VARANTDie Waffen einer Frau – Eine tragische KomödieWas heißt es, zu lieben unter der heißen Sonne Varants? Was heißt es, zu leben eine Leidenschaft in der Hitze der Wüste? Wie ist es, stoisch zu harren der Erlösung zwischen den geschundenen Leibern seiner Gegner?
Kaum senkten sich die ersten zarten Schlieren eines errungenen Sieges, da erhoben sich die Köpfe der Menschen zu sehen das Leid, was die Schlacht ihrer Stadt angetragen hatte. Kaum senkte sich der miefende Gestank alten Blutes, da erhob sich die Eitelkeit für das neu erschaffene Bakaresh. Kaum senkte sich der Stolz jener Mannen für ihre Taten, für ihren Dienst hin zur Stille, da erhoben die Hunde ihre Stimmen und schrien heraus, was man trotz des Sieges verloren hatte.
Begleiten sie mich, verehrter Leser, in eine Stadt, die vom Stahl und den Klang seines Tanzes eigenommen einer besonderen Verführung verfiel. Der Verführung eines Spieles. Eines Spieles, das von einem Mann erhoben worden ist, die Sinne des im Schock gaffenden Publikums zu binden und sie durch die Höhen und Tiefen menschlicher Leidenschaft zu geißeln.
Begleiten sie mich nach Bakaresh.
Kaum war die Tinte eifriger Schreiber für meinen letzten Artikel auf dem Pergament der vorherigen Ausgabe getrocknet, da erfüllte sich die Andeutung des Turnieres und lockte die Händler und ihre Gatten, die Bauern und ihre Frauen, die Höhergestellten und ihre Gespielinnen aus dem tristen Sandstein ihrer Hütten und rief sie in einen der weniger mit Aufmerksamkeit bedachten Prachtbauten jener Stadt. Und sie kamen in Scharen, die gestählten Körper der Kämpfer zu sehen und dem Rausch eines eigens für sie komponierten Liedes zu verfallen.
Da sieht man ihn noch seine Schüler trainieren, den hochgelobten Mann, der noch den klangvollen Namen Gilbert Rottingham trägt. Er weiß sie zu führen, die Menschen, die sich ihm anbiedern, um zu bekommen, was sie für wichtig halten. Ein Pakt mit dem dunklen Gott, möchte man meinen.
Rethus und Tarnum, seine Schüler, ahnen dennoch nichts und folgen seinen Anweisungen. Es geht um Akrobatik, die Beherrschung des Körpers. Herrlich anzusehen, herrlich kleingeistig gegenüber dem Lehrmeister, dessen Gedanken wohl auch in diesem Augenblick einem anderen Pfad folgen.
Tröpfelnd kommen die letzten Bewerber und suchen nach den Lauten ihres Namens. Beinahe zu spät kommt ein weiterer Unbekannter, ein weiterer jener Männer, die dem Singen der Klingen zu folgen scheinen. Gleichsam schwungvoll setzt er seinen Namen auf die Liste wie er zuvor tapsig nach jener gesucht hatte und im Nachhinein in der Stadt verschwand. Ein seltsamer Geselle - auch im Kampf.
Und so ist das Mahl bereitet und die Schakale stürzen sich auf die Speisen. Kaum setzen jene ihre Schritte in die Arena, da beginnt auch schon der erste Kampf. Django der Schwarze, ein scheinbar, wenn man sich auf seine Sprache versteift, zurückgebliebener Mann von der südlichen Insel. Welch Illusion, welche Kunst, sie fallen alle darauf hinein – auch ich – noch.
Seine Gegner ist Cyrith, der vom Ehrgeiz gepackt und mit aller Entschlossenheit, die er elegant zu fokussieren weiß, versucht sich dem mächtigen Säbel seines Gegners zu erwehren. Nutzlos. Die Streiche des Schwarzen sind zu perfekt, seine Hiebe gekonnt und sein Sieg keine Frage der Zeit, sondern der Gnade. Er gewinnt. Schonungslos. Widererwartend.
Und so folgt das Spiel seinem Dirigenten. Unser Geselle, Raad nennt er sich, tritt gegen die rothaarige Kriegerin an, Redsonja, und wird seiner vorherigen Betitelung gerecht. Seltsam sind seine Schläge, seltsam seine Manöver. Und so verwundert es nicht, dass er gegen diese Frau unterliegt, unterliegen musste. So will es der Meister.
