So mancher Barde und Unterhaltungskünstler ist schon rastlos durch die Tavernen und Schenken Argaans gestreift, ständig auf der Suche nach Publikum, welches ihm Gold für den schlecht gefüllten Geldbeutel und Brot für den knurrenden Magen einbringen möge. So auch der Geschichtenerzähler Lenus, der kürzlich die Gäste der Sturzkampfmöwe zu Setarrif mit seiner Kunst erfreute. Der erste Teil seiner Geschichte wird nun hier wiedergegeben, auf die Fortsetzung wird ungeduldig gewartet!
Ich war an Bord der Weißen Hindin, einem Handelsschiff, dass von Bakaresh den Hafen Khorinis' erreichen sollte. Das Meer war ruhig und die Götter der Winde uns hold. Eine günstige Briese wehte unser Schiff beständig in Richtung des Hafens, sanft kräuselte sich das Wasser um uns herum, feinste Wellen tanzten im Kreis um den Bug und zum Heck und unsere Nasen liebkoste der ständige Duft von Salz und Fisch. Doch dann!
Dann brach unter den Göttern der Winde ein Kampf aus. Der Ostwind nannte den Westwind einen Feigling, der Südwind den Nordwind einen Stümper und inmitten all dem waren wir. Der Steuermann riss das Ruder herum, versuchte dem wilden Treiben zu trotzen, dem Sturm ins Gesicht zu lachen. Die Bootsleute versuchten, die Segel einzuholen, doch es war bereits zu spät. Fetzen hingen an den Masten, zerrissen und zerfetzt, vom Wind hinausgetragen. Endlos prasselte der Regen auf uns hinab, durchsog einen jeden von uns bis auf die Knochen, bis wir glaubten, die Kälte wurde uns von innen heraus zerfressen. Hinzu kam der Wind, der toste wie wildgewordene Pferde. Die Zügel wurden fallengelassen, das Temprament nicht mehr unter Kontrolle gehalten. Wir schaukelten wie eine Nussschalle im Strudel, drei unserer Männer wurden allein an diesem Tag von Bord geweht. Die dunklen Götter holen sich ihre Opfergaben, ob wir es wollen oder nicht.
Doch wie so oft hat eine Opfergabe eine erstaunliche Wirkung. Zwei Stunden später trieb unser Schiff wieder über einen glatten Ozean, als wären der Sturm nur ein grausamer Traum gewesen. Doch es war kein Traum, wie mir klar war. Ein Traum brach keine Masten, zerriss keine Segel, reisst keine Planken und zerschmettert keine Wände. "Männer!" sagte der Käpt'n, nachdem sich der Sturm gelegt hatte. "wir müssen dankbar sein, diesen Tag unbeschadet überlebt zu haben. Unser Mädchen hat es leider nicht so gut getroffen, also werden wir bald einen Hafen anlaufen müssen, um sie zu retten. Ich möchte, dass jeder von euch sofort schreit, wenn Land in Sicht kommt, verstanden?" Natürlich hatten wir das verstanden. Jeder von uns wusste, was es hieß, mit einem ramponierten Schiff auf hoher See unterwegs zu sein: Der sichere Tod. Und der Tod auf der See ist grausam, ohne Erbarmen. Hier schläft man nicht friedlich in seinem Bett ein, nein. Entweder du ertrinkst: Du kämpfst um dein Überleben, versuchst, die Luft anzuhalten, die Oberfläche zu erreichen, doch alles vergebens. Und noch bevor dein Leben zu Ende geht, wird dein Atem zu Ende gehen. Jegliche Luft wird aus deinem Körper gewichen sein und du wirst nach Luft schnappen. Stattdessen wird Wasser deine Lungen füllen. Kaltes, salziges Meerwasser. Wer etwas mehr Glück hat, der wird vorher von den Haien zerrissen. Zwar schmerzhafter, aber kürzer. Ein kleiner Biss, und es ist vorbei - wenn sie nicht vorher knabbern. Dir ein Bein abreissen, oder einen Arm, dein Blut ins Meer fließen lassen und ihre Fressgier wecken. Das sind wahre Bestien, ohne Gnade. Wenn ihr also wisst, wie der dunkle Gott auf dem Meer ist: Grausamer als irgendwo sonst.