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03 Ostargaan

DAS KASTELL

Segen… oder Fluch?

Krieg ist es, der die Welt in eisernem Griff hält. In einer Faust aus Stahl, befleckt vom Blut der Schuldigen und Unschuldigen gleichermaßen. Die Menschen führen Krieg, kämpfen für Land und für Brot. Gedankt wird ihnen mit dem Tod. Aber nicht durch der Menschen Gedanken ward der Krieg geboren. Denn die Götter sind es, die sich seit jeher bekriegen und deren Vorbild die Menschen folgen. Sie zerstören und lassen erbauen. Tempel von majestätischer Größe, blühende Städte und gewaltige Monumente, all dies gezeichnet von Vergänglichkeit. Die Tempel zerfielen zu Ruinen, die Städte starben und die Monumente verdarben. Ein Sanktuarium aber überdauerte die Kriege der Menschen und den Disput der Götter. Bis zum heutigen Tage steht die Zuflucht der Diener des dunklen Gottes, welche in diesem Kapitel der Geschichte ihren Thron im Süden Argaans eingenommen hat.

Dem Hüter, betitelt durch den Willen des Fürsten dieser Mauern, erliegt die Bürde der Verantwortung über diese zu wachen und jenen, die hier nach Zuflucht oder Weisheit suchen, die Wege des Kastells nicht zu erhellen, sondern sie in ihrer ureigenen Dunkelheit sichtbar zu machen. Welche dieser Aufgaben mag wohl die mühseligere sein? Denn gleich dem Strom verstorbener Seelen, die in Beliars Reich einkehren, scheint der Fluss, der immer wieder Suchende in die Mauern des Kastells führt, nie zu verebben. Unlängst ist es her, da trat ein bleicher Hüne in das Heim der Schwarzmagier ein. Varesz war sein Name, sein Verstand war scharf, seine Sinne wach und doch war ihm das Kastell die Verkörperung von Unerklärlichkeit. Keinen Schritt konnte er tun, keine Tür konnte er öffnen ohne von Zweifel zum Zögern gezwungen zu werden. Mit jenem Zweifel wand er sein Wort an den Hüter, dessen Weisheit dem Geiste wohl der Erleuchtung diente, aber dem Herzen des Suchenden die Zweifel nicht nahm, sondern vielmehr als festen Bestandteil in ihn hinein meißelte.

„Die Sorge ist wohl der Preis, den die Reflektierenden für ihr Verständnis zahlen.“ Die wahre Tiefe dieser Worte wohl noch nicht zu begreifen im Stande, wiesen sie dem bleichen Hünen dennoch einen Weg. Vollkommen lichtlos und alles andere als frei von Sorgen war er, aber dennoch ein Weg, den zu gehen der Suchende bereit war. Der Lohn, der diesem Entschluss folgte, wäre selbst für einen Ungläubigen so unleugbar gewesen, wie die Sonne am Himmel. Das schier unendliche Wissen der vielleicht größten Bibliothek innerhalb von Adanos‘ Sphäre, der nie versiegende Quell des Refektoriums, ein Land wo wahrhaftig Milch und Honig fließen. Ein Ort, dessen Wert einmal erkannt, jeden Sterblichen in seinen Bann zieht. Auch Varesz war keine Ausnahme und wieder trat er vor den Hüter, auf der Suche nach Macht und einem eigenen Platz innerhalb der Mauern des Kastells.

Wer aber wahrhaftig dem dunklen Gott zum Dienste gereichen will und einen Platz in seinem Heim sucht, muss bereit sein das Leben, die Welt und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. „…denn niemand weiß, ob du je zurückkehren wirst.“ So sprach der Hüter und Varesz begab sich auf eine letzte Reise, die sein bisheriges Leben abschließen würde. Dem Hüter blieb dies jedoch nicht die einzige Aufgabe. Die Welt ist voll von Suchenden und auch wenn es nur die sind, welche sich in das Kastell verlaufen, kann wohl kaum ein Sterblicher all jenen gleichsam den Weg bereiten. Noxus Exitus war der Name des Reisenden und unwissend ob der geistigen Größe des Hohepriesters waren seine Worte unglücklich gewählt. Bedeckt von dichtem, weißem Nebel mussten nicht nur die Augen von Noxus gewesen sein, denn gegenüber dem Interesse als Heiler, welches der Hüter des Kastells ebenso besitzt, fehlte es der Antwort des Suchenden nicht nur an Respekt, sondern ebenso an Verständnis gegenüber dem Ort an dem er sich befand. Die Dämonen aber, welche über diesen Ort wachen, verstanden sofort dem Unwissenden die ihm fehlende Wahrnehmung klarzumachen.

Noxus Exitus den Dämonen überlassend verschwand der Hüter in sein Gemach, sich auf eine Reise vorzubereiten seine Fesseln zu lockern und die Welt außerhalb der Kastellmauern nach langer Zeit wieder einmal mit eigenen Augen zu sehen. Doch mit der Rückkehr des Hünen Varesz blieb dem Hüter kaum die Zeit sich eines solchen Zeitvertreibs hinzugeben. Es galt eine neue Seele den Weg in den Zirkel zu zeigen und Varesz tat wie ihm geheißen war, nahm den Weg in die wahrhaftig ungewisse Welt des Kastells auf, sich auf eine Suche begebend, die den Horizont seiner Erfahrungen um einiges wachsen lassen würde.

Übrig blieb der Hüter in seinem Gemach. Der eine Sterbliche, dessen Wort selbst die Dämonen Folge leisten, dessen Wissen über die dunklen Mächte jenes Bauwerks wohl kaum zu übertreffen ist und trotzdem stellt sich die Frage: Ist dies nun ein Segen oder ein Fluch?

(--Seisuke)

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