gewaltigen Wunder, welche sie zu vollbringen in der Lage sind und sie somit zu Göttern machen? Das Meer aus Fragen scheint nie zu versiegen und mit jedem Tropfen, den man aus ihm trinkt, scheint es zu wachsen statt zu schwinden. Fakt ist, dass sich der Quell der Magie in seiner unbegreiflichen Mannigfaltigkeit auch Caitlyn und Abaddon offenbart hat, so wie vielen Magiern vor ihnen auch.
Doch das Erkennen der Magie ist nur ein Schritt. Einer von Vielen, die jene jungen Magier gehen müssen, um die Macht zu erlangen, die sie suchen. Denn die Macht nicht nur zu erkennen, sondern sie zu binden und gemäß des Willens zu beugen. Das ist die Kunst der Magier. Das ist ihre Waffe, ihr Schild und ihre Rüstung, mit dessen Kraft sie sich erwehren und über die Grenzen hinauswachsen, die dem menschlichen Wesen auferlegt sind. Der Weg aber, den die Schüler gewählt haben um dies zu erreichen, ist der Dunkle. Was liegt auf diesem Weg und welches Ziel soll er für die Lehrlinge haben? Die Eine sucht die Anerkennung jener Wesen, die Beliars Reich entstammen und weder Werte noch Emotionen kennen. Der Andere sucht Rache, bittere und grausame Vergeltung.
Und die weisen Priester fragten zu recht: „Ist das Alles?“. Diese noble Macht, welche die einen als Gabe der Götter und die anderen als Ursprung allen Lebens beschreiben, soll nicht zu mehr dienen, als dem wenigen Hass, den ein einzelner Mensch aufbringen kann? Eine Macht, die so viel mehr zu schaffen vermag, soll die Akzeptanz jener Wesen bedeuten, die eben von derselben Macht geschaffen und geknechtet werden können? Der Horizont der Lehrlinge ist noch zu schmal, um zu begreifen, welche Macht ihnen denn nun wirklich angedient wird. Unwissend sind sie, ob der Magie, die sie in ferner Zukunft in sich tragen werden. Aber sie werden geführt von der Weisheit ihrer Vorgänger. Das aufgeschriebene Wissen in den Flügeln, der endlosen Bibliothek, ja sogar das Kastell selbst steht hinter ihnen und ebnet den Weg. Viele Jahre noch werden sie suchen. Sie werden Wissen erlangen und Wunder wirken und irgendwann wird der Tag kommen, da die Menschen ihre Taten erleben, in Ehrfurcht ihre Stimmen erheben, nur um zu rufen:
„Ja, dies ist die Gabe der Götter!“
(--Seisuke)