Die Stimmen des VolkesVerehrte Leserinnen und Leser,
leider war es dem Korrespondenten des thorniar'schen Artikels nicht möglich, weitere Aufzeichnungen des städtischen Herolds zu sammeln, weigerte sich dieser doch strikt gegen die Weiterführung der schriftlichen Publizierung seiner ansonsten lediglich verbal zu verbreitenden Neuigkeiten. Der Vorwurf der Verunglimpfung wurde dargebracht und eine Beschwerde eingereicht, die besagte, dass er seit dem Erscheinen des letzten Myrtanischen Boten kaum mehr ein Auge zu tun konnte, belagerten doch sämtliche Junggesellinnen seine Wohnstätte in der Hoffnung, dass etwas von der neugewonnen Berühmtheit auf sie übergreifen würde. Ferner verlangte er eine Entschädigung in Gold für diverse Blutergüsse an Hals und anderen intimen Stellen, deren Herkunft er jedoch verschwieg.
Dennoch bitten wir Sie, werte Leserinnen und Leser, nicht zu verzagen, denn als Ersatz für die Sammlung der sich jüngst zugetragenen Geschehnisse, haben wir die Meinung des Volkes, Ihre Meinung, erfragt und zusammengetragen.
Die Stimme der Händler, Horris GilbertBote: Seid gegrüßt werter Herr, dürfen wir Euch einige Fragen zur derzeitigen Situation stellen?
Gilbert: Selbstredend, doch wollt Ihr Euch nicht zunächst meine Ware anschauen? Feinstes Brot und Obst...
Bote: Verzeiht, aber deswegen sind wir nicht gekommen. Doch wo Ihr schon auf Eure Ware zu sprechen kommt: Ich sehe horrende Preise auf euren Schildern, wie kommt es dazu?
Gilbert: Nun, es ist mir unangenehm, doch die Knappheit an Nahrungsmitteln wird immer ersichtlicher. Die Ernten der Bauern aus dem Hinterland fiel dieses Jahr sehr bescheiden aus und seit der Pest finden sich nach wie vor nur wenige Handelsschiffe im Hafen ein. Die Knappheit an Gütern hat die derzeitigen Preise zur Folge.
Bote: Aber können sich die Bürger der Stadt das überhaupt noch leisten?
Gilbert: Nur wenige, mehr betuchte Menschen. Die Pfandleiher machen dieser Tage ihr Geschäft des Lebens, denn die Menschen hungern.
Bote: Aber die seit kurzem Ansässige Händlergilde will laut unseren Quellen diesem Nahrungsmittelengpass entgegenwirken. Was sagt Ihr dazu?
Gilbert: Diese Kerle sind doch nichts weiter als Heuchler vor dem Herrn! Stellen sich als Retter in der Not vor und nehmen den armen Leuten am Ende doch nur ihr Geld aus den Taschen. Jetzt haben Sie sogar schon eigene Soldaten angeschleppt! Das macht es den einfachen Händlern auf dem Marktplatz nahezu unmöglich, ihre Ware zu verkaufen. Ich und auch viele meiner Zunftsgenossen haben Familie und es ist nicht so, als würde ich die Waren, die ich anbiete, herbeizaubern. Wenn ich nichts verdiene, habe ich bald nichts mehr zum anbieten und kann meine Kinder nicht mehr ernähren.
Bote: Danke für das Gespräch.
Gilbert: Wollt Ihr nicht doch einen Laib Brot...nur einen kleinen?
Die Stimme der Hafenarbeiter, Klaas Smits
Bote: Ahoi Matrose!
Smits: Ich bin Hafenarbeiter, du Landratte!
Bote: Verzeiht, mir war so danach.
Smits: Ja ja, schon gut.
Bote: Dürfen wir Euch ein paar Fragen zur derzeitigen Lage am Hafen stellen?
Smits: Wenn's schnell geht. Muss noch 'n paar Kisten im Lagerhaus der Händlergilde abliefern.
Bote: Die Händlergilde hat also auch hier ihre Zelte aufgeschlagen.
Smits: Darauf kannst'e wetten. Die meisten Schiffsladungen, die noch einlaufen, sind für diese feinen Pinkel bestimmt. Aber ich beschwer mich nicht, wenn ich dadruch Arbeit habe.
Bote: Sehr verständlich. Gab es denn sonst irgendwelche besonderen Vorkommnisse in der letzten Zeit?
