06 Schatzkästchen

Schmiede des Glücks

Geehrte Leser,

Wenn man alles gesehen hat. Wenn man alles versteht. Wenn man wie kein Zweiter hinter die Fassade der Menschen zu blicken vermag. Wenn man den Spaß an den Dingen der Welt und das Kind im Inneren noch nicht verloren hat.

Wenn man übermütig nach den Gipfeln stürmt. Wenn man dem holden, alten Herrn, der sich selbst Glück nennt, nur mit List und Trug zu bestechen vermag. Wenn für die Leichtigkeit des Seins der Kampf stets mit Eile, ohne Rast und Ruh, jeden Moment des Tages neu entfacht wird.

So sind es denn zwei Wege, die Glück gebären, die Glück gebaren, die Glück bergen. Wer der Edlere ist, wer der Stolzere, wer der Weisere, wer dem Leser noch am Nächsten, vermag nur eben dieser selbst zu entscheiden.

Wohlan denn und mit Genuss!

Ardescion

Anmerkung:
Die folgenden Posts sind in Orthographie und Artikulation genauso wiedergegeben, wie sie im RPG in den Thread „Das Festland #2“ gepostet wurden. Allein die Formatierung mag minimal abweichen.



Von Die Wassermagier (Kilijan), 29.01.2012 - Setarrif

Er liebte den Winter. Er liebte den Sommer. Aber vor allem - liebte er auch den Winter. Und dieser hatte sich die Schelmerei erlaubt und war noch einmal kräftig wieder aufgetaucht. Der Herr Firn, der alte Salm, tsetse. Alte Hände fuhren langsam durch die drahtigen Haare des langen weißen Bartes. Ein leises Kichern entstieg dem Hals und überquerte die bübisch grinsenden Lippen, der Wind pfiff eisig und mächtig kraftvoll durch den Bogengang des Klosters und der Körper, der so alt war, dass er keine neuen Jahre mehr zu kennen schien, ließ sich leichtfüßig von dem Druck des Windes mittragen, machte einen Sprung und drehte dann eine verspielte Pirouette.
Er zu sein hatte sicher etliche Privilegien, aber von jenem, sich vor dem Biss des kalten Windes zu schützen, machte er erst einmal keinen Gebrauch. Die Natur zu erleben, das erfrischte, erdete und erfreute einfach zu immens. Er wanderte gerade nicht im Winter über das Weißaugengebirge und musste fürchten, jede Sekunde zu erfrieren - drei Schritt vor und drei Schritt hinter ihm wartete die wohlige Wärme des Klosters auf ihn. Ha! Wenn der Wind dachte, dass er der guten alten Gesundheit so leicht beikommen konnte, dann hatte er sich aber getäuscht. Haha! Der alte Schelm...
Schließlich brauchte er den Schutz des Treppenaufgangs aber doch - man konnte sich hier einfach keine vernünftige Pfeife stopfen. Es war schwer genug, überhaupt eine gesunde Rauchgewohnheit zu unterhalten dieser Tage. Die Gesellschaft und ihre Moden... Weich fand das Pfeifenkraut seinen vorbestimmten Platz im Meerschaumkopf am Ende des langen, gebogenen Birkenstiels. Einen Moment zog er seine Robe etwas näher um sich, während er mit der Zunge ein renitentes Stück Fleischfaser zwischen seinen Zähnen herausfummelte. Das gehörte da nicht hin, das Rauchvergnügen sollte nicht durch so eine niedre Lebensform wie den gemeinen Hackfleischrest geschmälert werden. Eine kleine blaue Flamme züngelte durch die Schwärze der Nacht und hinterließ einen roten Glutpunkt, der ein paar mal anschwoll und dann die Treppe hoch verschwand.