Wieder ist es Gilbert, den meine Augen erblicken, dieses Mal selbst einer unerwarteten Wendung verfallen. Eine weitere Rothaarige in weißer Kleidung. Bloß eine Randerscheinung?
Das Turnier fesselt, die Illusion erhöht ihren Drang nach Perfektion. Die nächste Paarung - Xerxo und Lair - schenkt sich nichts und dennoch fällt der Sieg nur denkbar knapp an den Knaben Xerxo, der einem Ehrenmann gebührend seinen Kontrahenten nach seinem Sieg zum Umtrunk lädt. Respektabel.
Tarnum und Rethus führen den ersten Kampf des nächsten Tages. Wieder schnell, wieder treten beide mit höchstem Ehrgeiz an und doch wirkt ihr Tanz wie die bloße Probe für einen Besseren. Rethus gewinnt, souverän, verdient, aber ohne Glanz.
Er selbst kann es kaum glauben, wirkt überrascht und steht für einen Augenblick, einen kurzen nur, ein wenig verloren auf dem plötzlich so großen Feld der Arena. Er, der er Innos dient, siegt über einen Diener Beliars. Ein Omen? Oder doch nicht mehr als Beliars unbestechlicher Zynismus?
Am Rande dieses Kampfes vermischen sich Schwarz und Weiß. Django in plötzlicher Berührung der Rothaarigen, die tags zuvor noch Gilbert verfallen war. Man sieht sie wandern, man sucht Rottingham und zu spät wird einem bewusst, wie perfekt dieses Spiel wirklich war, ehe es an einer Frau zerbrach. Lachend möchte man sein Glas heben, ihr zuprosten, doch scheint sie nichts von ihrem Sieg zu ahnen. Dabei ist sie nur die erste.
Die Stadt versinkt im Schlaf, gibt sich ihrer wohlverdiente Nacht hin, unwissend, dass der nächste Tag für sie etwas Besonderes bereithält.
Django der Schwarze gegen Redsonja die Rote. Wie verheißungsvoll.
Schon früh merkt der emsige Beobachter, dass die Hitze an diesem Tag besonders dem Feuer ähnelt und in dieser Art perfekt das widerspiegelt, was sich vor den Augen der Zuschauer abspielt. Was sich ihnen dann bot, enthob sich dennoch allen bisherigen Erwartungen. Ein flinker Kampf, in dem ein Streich den nächsten jagte und jedes Augenpaar Mühe hatten, den zum Teil wuchtigen Schlägen zu folgen. Agil führte die Rothaarige ihre zwei Klingen, elegant konterte der Schwarze mit seinem Säbel, ehe sie die Rollen tauschten. Famos, brillant, und am Ende so rot wie der Name der Frau, als jene ihre Klinge wieder aus der Schulter Djangos zog.
Ein perfekter Kampf und keiner mag vermuten, dass er genau so war, wie er sein sollte. Eine weitere Frau gewinnt und scheint seltsam ruhig. Sie verlässt die Arena und mit ihr geht die Gewissheit, dass es wirklich ein Sieg war.
Der unsichtbare Nebel senkt sich über die Stadt und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack auf der Zunge, der mich dazu treibt, hinter die schweren Mauern der Arena zu blicken. Was ich finde, lässt mir den Atme stocken. Zusammengesunken kauert die Rothaarige am Boden. Django ist nun wieder Gilbert und an ihrer Seite, scheint sie zu kennen und scheint nicht erwartet zu haben, dass es so kommen würde. Nichts verrät in diesem Augenblick, dass er es genau so gewollt hatte.
So verschwimmen die Bilder vor den Augen und gleichem einen Traum. Augen und Ohren berichten von Folter und dem Vergehen Rotthinghams an der Rothaarigen. Mäuse lauschen den Stimmen und berichten von einem dunklen Plan, der immer noch viel mit Qual und Pein zu tun hat.
