„Interimsausgabe“Geehrte Leser,
das Schatzkästchen wird gerade redaktionsintern einer Neustrukturierung unterzogen, dennoch wird auch in dieser Ausgabe ein interessanter Postwechsel präsentiert, der keineswegs nur als Ersatz für ein Baustellenschild dient.
Vielmehr ist es eine Beitragsreihung, die die zarten Pflänzchen der Veränderung in unserer RPG-Welt aufzeigt, grüne frühlingshafte Triebe, die allzu oft und allzu gerne im geordneten Chaos des Myrtana-Threads unter zu gehen drohen.
Yared
stellvertretender Redaktionsleiter
Anmerkung:
Der folgende Postwechsel ist in Orthographie und Artikulation genauso wiedergegeben, wie er im RPG in den Thread „Myrtana #42“ gepostet wurde. Allein die Formatierung mag minimal abweichen.
Von Uglúk, 14.01.2010
TrelisIm Dunkel der Nacht zeichnete sich ein grauer Berg gegen den weißen Schnee ab. Und zu seinen Füßen wanderten graue Gestalten. Doch auch der Berg wanderte, denn nichts anderes als ein riesiges Tier verbarg sich hinter dieser Silhouette. Auf seinen breiten Schulter saß Uglúk, der Kriegsherr. Vergebens war seine Suche nach Ehre gewesen. Nichts hatte er im Westen gefunden, außer steilen Berghängen und tiefen Wäldern. Jetzt ritt er zurück, denn selbst in der Ferne waren die seltsamen Zeichen ihm nicht verborgen geblieben. Als hätten gewaltige Riesen in den Bergen miteinander gerungen, dass es die Erde erschütterte. Vergeblich suchte der Orkhüne nach solchen Kreaturen und gestand sich schließlich ein, dass er nichts als Phantome jagte. Doch das weckte nur seine Neugierde. Er konnte sich nicht erklären, was die Erde erbeben ließ und weshalb es nun wieder verschwunden war. Vielleicht ließe sich in den Städten eine Antwort auf diese Frage finden.
So näherten sich Uglúk und seine Elitekrieger Trelis, das friedlich in der Ferne vor ihnen lag. Loyal und diszipliniert blieben die Orks an der Seite des Kriegsherren, wenngleich sie schon monatelang unterwegs waren und die Annehmlichkeiten eines festen Lagers nicht scheuten. Die Aussicht auf eine reichliche Mahlzeit und eine warme Unterkunft, motivierte sie nun und bald hatten sie die Burgtore erreicht. Ganz so friedlich, wie es zuerst den Anschein machen wollte, erwies sich Trelis aber doch nicht. Offenbar hatten nicht nur Beben die Burg heimgesucht, sondern auch eine Flut aus der großen Bucht vor ihren Toren.
Uglúk befahl seinen Kriegern Vorräte aus der Burg heranzuschaffen und machte sich unterdessen auf, den Statthalter von Trelis zu sprechen. Von ihm erhoffte sich der Kriegsherr Antworten. Und die erhielt er. Von See schienen die Beben gekommen zu sein und mit ihnen die Flut, die die Uferanlagen wie ein gewaltiger Faustschlag zerschmettert hatte.
»Die Flotte in Kap Dun wurde zerstört. Und als wenn das nicht genug wäre, auch noch die Sperranlagen den Fluss hinauf.« »Was kümmern dich die Sperranlagen? Keines unser Kriegsschiffe fährt den Fluss hoch. Und jetzt sowieso nicht mehr.« »Nein, unsere Schiffe nicht. Aber es kommen trotzdem Schiffe vom Fluss herunter und auch wieder herauf. Denen muss ich doch Zoll abnehmen und ohne die Anlagen geht es nicht.« Uglúk stutzte und versuchte vergeblich sich in Gedanken eine Karte Myrtanas auszumalen. Mit einer ausladenden Prankenbewegung schob der Orkhüne Bücher und anderen Kram von dem großen Tisch und legte die darunter liegende Karte des Mittellands frei. Der krallenbewehrte Finger fuhr darauf den Fluss von Trelis entlang und erreichte schließlich den eingezeichneten See im Norden. An ihm lag ein kleines Dörfchen oder hatte dort gelegen. Uglúk wusste um die Verhältnisse in der Gegend nicht viel, nur dass es sich nicht um Territorium der Orks handelte.
