Es war eine unglaubliche Arbeit, aber ich habe es geschafft. Ich habe alles überlebt und bin rechtzeitig nach Thorniara zurück gekommen, um euch, verehrte Leserinnen und Leser, Bericht zu erstatten. Mein Kollege hatte euch ja in der vorletzten Ausgabe des Botens mit den aktuellen Neuigkeiten aus den tiefen der Berge versorgt, musste diese aber verlassen, damit die Neuigkeiten auch nach außen dringen konnten.
Ich wiederum bin als Träger im Versorgungskonvoi mitgereist, um euch auch über den Rest der Expedition zu informieren – zumindest soweit ich ihn erfahren habe. Aber genaueres wird sich zeigen.
Der Stand auf dem ihr, werte Leserinnen und Leser, seid, dürfte sich auf dem Niveau befunden haben, dass ich erfuhr, als wir eintrafen: Die Gruppe irrte seit einiger Zeit durch den Berg – so zumindest stellen mir es einige der Träger dar, auch wenn ich davon überzeugt bin, dass die führenden Köpfe der Truppe, die Paladine Rodeon und Ullrich sowie der Feuermagier und Prior Thorniaras Lopadas stets genau wussten, wo sie hin wollten – und hatte bereits gegen einen Golem gekämpft.
Relativ bald, nachdem wir zur Gruppe stießen, wo wir mit all den mitgebrachten Vorräten selbstverständlich heiß erwartet worden waren, landeten wir auch schon in einer vermeidlichen Sackgasse: Mannsgroße Gesteinsbrocken waren in den Tunnel herabgestürzt und hatten den Weg meterdick versperrt. Doch ein solches Hindernis konnte die Streiter Innos' auf ihrem Weg zu dem Heiligtum des Feuergottes – denn nichts anderes war es, was wir suchten – keineswegs aufhalten, sodass man kräftig die Spitzhacken schwang – bis die Wand schließlich unter der geballten Manneskraft nachgab. Und das über uns entgoss, was sie bisher zurückgehalten hatte: Horden von Minecrawlern!
Ja, verehrte Leserinnen und Leser, Minecrawler, diese großen Insekten, der Schrecken aller Bergmänner. Ihr leicht schabendes Geräusch lässt selbst gestandene Minenarbeiter zusammenfahren und panikartig die Flucht ergreifen, doch die von Innos beseelten blieben standhaft und setzten sich den Monstern zu Wehr – mit Schwerter und Speeren und allem was sie hatten, wobei höchst unterschiedliche Taktiken zum Zuge kamen.
Die zwei Paladine kämpften hierbei an vorderster Front mit einem unbeschreiblichen Geschick und einer unglaublichen Kraft, sodass man wahrhaft sagen kann, Innos' Wille selbst wurde sprach aus jedem ihrer Schwertstreiche. Ich glaube kaum, dass irgendjemand auch nur ansatzweise die von ihnen bezwungenen Minecrawler zählen konnte. Wieder andere Soldaten bildeten geschickt mit Speeren, Schilden und Schwertern Verteidigungsbollwerke, während wir übrigen uns heldenhaft mit Fackeln zur Wehr setzten, da diese Biester mit Feuer einigermaßen auf Distanz zu halten waren. Auch wenn wir den Umgang mit dem Element unseres Gottes selbstverständlich bei weitem nicht so gut beherrschten, wie sein Priester höchstpersönlich.
Ein jeder, der schon einmal einen Feuerball gesehen hat, dürfte wissen, wovon ich rede, und ein jeder, der dem Magiewettstreit im Kastell bewohnte, kann auch nur ansatzweise begreifen, was für ein Inferno Lopadas im Inneren dieses Berges heraufbeschwor. Diese biestigen, von Beliar gesandten Kreaturen wurden von den Flammen Innos' wahrhaft hinweggefegt und wir alle in unserem Tun erleuchtet!
Und das, trotz ihr absonderlichen Taktik, welche uns so auf diese Weise bisher höchst selten beschrieben worden ist: Jungtiere neigten dazu, sich in den Boden einzugraben und dann hinter den Krieger wieder aufzutauchen, um so die Linien zu durchbrechen und die tapferen Soldaten heimtückisch von hinten anzufallen!
