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03 Varant und Nordmar

VARANT

In altem Glanze?

Ein den Abend füllendes Ereignis für die gesamte Bewohnerschaft Al Shedim war es, als das Ritual begann. Alle wurden sie aus dem Tempel gebracht, denn nichts sollte den Fluss der Magie beeinflussen oder Schaden durch unkontrollierte Ausbrüche erleiden. Und so war der Tempelvorplatz der Stadt mehr als nur gefüllt, und alle harrten sie ob der folgenden Ereignisse.
Die Zeit war überfällig für das Ritual, um dem Adanos geweihten Tempel Al Shedims die Magie zurück zu geben, die ihm genommen worden war, nachdem die Plage magicophiler Pflanzen, aus dem magisch entstandenen Urwald stammend, nur durch deren Einschluss in geeignete Foki überwunden werden konnte. So hatten sich Magier aus dem Kreis des Wassers sowie ein weiterer Zauberkundiger, über den der Öffentlichkeit jedoch nichts weiter bekannt ist, zusammengefunden, um das große Ziel in Angriff zu nehmen.
Dass das Projekt jedoch nicht reibungslos verlief, hatte selbst jemand mit dem Intellekt eines trockenen Brotes bemerken können, als sich zu der magisch verstärkten Stimme, die dann und wann Anweisungen gebend aus dem Gemäuer hervor drang, ein merkwürdiges Grollen gesellte, das eher vermuten ließ, man reiße die gesamte Stadt ein, als einem Bauwerk seine magische Kraft zurückzugeben. Und sind die Ursachen und genauen Ausprägungen der Komplikationen auch für den nicht in die arkanen Studien eingeweihten Geist schwer greifbar, so sind es die Folgen all dessen doch durchaus. Ein Blick in die Eingangshalle des Tempels genügt.

Die gute Nachricht vorweg: Der Tempel trägt die Magie Adanos‘ wieder in sich, wenngleich ein nicht vollkommen unbedeutender Teil in der Wirren der verstrickten Welt der Magier verloren zu sein scheint, was für den Otto-Normal-Pilger ohnehin keinen Unterschied machen wird. So konnten nach Abschluss des Rituals auch alle Neugierigen die alten Hallen wieder betreten und begutachten oder ihr Quartier beziehen.
Die schlechte Nachricht: Nicht nur, dass die Adanosstatue in der Eingangshalle des Tempels ihren Kopf verloren hat, was schon bedauernswerter Verlust genug wäre, mindestens für alle Anhänger des Gottes des Gleichgewichtes, auch aber für Kunstinteressierte und Studenten der Götterlehre, gibt es doch kaum Abbilder Adanos‘ zu bewundern – auch verunglimpfen eingetrocknete, weiße Striemen den steinernen Korpus des Gottes, die ganz offensichtlich von einer neuen Art von Bewohnern hervorgerufen werden. Wie genau dies geschehen konnte, weiß bislang niemand, doch mit Beendigung des Rituals hatte sich eine Gruppe Falken im Tempel eingenistet und die ehrwürdigen Hallen mit Vogelkot überzogen, ohne dass man auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür hatte, woher die Tiere kamen und warum sie sich nun dort einnisteten.

Die ersten unzufriedenen Gemüter sprechen bereits von einer Tierplage, die auf die Pflanzenplage von vor einigen Monaten folgt, und sehen das Treiben der Magier mit stetig wachsender Skepsis. Den Nomaden von den Wassermagiern angeheuerten Söldnern indes ist es noch nicht gelungen, die Tiere aus dem Gebäude zu vertreiben oder Gründe für das neuerliche Kuriosum zu finden.
Werden die Magier noch die ganze Ruinenstadt dem Erdboden gleich machen? Straft Adanos seine eigenen Anhänger? Oder macht sich irgendeine dunkle Macht einen Jux daraus, den Wassermagiern das Leben schwer zu machen? Die nächsten Monde werden es uns sicher verraten.

