In dieser neuen Serie (hört, hört, große Worte!) wollen wir mit den Leuten sprechen, die schon so lange beim Rollenspiel dabei sind, daß die meisten glauben, daß sie schon vor dessen Existenz dabei waren, Geschichten in das Forum zu schreiben. (Wie immer das auch funktionieren soll. Auf jeden Fall muß Magie im Spiel sein.) Heute haben wir einen besonderen Interviewgast. Es ist uns tatsächlich gelungen, mit Don-Esteban zu sprechen – unter Einsatz unseres schwer gepanzerten, unendlich starken und ausdauernden … Mutes.
Bote: Hallo, Don-Esteban, schön, dich endlich mal interviewen zu können.
Don-Esteban: Ja, wem sagst du das? Das war ja schon vor einem Jahr geplant, aber irgendwie hat‘s nie einer geschafft, das dann auch wirklich durchzuziehen. Mir ist völlig schleierhaft, woran das bisher gelegen hat.
Bote: Ja, das klingt nach einer unglaublichen Story voller Blut, Gewalt und Triumph, nach der unsere geschätzten Leser im ganzen Reich lechzen. Doch dazu ein andermal. Kommen wir stattdessen zu unserem eigentlichen Thema. Heute geht’s darum, die Motivation zu erforschen, die hinter mittlerweile knapp zwölf Jahren Rollenspielaktivität steckt. Sozusagen streng wissenschaftlich.
Don-Esteban: Ein gutes Stichwort. Um nicht zu sagen: perfekt. Als wissenschaftlich forschender Magier kann ich dazu sagen, daß die Aufmerksamkeitsspanne, die einem Text gewidmet wird, in strenger Wechselbeziehung zwischen Textinhalt und Lesendem steht. Aber darum geht es nicht. Denn die Wechselwirkung zwischen dem Textinhalt und seinem Autoren ist ungleich stärker. Wenn wir dies in einem literarisch aufgeladenen Magiefeld gleichmäßiger Stärke experimentell veranschaulichen wollen, indem wir den Autor und seinen Text in dieses Feld versetzen, so ist die magische Verzerrung im zweiten Fall bei RPG-Neulingen um den Faktor zwei größer, bei RPG-Greisen jedoch um den Faktor fünf. Sogar Faktor zehn wurde bei einem gewissen Schwarzmagier schon gemessen. Das führt, profan ausgedrückt, zu folgendem Schluß: Je länger man im Rollenspiel unterwegs ist, desto mehr ist man in seine eigenen Posts verliebt. Schon allein aus diesem Grund fällt das Aufhören mit zunehmender Aktivitätspanne zunehmend schwerer. Ich kann daher allen Neulingen nur ernsthaft raten, sofort wieder aufzuhören, ehe die Suchtspirale greift. Versuche an langzeitbeschworenen Affenskeletten mit Zuckerderivaten als Ersatzdroge haben leider noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert. Das Rollenspiel ist und bleibt gefährlich!
Bote: Oh mein Gott, meine Ohren bluten. Stop! Halt! Aufhören! Außerdem hab ich (und damit vermutlich auch keiner unserer geschätzten Leser) überhaupt verstanden, worauf du da hinaus wolltest. Also sofort zurück zum Thema: Wieso nur fällt es so schwer, aufzuhören? Was ist so schlimm daran, einfach mal den Stift beiseite zu legen und zu sagen „Jetzt ist Schluss!“
Don-Esteban: Nanana, willst du mich etwa loswerden? Das klingt ja fast so, als seien schon Wetten darauf abgeschlossen worden, wann ich endlich verschwinde. (Wie stehen denn die Quoten? Kann ich noch einsteigen?) Aber dazu kann ich nur sagen, die Gerüchte über meine Inaktivität sind stark übertrieben. Und außerdem unwahr.
Bote: Nein, aber mal im Ernst: Wie gelingt es dir nach so vielen Jahren, immer noch im Rollenspiel aktiv zu sein?
Don-Esteban: Einerseits habe ich immer noch neue Ideen (so merkwürdig – ja furchterregend – das auch klingen mag) und andererseits – wenn ich mal wider Erwarten keine habe – kann ich locker meine alten Posts von vor zehn Jahren recyclen. Das merkt nie im Leben einer. Die Schreiber von heute waren ja damals fast alle noch gar nicht dabei. Und da ich weniger der Typ der großen dramatischen Quest-Epen für den eigenen Charakter bin, sondern viel lieber kleine, merkwürdige Alltagsgeschichten in wenigen Posts erzähle, ist das Kastell der richtige Platz – oder vielmehr die richtige Bühne (mit vielen verschiedenen Bühnenbildern) - für meinen Charakter. Und als Lehrmeister für einen gefragten Skill komme ich glücklicherweise auch nicht in die Versuchung, einfach mal so eine Weile Pause zu machen. Ich habe fast immer zu tun. Und ständig mit neuen Leuten. Das ist spannend. (Und außerdem gibt es heutzutage, wo fast alles auf simplifiziertes Gameplay mit schnellen, möglichst grafisch gut sichtbaren Erfolgen setzt, sowieso kaum interessante Spiele mehr. Ich bin also kaum noch abgelenkt.)