Die Stunde war spät, aber der Junge schlief sicherlich noch nicht. Die erste Woche nach der Weihe hatte man genug Gedanken im Oberstübchen herumtanzen, um drei Leute bekloppt werden zu lassen. Das Klopfen verhallte im Stein des Ganges. Rauchschwaden stiegen um den Kopf auf, während der Fuß munter zu dem Liedchen wippte, das er summte. Jetzt eine Erbsensuppe, das wärs. Mit Wurst. Unschlagbar. Der alte Magier nickte, er war mit sich selbst und seiner Zukunftsplanung mehr als zufrieden. In dem Moment öffnete sich allerdings die Tür. "Na, mein Junge." Kaspan lachte herzlich, klopfte dem etwas verdutzten jungen Mann im Vorbeigehen auf die Schulter und ließ sich in den Stuhl fallen, von dem Kilijan mit Sicherheit nicht wusste, wo er gerade hergekommen war. Er nahm einen tiefen Zug aus der Pfeife und genoss die vanillehonigtabaktastische Wärme des Rauchs in seinem Mund. Die funkelnden Augen sprangen den Körper des Schmiedes ab, während der seine Begrüßung sagte und sich ebenfalls setzte.
"Heute nicht gearbeitet, wie ich sehe." - Kleidung ist nicht frisch, aber sauber, er auch nicht kürzlich gewaschen - "Du solltest zusehen, dass Du morgen über dem ganzen Grübeln nicht wieder das Essen vergisst." - der Mantel ist trocken, er ist also schon seit vielen Stunden hier, auf dem Hemd sind keine Flecken - und das unleidliche Gulasch heute konnte niemand ohne einen einzigen Flecken zu sich nehmen.
"Wie hat Dir deine Weihe gefallen?" Glühen. Rauch. Lecker. Warum muss ich jetzt an Palmen denken?
"Sehr gut, danke der Nachfrage. Euer Trick mit den leuchtenden Schneeflocken hat mir exzellent gefallen." Das Gesicht des Schmieds war freundlich, aber undurchschaubar - für den Laien. Kaspan war natürlich kein Laie, Genie traf es vielleicht etwas besser. Die Kunst, die Seele der Menschen zu lesen, war eine, die er seit seinem frühsten Jugendalter übte und die mit seiner Meisterschaft der Magie Adanos nicht unbedingt schlechter geworden war, um es vorsichtig auszudrücken.
Er freut sich wirklich. Er ist aber auch stolz, dass er diesen Fakt weiß. Mehr Rauch. Mehr lecker. Natürlich zurecht. War gut verborgen, so mancher Priester dürfte keine Ahnung gehabt haben, dass da die Magie eines der Anwesenden im Spiel war. Er weiß es, ich weiß es, er weiß, dass ich es weiß. "Freut mich." nickte der Alte. Mehr Zeit zum Denken. Denken, diese vergessene Kunst, braucht Zeit, es ist ein Vorgang, der lange dauern konnte, das vergaßen die jungen Leute immer wieder. Nicht auf alles ließ sich innerhalb eines Augenblicks die richtige Antwort finden - aber erst recht musste man nicht vor jedem Problem kapitulieren, das sich nicht sofort erschloss.
"Du hast Dich für die selben Wege entschieden, wie ich damals." Kaspan legte den Kopf ein wenig schief und hüllte sich in noch mehr Rauch. Der Magier ihm gegenüber hob leicht eine Augenbraue.
"Ich habe mich nicht entschieden. Ich habe in den Spiegel geschaut und die bereits feststehende Dinge betrachtet." Der Junge ist was besonderes, da hattest Du recht, alter Junge. Nichts rosa Brille. Der alte Mann kicherte. "Natürlich." Die Pfeife wurde ausgeklopft. Wohin die Asche verschwand? Das blieb ein Geheimnis... Er lehnte sich zurück in seinem Sessel, während er seine Hände etwas mit dem Drehen der Pfeife geschäftig hielt, damit sie sie nicht sofort wieder stopften. Sein Gegenüber verschränkte die Hände und es schien - zu Kaspans Erstaunen - als würde er auch seinen Geist verschränken. Schleier fielen über den vorher so durchsichtigen Geist. Er weiß, dass es jetzt an die Sache geht. Cleverer Junge. Cleverclevercleverclever. Der alte Mann musste eingestehen, dass er solche geistige Disziplin nicht von einem frischen Initiaten im Zirkel erwartet hatte. Die Überraschung würde jetzt aber nicht zur Schau gestellt, sondern einfach in ein Zucken des kleinen Zehs umgeleitet.
"Drei Fragen." Jetzt glomm die Pfeife doch wieder. Hech.



Von Edon Mesotes, 30.01.2012 - Setarrif

"Setarrif in Sicht!"
Der Ruf vom Beobachtungsposten riss Edon aus seinem Schlaf. Konnte er das bevorstehende Ende der Überfahrt nicht ein bisschen leiser ankündigen, manche Leute hatten schließlich besseres zu tun, als faul da oben auf dem Mast rumzustehen und nichts zu tun.

Verschlafen blickte Edon auf die Stadt, die mit großer Zielstrebigkeit auf ihr Schiff zugeeilt kam. Es war also doch Zeit, diesen miesen, stinkenden Kahn mit diesen hektischen Leuten zu verlassen und sie gegen eine miese, stinkende Stadt mit noch hektischeren Leuten einzutauschen.

