03 Königreich Argaan


Ein Abriss Chaos

Sollten wir uns wirklich sicher sein, dass Wahnsinn und Alltag zwei verschiedene Dinge sind? Das mag manch einem durchaus schwer fallen, der seinen Blick zu den goldenen Kuppeln Setarrifs schweifen lässt, in der sich das Chaos in geordneten Bahnen ausleben und Wahnsinn wie Alltag als zwei Seiten derselben Münze erscheinen lässt.
Unsere kleine Geschichte des geordneten Chaos beginnt mit den Büchern, in denen sie vielleicht dereinst vermerkt werden wird. Aus den zumeist friedlichen Hallen der Bibliothek, die manch einem Unbedarften nicht mehr nach eherner Beständigkeit sondern dröger Einöde erscheinen mag, geht ein Aufschrei: wo pedantisch vermerkt und gelesen der Hüter des Wissens, Calamus, treu seines Dienstes walten will, da ist der Friede der Hallen gestört. Dort wird im Platze der ewig erscheinenden Reihen staubiger Bücher wertvolles Wissen vermisst. Verschwunden, genommen, gestohlen. Nicht lange, ehe die Sprache auf dreiste Diebe kommt und der Ruf nach dem langen Arm der Gerechtigkeit laut wird. Die Akademie soll es regeln, soll jemanden losschicken, der es regelt. Und so brechen am Anfang dieser kleinen Erzählung zwielichtige Gesellen auf, die entwendeten Schätze zu bergen, Krieger, Landstreicher, Tagediebe, denn wie gesagt, ist nicht Ordnung das Gebot der Stunde. Dem geneigten Leser mag aufgefallen sein, dass dies schon länger zurückliegen mag, doch in der Synthese aus Chaos und Ordnung beginnt die Geschichte nun einmal dort und so wird aus der Geschichte einer falschen Zeit der Anfang der Geschichte in dieser jüngsten Vergangenheit.

Denn nun, gleichwenn nicht jeder die edlen Tore Setarrifs bereits wieder durchschritt, sind doch die ersten Boten heimgekehrt und bringen unschöne Kunde mit sich: der Erste muss sich der Schmach eingestehen, mitsamt des Buches eine Kreatur Beliars mit in den Tempel gebracht zu haben, der eifersüchtig das Buch hütet und es nur seinem wahren Besitzer überantworten will. Da ist auch für einen gelehrten Bibliothekar guter Rat teuer und nur von den Schwarzmagiern selbst zu kriegen.

Auch jene aus dem Sumpf haben nicht mehr Grund zum Prahlen, die sie zwar auch eines der Machwerke ergattern konnten und es ohne Dämon zurückzubringen vermochten, so müssen auch sie sich eingestehen, dass auch sie den Dieb nicht fassen, sondern nur ein bitteres Tauschgeschäft abschließen konnten, in welchem sie selbst zu Dieben wurden.

Zusammengefasst: Diebe in intakten Tempeln, Dämonen mitten im Herz der Insel und Diebstähle für das Recht. Ein armer Mensch, der solches Alltag nennt.

Da will man sich doch hilfesuchend nach ein bisschen Normalität umschauen. Vielleicht findet sich solches ja bei einer alt bekannten Rothaarigen, die sich wieder neue Schüler suchte. Doch trainieren auch sie neuerdings im Schatten der Nacht, wo die menschlichen Schatten umtriebig werden und aus finsteren Ecken dunkle Ratschläge in den Wind flüstern. Das klingt wenig verlockend und sei als Fixpunkt der Ordnung nur vage in den Raum gestellt, der nur im Vergleich noch als normal gelten kann.

Vielleicht vergeht die Suche nach ein wenig gesundem Menschenverstand, warum sich fast nackte Damen auf Friedhöfen umtreiben, Magier auf dem Marktplatz von Dächern springen, mit Steinen werfen und zu fliegen behaupten, oder ranghohe Amtspersonen offenkundig in einem Rausch von Jenseits des Totenreiches alles anpöbeln, was auch nur entfernt menschliche Umrisse haben könnte.

An dieser Stelle sollte die Feder doch besser ruhen und der geduldige Leser warten, bis der ganze Stapel Wahnsinn in sich zusammenpurzelt, um vielleicht in Bälde wieder etwas Alltag in eine Stadt voller Verrückter zu bringen...

(--Turang)