08 Reise durch die Welt: Mora Sul

Wappen: Unüblich für Varant führt die Stadt ein Wappen. Womöglich ein Einfluss der Kontakte mit fremden Händlern aus allen Gegenden der Welt.

Auf rotem Feld im Schildhaupt belegt mit neun goldenen Münzen: 2:3:4. Im Schildfuß zwei goldene sich kreuzende Krummsäbel. Die Münzen deuten auf die Stellung Mora Suls als Handelszentrum hin. Ebenso auf den sagenhaften Reichtum, der schon viele Abenteurer angelockt hat, die Wüste von Varant zu durchqueren, um diesen Ort zu erreichen. Die Krummsäbel im Wappen sind die Waffe der Wüstenbewohner. Sie zeigen die Stärke der Stadt und warnen, daß der Reichtum gut verteidigt wird. Das Rot im Feld wird von manchen als das beim Erwerb und der Verteidigung des Reichtums vergossene Blut interpretiert.

Lage: Mora Sul liegt weit im Süden von Varant, fast schon an der südlichen Küste des Kontinents. Obwohl es von Wüste umgeben ist, zieht es Menschen von nah und fern an, die auf den Märkten der Stadt ihr Glück suchen. Für Besucher aus Myrtana ist Mora Sul vor allem ein Ort, an dem die seltsamsten Dinge feilgeboten werden. Um es zu erreichen, wurde ein Karawanenweg eingerichtet, der von Trelis über Braga, das Tor nach Varant weiter südlich bis nach Mora Sul führt. Dabei begleiten den Reisenden rechterhand die niedrigen, gleichwohl schroffen und felsigen Höhen der Berge, die das geheimnisumwitterte Westvarant von Ostvarant trennen. Hat man jedoch Mora Sul erst einmal erreicht, kann man von den Höhen, auf denen sich die Stadt ausbreitet, nicht nur die alten Ruinenfelder eines alten, geheimnisvollen und längst untergegangenen Volkes erblicken, man sieht auch ein ebenso altes, großes Tempelgrab und das glitzernde Südliche Meer.


Ausblick von der Stadt über die Ruinenfelder.


Geschichte: Ist es bei den Städten in den myrtanischen Landstrichen oft wegen der Orkkriege und der damit einher gegangenen Zerstörungen von alten Aufzeichnungen der Grund, daß nicht mehr viel über die Geschichte dieser Orte bekannt ist, so liegt es bei Mora Sul -- und anderen varantischen Ortschaften -- vor allem daran, daß sie uns myrtanischen Chronisten fremd und fern sind und nur wenig aus diesen weit südlichen Gegenden an unser Ohr dringt. Aber dennoch will ich getreulich alles berichten, was ich darüber weiß.

Mora Sul soll zu den ältesten Siedlungen in Varant gehören. Vielleicht ist die Stadt sogar von den Nachfahren desjenigen Volkes gegründet worden, das in den weitläufigen Ruinenfeldern südwestlich und östlich der Stadt lebte. Die sich weithin ausdehnenden Ruinen alter Städte deuten darauf hin, daß Varant einst ein blühendes Land gewesen sein muss -- wie sonst sollten die vielen Menschen, die in diesen großen und sich weit ausbreitenden Städten wohnten, dort leben können? Doch heutzutage ist das ganze Land eine trockene Wüste und die wenigen Oasen, in denen sich Quellen finden, werden scharf bewacht, denn sie sind der Schlüssel zum Überleben.


Mora Sul mit seinen Kuppeltürmen breit hingelagert über der Wüste.


Mora Sul ist keine Oase, es liegt sogar auf der Spitze eines sanft abfallenden Berges. Die Stadt ging einen anderen Weg: Wasser läßt sich auch mit Gold kaufen und Gold ist in jener Stadt -- glaubt man den Erzählungen von Reisenden -- im Überfluss vorhanden. So leistet sich die Stadt sogar eine Stadtmauer, etwas, was in Varant sonst kaum üblich ist. Die vielen Türme, so sagt man, glitzern im Sonnenlicht und blenden den Reisenden schon von Weitem. Auch die große Arena ist über die Grenzen des Landes hinaus berühmt. Doch dazu später mehr.

Man sagt, eine furchtbare Verfehlung des alten Volkes habe den Untergang ihres Landes heraufbeschworen. Adanos selbst soll so zornig gewesen sein, daß er das Land dem Untergang weihte. Schwerlich vorstellbar, ist der Gott doch auch als der Gute Gott bekannt, stets auf Ausgleich bedacht. Die Zerstörung in eine Wüstenei scheint mir eher auf das Wirken des finsteren Beliar zurückzuführen sein. Interessanterweise beten auch die Assassinen, die zur gleichen Zeit, als die Orks Myrtana überfielen, sich in Varant ausbreiteten, diesen dunklen Gott an. Die Nomaden hingegen, die schon lange vorher in den Wüstengegenden umher zogen, sind nach wie vor in großen Teilen Anhänger des Adanos.

Doch zurück zu Mora Sul. Die Stadt wurde schnell ein Zentrum des Handels und Handel zieht bekanntlich Reichtum an. Womöglich existierte vordem auch ein Hafen an den Ufern des Südlichen Meeres, der jetzt jedoch zerstört und vergessen ist. wer weiß, zu welchen heute unbekannten Gegenden und Orten der Welt die Schiffe von dort aus aufbrachen, um Kunde von ganz seltsamen Wundern zu bringen. Vielleicht wird unter der Regierung des weisen Rhobar III. wieder ein neuer Hafen errichtet, um den Handel zu fördern. Regiert wird die Stadt von einer Kaste der reichsten Händler, die alle wichtigen Entscheidungen treffen.