(-- Maris)




Blutiges Gold

Die Karawane kehrt zurück an ihren Startpunkt. In den Satteltaschen der grunzenden und blökenden Kamele findet sich massenweise Gold, doch sind ebenso Verletzte auf den Rücken der Tiere zu finden. Es kehren merklich weniger zurück, als vor einigen Tagen aufgebrochen sind.
Der Ort, an dem sich die Männer aus Al Shedim die neuen Besitztümer erbeutet, aber Nomaden sowie einige Wassermagier gleichfalls ihr Leben gelassen haben, liegt im Norden Varants. Ein Ort, der kaum im öffentlichen Interesse steht, der keine kulturelle Bedeutung besitzt, nicht mehr als eine Ansammlung von Minen ist, in denen tagein, tagaus das Hämmern der Sklaven mit ihren Spitzhacken auf den von reichen Goldadern durchzogenen Fels den Takt vorgibt. Vorgab, vorerst jedenfalls, denn die Minenarbeit Ben Erais, der Hauptgoldförderstätte der Assassinen unter Zuben, liegt still für die nächsten Tage. Ein Angriff aus dem Nichts hatte die Besatzung der Ortschaft unter dem Statthalter Sancho unvorbereitet getroffen, die ihr Heil nur in der vorübergehenden Flucht finden konnte.

Tage zuvor hatte der Auftritt einer Tänzerin für Aufsehen erregt, die vielen Männern in der Taverne, dem Ort ihrer Vorführung, den Kopf verdreht hatte. Selbst die hohen Herren des Dorfes hatten Interesse gezeigt und sich anzunähern versucht. Schließlich verschwand die fahrende Frau wieder, nur um kurz darauf von Sklavenhändlern als frisch erworbene Beute feil geboten zu werden. In einer Versteigerung boten die Wohlhabenderen der Assassinen um den Besitz der Frau, als wie aus dem Nichts die Kunde über den Angriff von Nomaden die Herren erreichte. Jegliche Bemühung zum Gegenschlag schlug fehl, zu unvermittelt und zu hart hatten die Räuber, die zwei blutrünstige Bestien mit sich führten, die schon allein wahrscheinlich ein Dutzend rissen, die Verteidiger getroffen. Selbst Magier fanden sich unter den Angreifern, sodass man sein Heil in der Flucht suchte. Vor der Stadt sammelten sich die Geflohenen schließlich und griffen bald schon ihrerseits an, doch was sie vorfanden, war eine leere Ortschaft. Das Gold aus dem Lager Ben Erais war geraubt, die Eingänge der Minenschächte zum Einsturz gebracht, die Sklaven geflohen. Unter den Leichen jedoch fanden sich neben den eigenen toten Männern nur die leblosen Leiber einiger Sklaven.
Wie aus dem Nichts waren die Räuber gekommen und ebenso wieder verschwunden. Oder hatten Sanchos Männer sich etwa von aufbegehrenden Sklaven in die Flucht schlagen lassen?

Die Wahrheit war natürlich weitaus weniger Merkwürdig. In einem gewagten Ausfall hatten Nomaden und Wassermagier Ben Erai ausgeraubt, die Sklaven befreit und die eigenen, verlorenen Männer abseits des Dorfes in der Wüste begraben, um keine Spuren zu hinterlassen. Die Verluste waren nicht gering gewesen, doch nun verfügen die Einwohner Al Shedims eine nicht vollkommen unbedeutende Menge blutigen Goldes. War dieser in Relation zu den Verhältnissen der Wüstensöhne große Reichtum es wert, das Leben guter Männer zu lassen und Zubens mit Sicherheit zornigen Blick auf Al Shedim zu ziehen? Das Gold jedenfalls wurde nur zu einem geringen Teil unter den Teilnehmern des Raubzuges aufgeteilt, der Verwendungszweck des Hauptteils aber liegt noch im Unklaren.
Viel scheint unklar in den neuen Entwicklungen, doch eines steht fest: die Mitglieder des Wüstenvolkes wollen sich nicht länger nur verstecken.

(--Maris)

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