DAS KASTELLVon Seelen und GötternWohl jeder Lehrling der Magie stellt sich irgendwann die Frage, sei es zu sich selbst im Geheimen oder offen vor dem Meister: „Welchen Preis habe ich zu zahlen für diese Macht?“ und gleich der Zahl derer, die sich dies fragen, ist die Vielfalt der Antworten auf diese Frage. Fragt dies die Herrscher über das heilige Feuer und sie werden ihre Hände gen Himmel öffnen, die Tugenden ihres Herrn preisend: das Licht, das Leben und die Ordnung. Fragt dies die Wahrer des klaren Wassers und sie werden ihr Haupt gen Boden senken, die Geschenke ihres Vaters verehrend: das Meer, die Erde und das Gleichgewicht.
Welche Antwort aber geben die, die dem Dritten folgen? Welche Tugenden wünscht der dunkle Herrscher zu sehen? Welche Geschenke hat der Wahrer des Todes zu geben? Aber was sich dem Verständnis der Menschen wohl am meisten entzieht, ist die Frage: Was für einen Menschen braucht es, jene zweifelhaften Geschenke, jene fragwürdigen Tugenden anzunehmen und sich auf einen Weg zu begeben, der gänzlich in Dunkelheit getaucht ist?
Drei solcher Menschen verschlug es in das Kastell der Schwarzmagier. Abaddon, ein Jäger getrieben von seiner Vergangenheit, auf der Suche nach Rache. Caitlyn, eine Schönheit aus Throniara, geflohen von den Fesseln des flammenden Gottes und Seisuke, ein zielloser Dieb, geplagt von verfluchten Träumen. Sie alle fanden in den Hallen des dunklen Herrn eine neue Zuflucht und welcher Führung es auch immer zu verdanken war, traten sie alle vor den Hüter des Kastells. Gekleidet in schwarzen Lehrlingsroben schickte Ceron erst Caitlyn und Seisuke hinauf in den ersten Stock des Kastells und schon allein die Wendeltreppe vermochte die beiden Aspiranten zu trennen, jeden auf sich allein gestellt die Schrecken des Kastells begegnen zulassen. Mit der einzigen Wahl jene Schrecken zu überwinden oder an ihnen zu vergehen. Der unbeschwerte Dieb lernte am eigenen Leib das Kastell zu respektieren, denn auch dem, der Nichts besitzt, kann das Leben genommen werden. Die Angst vor dem Tod selbst, die wohl reinste Manifestation von Beliars Wesen, war es, die ihm gegenübertrat und am Rande der Erschöpfung, an der Grenze zum eigenen Dasein lehrte das Kastell dem Dieb jenes Wesen zu akzeptieren und ihm zu begegnen. Die selbstbewusste Caitlyn, deren starker Wille schon längst durch ihr Blut an diese Hallen gebunden war, schickten die Dämonen auf eine Reise in ihr eigenes Selbst und zeigten ihr dort, dass auch sie in die Knie gezwungen werden konnte. Auch Abaddon wurde von Ceron geschickt, seinem Schicksal im Kastell zu begegnen. Erst von den Dämonen verfolgt und nun geführt, lenkten sie ihn seine Vergangenheit erneut zu erleben. Ein flammendes Inferno, das seine Suche nach Rache noch tiefer in ihn hinein brannte.
Drei Seelen haben sich auf den Pfad des dunklen Gottes begeben. Drei Seelen, die nun in seinen Fängen liegen und allesamt Tod, Angst und Schmerz erfuhren, um nur den ersten Schritt zu tun. Vor jedem von ihnen liegt jener Weg, gehüllt in Dunkelheit, und die Zeit wird kommen, da auch sie einen Preis zahlen. Den Preis für das zweifelhafte Geschenk des dunklen Gottes.
Rosen sind …schwarzVeilchen sind schwarz und Honig, wenn auch süß, ist ebenso schwarz.
Denn jedwedes Wunder, geschaffen von Licht und Wasser, vermag ein Abbild der Dunkelheit zu werden. Zumindest im Kastell der Schwarzmagier und manchmal verirren sich Wunder dieser Welt, Wunder die trotz ihrer Schönheit nicht anders können, als dem Bann des Kastells zu verfallen. So wie die schwarzen Rosen des Kastells. So wie das süße Gefühl Lucias, von dem nur noch Vergangenheit, nur noch Schwärze übrig bleibt.
Zu Beginn dieser kurzen Geschichte verirrte sich ein solch süßes Wunder in die schwarzen Hallen. Es hieß Ferdinant, ein Mann ohne Rang und Namen. Geschunden von den Mühen seiner Reise suchte er Zuflucht im Kastell und begegnete dort den Magiern, die die Welt mit ihren ganz eigenen, ganz anderen Augen sehen. Ihren Glauben akzeptierend und von seinem eigenen Unglauben nicht abweichend, philosophierte der einfache Tagelöhner mit den Magiern, ja sogar dem Hüter persönlich. Aber sein Interesse galt weniger den Göttern, sondern viel mehr einer bestimmten Magierin.
Lucia von der Berg. Der Adligen fiel er in die Arme. Unbeholfen und unerfahren war er. Und dennoch vermochte der Tagelöhner Lucia ein kleines Wunder zu schenken. Ein winziges, unbedeutendes und doch süßes Gefühl. Eine Nacht im Mondschein, von wohliger Wärme und unsäglicher Sucht. Ein Geschenk, das Beliar selbst seinen Dienern wohl kaum zu Teil werden lässt.
Der Bund mit dem dunklen Herrn jedoch fordert immer seinen Preis. Der einfache Tagelöhner könnte dem Wesen des Kastells und der schwarzen Magie keinen Reiz abgewinnen. Zu verschieden war es von seinem Leben, von dem was er kannte und machte ihm klar: sein Weg war ein anderer.
Allein ist Lucia nun wieder in ihrem Gemach.
Allein in Einsamkeit, in Schwärze und Schmach.
So wollen wir uns erinnern, an den Preis den sie zahlt.
Und merken dies Gedicht, das Beliars Willen wahrt.
Rosen sind schwarz,
Veilchen sind schwarz,
und Honig, wenn auch süß,
ist ebenso schwarz.
(--Seisuke)