»Keine Orkstadt liegt in dieser Richtung auch nur in der Nähe des Flusses, außer Geldern. Und das besitzt keinen Hafen.«, polterte der Orkhüne plötzlich.
»Du lässt unsere Feinde fröhlich den Fluss befahren. Was zum Henker soll das werden?!« Für einen Augenblick wusste Vak nicht wie ihm geschah. Selten war der Besuch Gleichrangiger und keiner seiner Untergebenen wagte so mit ihm zu reden. Gleich nachdem er sich gefangen hatte, raunte er Uglúk an.
»Das sagte ich doch! Zoll fordere ich von ihnen! Und davon reichlich!« »Zoll?! Du verschonst unsere Feinde für Gold?! Was bist du für ein Ork!?« »Ich halte diese strategisch wichtige Burg schon seit Jahren. Erzähl du mir nicht, wie ich sie zu führen habe!«Doch Uglúk machte keinerlei Anstalten überhaupt etwas darauf zu erwidern. Stattdessen kehrte er Vak den Rücken und verließ umgehend das Haus des Statthalters.
Außerhalb des Haupttores hatten die Elitekrieger bereits einige Vorräte herangeschafft, doch gab die Burg nur wenig her und der Proviantmeister erwies sich als äußerst knauserig, nach der Vielzahl an Katastrophen. Nun hatten sich die Orks bereits auf das warme Nachtlager in der Burg eingestimmt, doch Uglúk befahl ihnen sofort wieder zu marschieren. Hier würden sie nicht bleiben. Zügig hatte sich der Kriegsherr auf den großen Ostelefanten hinaufgeschwungen und ritt voraus, wieder gen Westen in hügeliges Land.
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Von Uglúk, 16.01.2010
Trelis Viel Getöse drang durch die karge Landschaft. Muskelbepackte Orks hievten immer und immer wieder Stämme auf ihre Schultern, liefen zu zweit ein Stück und ließen sie dann krachend wieder zu Boden fallen. Dick wie das Bein eines Morras und von allen Ästen befreit, wurden die Baumstämme nebeneinander gelegt, bis ein unglaubliches Gewicht sie zu zerquetschen drohte. Doch nichts dergleichen passierte. Sie rollten unter der schweren Last über den gefrorenen Boden wie Räder.
Jedoch nicht einmal annähernd so schnell wie ein Karren kam der Tross dabei voran. Und dies, obwohl vor dem Gespann ein Tier zog, welches die Kraft von ein paar Dutzend Pferden in sich vereinte. Feste Taue spannten sich von den Flanken des Ostelefanten hinüber zu der großen Last, die er hinter sich herzog. Hinten drein hebelten und schoben die Krieger, um ihren Teil beizutragen, doch ihr Mühen mutete wie Ameisen an, die einen viel größeren Käfer in ihren Bau schaffen wollten.
Lange hatte Uglúk nicht gebraucht, um seinen Plan zu fassen, und war geradewegs seinem Ziel entgegengesteuert. Doch so schnell der Hinweg geschafft war, so langsam und schwerfällig gestaltete sich nun der Weg zurück. Aufgeben würde der Orkhüne gewiss nicht und die Disziplin der Krieger fesselte sie an seinen Befehl - wenngleich jeder von ihnen es aus freien Stücken tat.
Abermals polterte ein Baumstamm zu Boden und wurde gleich von dem großen Gewicht niedergewalzt, das der Ostelefant voranzog. Endlich kam dann das Ziel in Sicht, die Burg Trelis. Auf geradem Wege dorthin konnten sie nicht gelangen. Ein geringes Gefälle versperrte ihn, denn sollte ihre schwere Last einmal ins Rollen geraten, so würde sie jeden erschlagen, der sich ihr in den Weg zu stellen wagte. Weder Ork noch Elefant könnten das überleben. Einen großen Bogen um das Gefälle schlagend, wendete sich der Tross nach Norden und mussten ein seltsames Bild für die Burgwachen geliefert haben. Denn hinter den Zinnen versammelten sich neugierige Orks und Morras, die dem Treiben zuschauten.