Smits: Naja, da gab's schon so zwei, drei Dinge, die ungewöhnlich waren.
Bote: Wollt Ihr uns davon erzählen?
Smits: Erstmal kam da so'n ausländischer Kahn. Sah echt beeindruckend aus mit den blutroten Segeln. Die Matrosen und der Kapitän hatten komische Gesichtszüge und ihre Kleidung war auch echt seltsam. Hab ein paar der Kisten verfrachtet und dabei bemerkt, dass haufenweise Laub drin war. Wer will schon bunte Blätter kaufen? Naja, nicht meine Sache.
Bote: Das ist ja wirklich interessant.
Smits: Ich sag's dir! Vor allem wird der Kapitän mit 'nem Mord in Verbindung gebracht, der im Hafenviertel passiert ist. Schon länger her, dass hier mal wieder so richtig was los war.
Bote: Ihr spracht eben von zwei oder drei Geschehnissen?
Smits: Ja, da gab's noch ein zweites Schiff von der Händlergilde. Neben den alten Säcken waren noch mindestens ein Dutzend Soldaten an Bord. Hatten sich mit der Stadtwache in den Haaren, scheint jedoch zu einer Lösung gekommen zu sein.
Bote: Danke für das Gespräch.
Smits: Ich kann auch noch von dem Schimmelpilz erzählen, den ich erst letztens...
Bote: Kein Bedarf, vielen Dank!
Die Stimme der Verwaltungsbeamten, Louis von VorbergBote: Guten Tag Herr von Vorberg!
von Vorberg: Das wünsche ich Euch auch!
Bote: Wir vom Myrtanischen Boten sind brennend an den Ereignissen der letzten Zeit interessiert und würden gern erfahren, wie es Euch ergangen ist.
von Vorberg: Ihr müsst Euch vorstellen, dass seit einigen Wochen mein Arbeitsplatz die meisten Stunden des Tages in Anspruch nimmt. Dauernd bekomme ich Meldungen von Unruhen, Wucherverdacht und Anträge zu irgendwelchen Sondergenehmigungen auf den Tisch. Erst letztens musste eine dringende Ausnahme im Bezug auf die Bewaffnung von Nichtbürgern getätigt werden. Das erforderliche Geld wird der Stadt in den kommenden Tagen sicherlich noch viel nützen.
Bote: Also habt Ihr Euch bestechen lassen? Sozusagen zum Wohle Thorniaras?
von Vorberg: So kann man das nicht sagen, denn wie Ihr wisst, sind wir Verwaltungsbeamte unbestechlich.
Boten: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Stimme der Überlebenden des Angriffs auf das Dorf, Marta MilbiBote: Frau Mibli, ist es uns gestattet, Euch einige Fragen zu dem Angriff auf Euer Heimatdorf zu stellen?
Mibli: Wenn es sein muss.
Bote: Die Menschen sollten erfahren, was geschehen ist.
Mibli: Fangt schon an!
Bote: Was genau war es, das Euch angegriffen hat? Gerüchte sprechen von Orks, Banditen und Männern Ethorns.
Mibli: Keins von alldem war es! Echsen waren es!
Bote: Echsen? Die kleinen Reptilien?
Milbi: Von wegen klein! Sie waren mannshoch, liefen auf den Hinterbeinen und schwangen grobschlächtige Waffen nach jedem, der in ihre Reichweite kam! Fast alle meine Freunde, Familie und Nachbarn sind tot! Versteht Ihr das? Sie sind tot!
Bote: Bitte beruhigt Euch, Frau Milbi!
Milbi: Beruhigen? Hört Ihr mir nicht zu? Das ganze Dorf ist niedergebrannt und kaum einer hat dieses Massaker überlebt! Ich stehe vor dem nichts und wenn der Orden oder die Stadtwache nicht bald was unternimmt, wird es Aufstände geben, das sage ich Euch!
Bote: Danke für das Gespräch.
Nun, verehrte Leserinnen und Leser, sind Sie im Bilde, wie es innerhalb der Gesellschaftsschichten Thorniaras steht. Die Menschen sind unzufrieden und fürchten die Zukunft. Hoffen wir, dass die kommenden Tage eine Besserung der Situation mit sich bringen und vertrauen wir auf die Leitfiguren der Stadt.
(-- Braoin)