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07 Fossilien aus der Kreidezeit

Bote: Und da beglückst du stattdessen lieber deine Gilde mit anhaltender Aufmerksamkeit und Aktivität?

Don-Esteban: Genau! Selbstverständlich freut sich die eigene Gilde auch über jeden aktiven Schreiber, der im Rollenspiel für Geschichten sorgt. (Jawohl, Gilde! Freut Euch! Loslos! Ihr seht noch nicht fröhlich genug aus.)

Bote: Kommen wir zu weniger fröhlichen Ereignissen. Gibt es Dinge aus der Vergangenheit, die du heute nicht mehr machen würdest?

Don-Esteban: Ja, die gibt es tatsächlich. Ganz in der Anfangszeit, noch 2001, habe ich manchmal in den Posts anderer herumeditiert. Nämlich immer dann, wenn sie absoluten Quark geschrieben hatten, der nach humorvoller Bestrafung schrie. Aus einem (regeltechnisch unerlaubten) Runenfund wurde ein gefundenes, nur einmal benutztes, Kondom. Aus einer (geografisch unmöglichen) Kutschfahrt über einen versehentlich nicht beachteten Meeresarm wurde eine Unterwasserfahrt mit Vorfahrt für einen Fischschwarm von rechts und Tintenfisch auf dem Kopf. Und ein angeblich durch Innos bewirktes Wunder hatte am Ende doch nur in der Einbildung eines Einfaltspinsels stattgefunden. Heute würde ich mich nicht mehr trauen, die Posts anderer zu verschandeln. Schließlich sind das ihre Werke und nicht meine, so daß es mir gar nicht ansteht, wild in der Handlung herum zu editieren, selbst wenn die Posts ganz offensichtlich fehlerhaft sind.

Bote: Das klingt nach einem Skandal!

Don-Esteban: Nur, wenn es heute passieren würde. Aber es ist schon lange her und wir hatten ja nichts damals. Außerdem war ich jung und brauchte die Edits.

Bote: Das klingt verdächtig nach Ausreden.

Don-Esteban: Richtig, ich war noch nicht fertig und würde gerne ausreden. Seltsamerweise war in den Anfangsjahren der Widerstand gegen die Moderation als absolutistische Bestimmer viel größer. Heute gibt es ihn nicht mehr. Jeder fügt sich in die – natürlich weisen – Entscheidungen der Moderatoren. Aber seit ca. 2003/4 sind die Regeln auch so weit ausgearbeitet, daß es wenig Platz für sinnvolle Rebellion gibt. In der frühen Anfangszeit, als alles erst noch entwickelt werden mußte, gab es dafür und eben auch für eigene Vorstellungen mehr Raum. Vieles mußte kontrovers ausdiskutiert werden. Die frühen Regeldiskussionsthreads im Forenarchiv legen davon noch beredtes Zeugnis ab. Und außerdem gab es auch viel weniger Moderatoren, so daß die Bildung eines klaren Feindbildes viel einfacher war als heute, wo gefühlte zwanzig Leute das Rollenspiel überwachen. Wen soll man da noch persönlich für das eigene Charakterunglück durch Moderatorenwillkür verantwortlich machen? Stattdessen gibt es heute (und schon viele Jahre) die Soljanka, einen Thread mit genauso buntem Inhalt, wie die gleichnamige Suppe. Denn dort (in den Thread, nicht die Suppe) kommen alle völlig verunglückten Posts hinein, die nicht mehr zu retten sind und das metaphysische Gefüge des Rollenspiels stören.

Bote: Stopp, jetzt bitte nicht schon wieder Magietheoretik.

Don-Esteban: Entschuldige, da ist mir der Faden etwas entglitten. Viel interessanter ist nämlich, daß in der Soljanka schon seit fast zwei Jahren keine Posts mehr gelandet sind. Da kann man als Marketingexperte natürlich kommen und behaupten, das liege an den tollen, gut vorbereiteten Neulingen, die keine Fehler machen und den disziplinierten Rollenspielern, die sich immer an die Regeln halten.

Bote: Moment mal, das klingt ja fast so, als würde dich diese schlüssige Argumentation nicht überzeugen?

Don-Esteban: Ganz recht! Ich glaube viel mehr, das liegt daran, daß immer weniger Neulinge herein schneien und dadurch auch weniger Neulingsfehler passieren und andererseits auch an einem gewissen laissez fair durch die Moderation.

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