Zeiten des Jubels sind heutzutage stets auch Zeiten der Trauer, so scheint es. Die Krieger sind siegreich zurückgekehrt, die Silberseeburg gehört wieder zum Königreich. Kann es einen besseren Grund zum Jubeln geben? All die Anstrengungen und Gefahren haben sich gelohnt. Der Schweiß, das Blut, die Schmerzen - all das scheint vergessen.
Wochen, nein, Monate ist her, dass die ersten Kämpfer unsere Stadt verließen und gen Westen zogen. Späher, die sich wagemütig mitten unter die Feinde mischten. Erst deutlich später folgte das große Heer - Krieger, Magier und Helfer. Und schließlich wurde die Burg gestürmt, wie mir einer der Kämpfer erzählt hat. Der erste Anlauf scheiterte, doch anschließend zeigten die Magier, welche Macht Adanos ihnen verliehen hat. Was musste man da Schauriges hören! Eiswolken, die die Gegner erbarmungslos in den Kältetod schickten, ja selbst ein Golem aus Eis soll im Burghof gewütete haben, nachdem das Tor mit der sprengenden Kraft der kristallenen Schönheit geöffnet worden war.
Zeiten des Jubels über die Eroberung der Burg sind auch Zeiten der Trauer über die Gefallenen. Und Wasser, der Quell des Lebens, wird zu tödlichem Eis. Wir leben in einer paradoxen Welt, nicht wahr? Hast du sie gesehen, als der Tross ankam? Die Frauen, die ihren Männern um den Hals fielen und die Kinder, die sich sehnsüchtig in die Arme ihrer Eltern warfen. Und hast du gehört, wie sie jubeln und feiern? Noch spät in der Nacht leuchtete Licht aus den Fenstern und Singen und Lachen klang durch die Straßen. Doch nicht alle sind zurückgekehrt. Einige wenige sind in der Burg geblieben und werden später nachkommen, andere haben Setarrif für immer verlassen. Hast du auch da die Frauen und Kinder gesehen? Die Angst und Verzweiflung in ihren Augen? Voll Trauer liegen sie in zu leeren Betten und nur ein Schluchzen dringt hin und wieder in die Nacht hinaus. Jubel und Trauer gehen Hand in Hand.
Doch war der Sturm auf die Burg längst nicht das Ende. Die Rotröcke schickten Verstärkung, von einem großen Heer war die Rede. Zu groß für die ausgesandten Truppen, so dass diese durch zusätzliche Krieger und Jagdkommandos des Waldvolkes unterstützt werden mussten. Kennst du die Leute aus dem Wald? Komische Vögel sollen das sein, Baumkuschler werden sie scherzhaft genannt. Doch auf Sumpfkraut verstehen sie sich. Kürzlich waren welche in der Stadt und seither können geübte Nasen häufiger den würzigen Duft von Krautstengeln aufspüren.
Doch auch auf Kriegshandwerk scheinen sich die Waldler zu verstehen. Ein Söldner erzählte mir lachend, die Sumpfbewohner hätten die verbliebenen Gardisten wie Vieh vor sich hergetrieben. Weit durchs Bluttal, bis nach Thorniara zurück. Thorniara! Auch davon muss ich dir erzählen. Schließlich haben sich einige lebensmüde Söldner in die Stadt geschlichen, um die Stadttore zu öffnen. Eine wahnwitzige Idee, welche auch gänzlich scheiterte. Nur mit Glück konnten die eingedrungenen Söldner wieder entkommen. Allerdings soll einer der Magier, Solveg, in die Hände der Innosler geraten sein. Was er in der Stadt wollte? Keine Ahnung. Aber auch Ethorns Truppen haben einen Magier gefangen; fast scheint es, als hätte man lediglich getauscht.
Doch genug vom Krieg. Die Burg wurde zurückerobert und wird derzeit wieder ausgebessert und befestigt. Das wäre doch was für dich? Du hast doch kräftige Arme und ein paar Goldmünzen nimmt man doch gern mit. Überleg es dir mal! Hier verpasst du schon nichts. Obwohl auch in unserer schönen Stadt eigenartige Dinge vor sich gehen. Kürzlich war gar ein Schwarzmagier mit einem Ork hier und auch momentan soll sich in der Nähe der Stadt ein dunkler Zauberer herumtreiben. Und in der Heilkammer wurde eine junge Frau behandelt, die ein magisches Mal an der Hand hatte. Was das wohl alles zu bedeuten hat? Sicherlich nichts Guten. Also sollten wir die Zeit des Jubelns genießen; die Zeit des Trauerns kommt bestimmt.
(-- Adson Muller)