Innos sei Dank haben wir dies trotz all der Widrigkeiten souverän überstanden – und das auch, nachdem, sobald der wirklich unglaubliche Strom von giftigen Insekten langsam am versiegen war, Lopadas samt einigen Novizen, die er auf diese Expedition mitgenommen hatte, ein großes Lazarett quasi ohne weitere Hilfsmittel aufschlug und die Verwundeten dort in unglaublicher Art und Weise versorgte und heilte. Allerdings verstehe ich zu wenig von der Heilkunst, um dies genauer zu beschreiben. Mir kam es nur vor, wie ein Wunder, von Innos persönlich veranlasst.
Irgendwann hatten die Streiter des Feuergottes jedenfalls endgültig die Oberhand über die Kreaturen der ewigen Dunkelheit erlangt und verbannten sie dorthin wo sie hergekommen waren: In die tiefen der Berge und in das Reich Beliars zurück!
Die Truppe setzte sich einige Zeit später – genauere Angaben sind in der ewigen Dunkelheit leider äußerst schwer, denn ohne einen regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus, kommt einem Menschen jegliches Zeitgefühl abhanden – wieder in Bewegung und gelangte schließlich in eine große Höhle – bei weitem nicht die einzige im Verlaufe der Expedition – welche über und über mit Reliefs und vollkommen fremd aussehenden Runen, die von den Beteiligten wirklich niemand entziffern konnte, bedeckt war.
Und die uns erst einmal vor eine ziemliche Herausforderung stellte, denn es stellte sich die Frage nach einem Ausgang, dessen Vorhandensein aufgrund irgendwelcher magischer Phänomene wohl vollkommen klar war, für mich als Laien aber überhaupt nicht ersichtlich.
Also wurden Späherteams gebildet, welche sich die Umgebung genauer anschauen sollten – und die Teilweise erst halbe Ewigkeiten später wieder zu uns stießen, leicht verstört und vollkommen fantastische Geschichten erzählend, welche an sich einen eigenen Artikel wert wären. In diesem Bericht musste ich sie aber leider aussparen, da es seine Aufgabe ist, über den Verlauf der Expedition zu berichten.
Nachdem einige Zeit lang gesucht worden war, entdeckten schließlich einige Arbeit in Zusammenarbeit mit Lopadas eine erstaunliche Regelmäßigkeit ein einigen Kristallen, die aus den Bergwänden hervorkamen.
Ich sage euch, werte Leserinnen und Leser, so etwas habt ihr in eurem Leben noch nicht gesehen: Kristalle, die starke Ähnlichkeiten mir herkömmlichen Bergkristall haben, aber eine ganz Höhle in sanftes Licht tauchen, sobald man sie mit den Händen berührte...
Diese magischen Gesteine wiesen ein Muster auf, das zu einer bestimmten Stelle führte, an der der Prior einen großen, fahlen Stein anbrachte, den die beiden Paladine zuvor beim Nachspüren der Minecrawler gefunden hatten, genaueres kann ich dazu leider nicht sagen, denn dieser Stein war so wichtig, dass ich ihn nie genauer in Augenschein nehmen durfte, in die Personen, die dies vermochten, ließen sich zu keinerlei Aussagen hinreißen.
Jedenfalls öffnete sich ein großes Tor, sobald der Feuermagier Lopadas eben diesen Stein an die beschriebene Stelle setzte – ein Tor, das abermals in eine Halle dieses gigantischen unterirdischen Komplexes führte. Ich wage zu behaupten, dass nun auch bei dem letzten Ungläubigen sämtliche Zweifels ausgeräumt waren, dass wir uns hier nicht auf dem Weg zu einem Ort befanden, der von Innos persönlich beseelt war. Diese Halle sah wiederum anders aus, als die vorhergehende, auch wenn sie eine Eigenschaft gemeinsam hatten: Sie waren beide gigantisch und eindeutig von Menschenhand geschaffen. In der letzteren befanden sich allerdings riesige Steinstatuen, die uns ihr Geheimnis nicht wirklich preis geben wollten – auch wenn, nachdem wir einige Zeit geforscht hatten, Beliar höchstpersönlich in eine dieser steinernen Monstren fuhr und sie zum Leben erweckte.