Doch keine Aussage gleicht der anderen und lässt auf das Schließen, was hinter dem Stein „Der Goldmünze“ geschehen ist. Es bleibt im Dunkeln und das Einzige, was ans Licht trat, war nach zwei Tagen Redsonja selbst, befreit von ihrem Schülern Lair und einem Mann namens Kamul. Alle nicht für ein Wort zu haben, alle schweigend und selbst die Rothaarige behält die Geschichte ihres Martyriums für sich.
Und so bleibt den Unwissenden nur der letzten Kampf, ausgetragen zwischen dem Krieger Innos‘ und der freien Seele, die nun ein wenig schattig wirkt. Anders - die Frage aufwerfend, ob es an der Klinge liegt, die sie nun trägt und die mit derjenigen zuvor nur wenig gemein hat.
Dagegen präsentiert der Statthalter Bakaresh zwei Klingen aus dem Besitze Zubens, die als Preis für dieses bis zu diesem Zeitpunkt schon großartige Turnier gelten dürfen. Ein seltsamer Zufall, der wieder einmal die Vermutungen kreisen lässt.
Der Kampf beginnt. Und plötzlich wirkt die Rothaarige nicht mehr anders. Plötzlich ergibt sich der Kampf ihrer Leidenschaft und beides scheint in einer feurigen Symbiose miteinander zu harmonieren, die Ketten der Gedanken sprengend, dass die Wahrheit jenem fern liegen müsste. Es ist die Wahrheit. So liebt man in der Wüste, so lebt man seine Leidenschaft, wenn auch in diesem Augenblick von einer Frau aus den Landen jenseits Varants kommend repräsentiert.
Doch dieser Sieg ist erarbeitet. Der Glanz Rethus‘ strahlt in einem hellen Licht, als ob der Gott des Feuers selbst auf die Erde gestiegen wäre, nur um seinen Diener zu erheben. Dennoch umgibt die Kriegerin eine Aura, die förmlich danach schreit, den Sieg davon zu tragen. In seinem Gesicht sieht man Verbissenheit und der unbedingte Wille zum Sieg, in ihren Augen funkelt das Wissen darum, dass es ihr Sieg sein würde. Ein Hauch nur. Ein Schimmer.
Und dann schloss sie die Augen. Die Spannung in der Arena schien die Luft zerreißen zu wollen, bevor das unglaubliche geschah. Die beiden Klingen sprangen aus den Händen Abu Dins, des Statthalters und flogen ihr wie selbstverständlich zu. Ihre Klingen. Offensichtlich und damit ein weiteres Teil des Mosaiks, dass zusammenzusetzen ihnen überlassen bleibt, geneigte Leser.
Der Tanz war ein anderer. Der Tanz war die bloße Vernichtung aller Hoffnung, die Rethus hätte bleiben können. Die Klingen schienen unter ihren Händen in der Luft zu verschwinden und als die Szenerie das nächste Mal nach Luft schnappte, harrte die Spitze eines Schwertes unter dem Kinn des Kriegers.
Der Sieg einer Leidenschaft, dem Wissen zugedacht, dass die Erlösung dem Bedächtigen geschenkt werde. Und so gebar der vordergründige Stoizismus der Kriegerin einen berauschenden Jubel, dem selbst sie anheimfiel, während der dunkle Schatten auf der Seele verbleibt, nicht zu wissen, welchem Spiel dieser Sieg folgte. Manche behaupte, noch immer einem gewissen Mann, der sich selbst als der Schwarze bezeichnete.
Seien sie gewarnt, wenn sie in ferne Lande aufbrechen. Sie können vergehen, wie ein Blatt, dass über den Sand der Wüste getragen zu Staub zerfällt, oder sie kehren als jemand zurück, von dem sie niemals glaubten, dass sie ihm gerecht werden könnten.
Seien sie gewarnt! Die Illusionen jener Stadt sind kaum zu durchschauen, ein jedes Spiel scheint von allen getragen und Perfektion im Glauben jedes Menschen an die eigene Position und deren Sicherheit, macht Bakaresh zu einen Ort, der zu überraschen weiß, irgendwo dort, wo die Grenze zwischen Komödie und Tragödie verschwimmt, dort, wo man akzeptieren muss, lediglich noch getragen zu werden, während der Geist schon dem Spiel verfallen ist.
Möge der Fels ihnen Schatten schaffen und die Sehnsucht Wasser finden lassen,
ihr Berichterstatter aus Bakaresh
(--Ardescion)