Wirtschaft: Da Mora Sul selbst kaum eigenes Handwerk zu bieten hat, beruht die Rolle der Stadt vor allem auf dem Handel selbst. Waren aus aller Herren Länder werden hier angeboten. Gewürze, so exotisch, daß man ihren Namen nicht aussprechen kann, duftende Hölzer, kunstvoll gewebte Stoffe, fremdartige Waffen, geschmiedet in Techniken, die den hiesigen Waffenschmieden unbekannt sind, Bücher in fremdländischen Zungen, mit deren Entschlüsselung sich die Gelehrten viele Jahre beschäftigen, Kunde von fremden Göttern, die nur Götzen sein können, Artefakte von seltsamen Fabeltieren und manchmal sogar lebende Exemplare oder Gegenstände, deren Zweck völlig unbekannt ist. All das und noch viel mehr findet man auf den Märkten der Stadt.


Ein Markt in Mora Sul, angefüllt mit seltsamen, fremdartigen Waren.


Und noch einem zweiten wichtigen Geschäft geht man in Mora Sul nach: Dem Sklavenhandel. Dies hat so lange Tradition, daß selbst die Anordnungen König Rhobars III. den Handel mit Menschen noch nicht gänzlich unterbinden konnten. In älteren Zeiten war es Brauch, daß die stärksten Sklaven in der großen Arena von Mora Sul, der berühmtesten von ganz Varant, um den Sieg und vielleicht um ihre Freiheit kämpften. Prachtvolle spiele, ausgerichtet von reichen Handelsherren, erfreuten die Bewohner der Stadt. Blut floß in den Sand und Jubel brandete durch die Ränge der Zuschauer. aus allen Gegenden der bekannten Welt kamen die Kämpfer und das Volk war begierig nach dem Nervenkitzel des Kampfes und dem Geruch des Todes. Auch heute noch gibt es, wenngleich in bescheidenerem Rahmen, Gladiatorenspiele. Denn noch immer finden sich mutige oder verzweifelte Seelen, die ihr Glück in der Arena von Mora Sul beweisen wollen.

Eine Geschichte aus Mora Sul: Einst gab es einen reichen Kaufmann in Mora Sul, der spazierte durch die Stadt. Ein Bettler, der in einer schattigen Ecke saß, bat ihn um ein Almosen. Doch der reiche Kaufmann, der sehr geizig war, winkte nur ab. Doch als er sah, wie ein armer Tagelöhner dem Bettler eine kleine Münze gab, da meinte er, nicht zurückstehen zu können und wollte auch etwas geben. Um nicht sein eigenes Geld zu schmälern, sprach er zu dem Tagelöhner: "Sei so gut und leih mir eine von deinen Münzen, denn ich habe gar kein kleines Geld bei mir."
Der Tagelöhner hatte ein weiches Herz und gab ihm etwas aus seinem schmalen Beutel. Der reiche Kaufherr warf das Kupferstück in die Schale des Bettlers, so daß es hell klang.
Dem Tagelöhner sagte er: "Komm morgen in mein Haus, dann will ich dir dein Geld zurück geben."
Am nächsten Tag tat der Tagelöhner, wie ihm geheißen worden war. Doch der Kaufherr sagte zu ihm: "Ich kann dir leider nur auf große Münzen herausgeben, denn auch heute habe ich kein kleines Geld, komm doch in zwei Wochen wieder."
Und als zwei Wochen um waren, sagte er zu seiner Frau: "Ich lege mich in einen Sarg, decke du mich mit einem Leichentuch zu und vergieße heiße Tränen."
Und als der Tagelöhner kam und sah, daß der Reiche gestorben war, sagte er "So lasst mich für mein Kupferstück den Toten wenigstens waschen."
Und er nahm einen Kessel heißen Wassers und goß es über den Toten und brühte und wusch ihn. Der Kaufherr hielt es kaum aus und zitterte mit den Beinen.
"Ja, zittere nur soviel du willst", rief der Tagelöhner, "aber gib mir meine Münze zurück." Doch der Kaufherr blieb stumm.
"Tragen wir ihn in den Tempel", schlug er dann der Witwe vor, "und ich will dort für ihn zu den Göttern beten." Und so taten sie es.
Und als es Nacht wurde, stiegen Diebe in den Tempel ein und begannen, alles zu plündern. Nur bei einem goldenen Schwert stritten sie sich über die Aufteilung der Beute. Der Tagelöhner, der sich versteckt hatte, sprang hervor und rief: "Was streitet ihr euch! Wer diesem Toten da den Kopf abschlägt, dem gehört das Schwert!"
Als er das hörte, sprang der reiche Kaufherr flugs aus seinem Sarg und war plötzlich wieder ganz lebendig. Die Diebe aber erschraken, warfen alle Schätze fort und flohen weit davon. Der Kaufherr meinte: "Tagelöhner, laß uns die Schätze teilen!"
Und so taten sie es und für jeden gab es viel.
Der Tagelöhner sprach: "Und was ist mit meiner Münze?"
"Ach, du siehst doch, ich habe schon wieder kein Kleingeld."
Und so zahlte der reiche Kaufherr dem Tagelöhner nie die Münze zurück.