Ja, ihr habt richtig gelesen, werte Leserinnen und Leser: Eine gigantische Steinstatue griff unsere Expedition an, ein Ungetüm, das weder mit Spitzhacken noch mit Schwertern bekämpft werden konnte, und ein Ungetüm, gegen das selbst unsere Magier nichts ausreichendes ausrichten konnten! Doch die Streiter Innos' mussten sich zum Glück nicht nur auf seine göttliche Kraft verlassen, sondern konnten auch dank seiner göttlichen Eingebungen handeln und das Monster zu Fall bringen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Mit Seilen, welche in Windeseile aus unserem Reisegepäck herausgelöst wurden, schafften sie es schließlich, die Statue zum umkippen zu bringen und so wieder in den Zustand zurückzuversetzen, den sie eigentlich immer besitzen sollte: Vollkommen leblos.
Doch was war es eigentlich, was Beliar dazu veranlasst hatte, uns diesen Fluch zu bringen?
Wir werden es höchst wahrscheinlich nie erfahren. Allerdings durften wir sehr wohl erfahren, dass Innos uns – wie es nicht anders zu erwarten war – weiterhin beistand, indem er uns mit einem magischen Elixier versorgte: Ich wage gar nicht mal zu mutmaßen, was unser ehrenwerte Ausbilder, Kerdric – ebenfalls ein Teilnehmer der Expedition – dort gefunden hatte. Es wirkte wie Wasser, war angeblich warm, leicht leuchtend und quoll direkt aus dem Stein. Einige Soldaten, die in Kontakt mit dieser höchst sonderbaren Flüssigkeit kamen, berichteten von göttlichen Vision – ich möchte dies hier gar nicht alles im Einzelnen aufzählen.
Fakt ist jedenfalls, dass dieses Elixier mit etwas korrespondierte, das die Statue freigegeben hatte: Leuchtende Linien – und auch ein später ersichtliches Tor – an den Wänden, eindeutig magischen Ursprungs, die durch das Wasser irgendwie mit Energie aufgeladen werden konnten... Genauer vermag ich es nicht zu erklären, da ich eigentlich wesentlich mehr vom Schreiben als von magischen Geheimnissen verstehe, die selbst die Novizinnen manchmal zu überfordern schienen.
Sobald der Prior Lopadas jedenfalls mit dem Wasser über die den leuchtenden Torbogen fuhr, verschwand dieser Teil der massiven Felswand einfach und eröffnete uns den Durchgang in das scheinbare Ziel unserer Expedition: Eine weitläufige, gar nicht mal so hohe, viereckige Kammer tat sich vor uns auf, in der einige Schmiedeutensilien ziemlich wahllos verstreut standen – viel zu weit weg, als dass man auf diesen wirklich Schmieden konnte. Doch wer konnte schon ahnen, was man in einem göttlichen Ort schmieden sollte?
Manch ein Teilnehmer war jedenfalls angesichts dieses durchaus überraschenden Fundes sichtlich verunsichert, ob wir hier wirklich eine Stätte von Innos' Offenbarung gefunden hatten, wie wir es alle in der Halle zuvor gespürt hatten, doch ich bin mir absolut sicher, dass es so ist.
Warum sollten wir die Zeichen eines Gottes verstehen können, wir kleine, beschauliche Menschen?
Auch Lopadas schien teilweise nicht so recht zu wissen, was er nun mit diesem Raum anfangen sollte, allerdings muss man gerechterweise auch sagen, dass ihm die übrigen Expeditionsteilnehmer kaum eine Chance ließen, die Kammer angemessen zu untersuchen, denn angesichts der vergangenen Strapazen, wahrscheinlich Wochen im Inneren des Weißaugengebirges und langsam immer knapper werdenden Vorräten, hielt es die meisten tapferen Streiter Innos' nicht allzu lange an diesem allerheiligsten Ort, sondern zog es in Richtung des Ausgangs, in Richtung der Burg Silbersee zurück, in die Welt, für die wir Menschen gemacht wurden.
Es konnte also nicht wirklich geklärt werden, wofür wir losgezogen waren, und was wir gefunden haben, wir können uns aber absolut sicher sein, dass dies nicht die letzte Expedition in das Innere des Gebirges war, denn die gefundenen Hallen bergen noch so viele Geheimnisse, von denen wir jetzt nicht einmal etwas ahnen und für deren Untersuchung auch ein ganz anderes Team zusammengestellt werden müsste.
Fakt ist, dass wir nun alle endgültig von Innos Macht überzeugt wurden, denn ohne seinen göttlichen Willen, hätten wir diesen Ort nie erreicht, und ohne seinen göttlichen Beistand, hätten wir den Weg dahin auch nicht überlebt.
Gath