»Jetzt sind es schon zwei von diesen Viechern.« »Aber warum zieht der eine den anderen?« »Das ist doch gar kein Tier.« »Natürlich nicht, es sind Monster.« »Schwachsinn, das meine ich doch gar nicht. Das hintere lebt nicht.« »Vermutlich hat der Kerl das Vieh erschlagen und zieht es jetzt hierher.« »Dann gibt es endlich wieder was ordentliches zwischen die Zähne!« »Wenn du dir die Zähne ausschlagen willst. Sieh doch!« Inzwischen hatte der große Ostelefant seine Last bis zu den Ufern des großen Flusses gezogen und hielt unvermittelt an. Der Kriegsherr schwang sich auf den Rücken des Dickhäuters hinauf, sah den Fluss entlang und wägte eine günstige Stelle ab. Ein Stück weiter nördlich musste es sein, denn dorthin dirigierte Uglúk nun Elefant und Orks. Ohne Furcht stieg der graue Koloss in das kalte, schnell dahinrauschende Wasser. Hier halfen die Baumstämme nicht länger, doch es war auch nicht nötig. Die große Last rutschte zügig ins Wasser. Um so schwieriger zog sie sich nun aber durch den schlammigen Untergrund und wenngleich dies eine ausgesprochen schmale Stelle des Flusses war, dauerte es eine weitere Ewigkeit, bis der Ostelefant sein schweres Paket in die Mitte der Strömung gezerrt hatte.
Da lag er nun, der Fels von Trelis. Seine Spitze lugte aus dem Fluss heraus und ließ nach mehr vermuten, das unter der Wasseroberfläche lauerte. Zu beiden Seiten fand sich noch Platz genug, um kleine Fischerboote hindurch zu lassen, denn so hatte es Uglúk im Sinn gehabt.
Laut keifend und fluchend stürmte jetzt Vak aus seiner Burg, denn ihm war das Spektakel nicht verborgen geblieben.
»WAS SOLL DAS?!«, brüllte er quer über den Fluss und bäumte sich zu Füßen des großen Ostelefanten auf. Uglúk sah auf ihn hinab und lachte ihn verhöhnend aus.
»Hahaha! Ich helfe dir, großer Kriegsherr. Jetzt kannst du jedes Schiff auf ewig anhalten und von ihnen deinen dummen Zoll verlangen.« »Du bist ein VERDAMMTER IDIOT!«, schrie der Statthalter und wurde dabei immer lauter. Der Zorn stand ihm ins Gesicht geschrieben und er machte Anstalten seine Axt zu ziehen. Da versteinerte sich der Ausdruck in Uglúks Gesicht und er sprang vom Rücken des Ostelefanten herunter und kam schwer auf dem Boden auf. Vak stampfte wutentbrannt dem Ork entgegen, doch nun richtete sich der wieder zu voller Größe auf und überragte den Statthalter von Trelis um einiges.
»Hör mir zu, Kriegsherr. Du bist eine Schande für unsere Rasse!«, knurrte Uglúk zähnefletschend. »Ich sollte dich gleich hier erschlagen und deine Leiche am Fels zerschmettern lassen.«
Vak knurrte und bleckte die Reißzähne.
»Wegen Orks wie dir wird unser Reich zu Grunde gehen!«, spie der Statthalter seinem Widersacher entgegen. »Nichts verstehst du davon, ein Land zu regieren oder auch nur eine Stadt!« Bei diesen Worten zog er die Axt, doch Uglúk zögerte nicht. Er trat dem Kriegsherrn von Trelis entgegen und ergriff seinen Arm. Mit all seiner Kraft stemmte sich Vak gegen den Orkhünen, hob seine anderen Arm zu Hilfe und auch diesen fasste Uglúk. Im Ringen ließ der Statthalter seine Axt schließlich fahren und bäumte sich gegen Uglúk auf. Ein kurzes und heftiges Kräftemessen war es, doch der schlachterprobte Uglúk triumphierte und zwang Vak in die Knie.
»Du bist ein schwacher Feigling geworden!«, knurrte der Orkhüne von oben herab und warf den Statthalter schließlich zu Boden. »Schaff den Fels selbst fort, wenn du dazu in der Lage bist!« Und mit diesen Worten ließ Uglúk ihn allein und kehrte dem Statthalter den Rücken zu. Geschwind saß der Orkhüne wieder auf dem Rücken des Ostelefanten und marschierte mit den veqlargh davon, denn ihre Untat war vollbracht.