Die ganze Überfahrt lang hatte Edon sich vorbildlich verhalten und es, auch wenn mit dem Kapitän eigentlich etwas anderes ausgemacht war, vorbildlicherweise unterlassen, der Mannschaft bei ihren Tätigkeiten im Weg zu stehen und dabei auch noch die wichtige Aufgabe übernommen, das persönliche Gepäck der Mannschaft zu bewachen, indem er seinen Körper mutigerweise obendrauf warf und schlief, wenigstens das musste er gegen alle Vorbildsmaßnahmen tun, doch hier hätte es sowieso keinen gegeben, der sein beispielhaftes Verhalten ernst genommen hätte, denn die Gefahr, dass sich ein paar Halunken während der Übefahrt an Bord schlichen wurde törichterweise unterschätzt.

Nach einen paar weiteren Blinzlern, um den Schlaf aus den Augen zu kriegen, lugte er noch mal hoch zum Beobachtungsposten, erkannte den Mann und ging zum Gepäck zurück. Mal sehen, ob dieser Kerl weiter so rumbrüllte, wenn seine Habseligkeiten den Fischen zum Vergnügen dienten. Danach schnappte er sich seinen eigenen Beutel, unterliess es tunichts der restlichen Besatzung beim Festmachen des Schiffes auf die Nerven zu gehen und suchte stattdessen die nächste Taverne auf. Erstmal einen Eintopf, neben einem guten Schluck Met und danach würde er seinem Geldbeutel ein paar Freunde besorgen. Wo es hier wohl ein paar Glücksspieler gab?



Von Edon Mesotes, 29.01.2012 - Setarrif

Nach Edons Meinung war Setarrif eine recht sympathische Stadt. Einer der Männer, die Edon gerade beim Glücksspiel beschissen hatte, war so freundlich gewesen ihn mit einem gut hörbaren "Schnappt euch den Kerl!" darauf hinzuweisen, dass es Zeit dafür war, die Goldmünzen, welche Edon die letzten paar Spiele von seinen Mitspielern eingesammelt hatte, umgehend an einen anderen Platz zu bringen. Diese wirklich netten Menschen hatten überdies auch noch die Freundlichkeit besessen, ihn durch gekonntes Nachjagen zu einer schnelleren Gangart zu bewegen.

Die Geschwindigkeit, die Edon seinen Verfolgern vorlegte, schien diesen auch annehmbar zu sein, da sie es unterliessen, ihn einzuholen und ihn seines Besitzes zu erleichtern. Nachdem er ein paar rasche Abbiegungen im etwas lebloseren Bereich des Hafenviertels eingeschlagen hatte, schlüpfte er in ein recht imposantes Gebäude, eine Sekunde bevor seine Mitspieler um die Ecke stürmten und den Eingang des Hauses mit ihrem gesuchten Inhalt einfach übersahen.

Nach diesem recht unglücklichen Ende der Jagd, schließlich hatte Edon gerade ein paar Freunde verloren, sah er sich kurz im Gebäude um, dass ihm Zuflucht geboten hatte und grinste verschmitzt, als er sich in einer Werft bemerkte. Dieses Haus schien nicht gerade einladend zu sein, ebenso wenig die Männer, die dort arbeiteten, ohne ihm Aufmerksamkeit zu schenken, deswegen beließ Edon es auch dabei, dem offensichtlichen Inhaber freundlich zu zunicken und sich mit einem unbewachten Brotlaib wieder aus selbiger Werft zu entfernen, nur um erfreut festzustellen, dass einer seiner Spielgefährten wohl bei der Jagd seinen Geldbeutel verloren hatte. Natürlich würde Edon seinen Fund sorgsam verwahren und ihm wieder dem Besitzer überantworten, sollten sie sich erneut begegnen und dabei ins Gespräch darüber kommen.

Doch fürs Erste reichte es Edon sich wieder in die Taverne zu begeben und bei einem weiteren Becher Met seine heutigen Einnahmen zu zählen. Diese Leute waren sicher so freundlich gewesen, ihm mindestens einen Monat Lebensunterhalt zu sponsern, was Edon auch nötig haben würde, schließlich würde nicht jeder Tag so erfolgreich verlaufen, wie eben dieser. Er liess sich dort an dem nächstbesten, wenn auch leider schon besetzten Tisch nieder, bestellte einen Becher Met und nickte dem anderen Gast freundlich zu.

"Guten Abend, der Herr. Ein nettes Wetter heute, nicht wahr?"