Ein Krüppel? Auch wenn mein Knie ein wenig an Beweglichkeit eingebüßt hat, so verbitte ich mir doch solch herablassenden Bemerkungen.
Nun, aus gewissen Umständen heraus habe ich meine Heimat in Myrtana verlassen und bin hier her nach Thorniara gekommen, um weiterhin dem Reich dienen zu können. Es war mein Wunsch nach langer Krankheit wieder etwas für das Wohlergehen des Volkes zu tun. Hier, an der Front, wenn Ihr so wollt, kann Hilfe immer am dringendsten benötigt werden. So habe ich mein Glück versucht. Wachtmeister Lodrick ist es zu verdanken, dass ich heute im Kerker diene. Er hat mich in die Miliz aufgenommen. Über einen Umweg über die Verwaltung der Stadt habe ich dann zum Kerker gefunden. Hier zu arbeiten ist ebenfalls eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Als ich den Dienst übernahm war die Einrichtung in einem schlechten Zustand, doch ich versuche fortwährend mein Bestes.
Nun ich gebe Euch Recht, die Zellen sind bisweilen durchaus dunkel und kalt. Auch eine gewisse Feuchtigkeit ist dort vorherrschend. Aber ich halte mich die meiste Zeit des Tages nicht bei den Zellen auf. Vielmehr obliegt mir, als Weibel der Wache, die Organisation des gesamten Ablaufs. Dazu gehört vor allem eine ganze Menge Schreibarbeit. Zurzeit befinden sich die Zimmerleute am Gebäude und bauen den Dachstuhl auf. Dort werden eine neue, helle Schreibstube und ein Archiv entstehen. Auch der Aufenthaltsraum der Wachmannschaften im Erdgeschoß ist ein angenehmer Raum. Dort steht sogar ein Ofen für die kalten Wintertage.
Nun, viel erleben ist ja immer so eine Ansichtssache. Schreibstubenarbeit ist nie besonders aufregend, doch auch, wenn die meisten Gefangenen sich ruhig verhalten und recht umgänglich sind so ist doch kein Tag wie der Andere.
Vom schlechten Zustand des Gebäudes und den derzeitigen Umbaumaßnahmen erzählte ich ja gerade. Doch auch die Mannschaften müssen neu geschult werden. Ein Kerker kann nur so gut funktionieren, wie sein Personal. Auch wollen alle diese Maßnahmen bezahlt werden. Somit fällt auch die finanzielle Organisation in mein Aufgabenfeld. Die Zellen sollen als nächstes renoviert werden. Die Feuchtigkeit lässt immer das Stroh zu schnell faulen.
Dann gibt es da natürlich noch die Momente, wo Gefangene für viel Aufsehen sorgen. Ich werde keine Namen nenne, doch ich darf Euch berichten, dass ziemlich zu Anfang meiner Dienstzeit ein Schwarzmagier einsaß, der uns alle ganz schön auf Trab gehalten hatte. Mehrfach habe ich versucht ihm mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Ruhe zu zwingen, doch vergeblich. Es endete damit, dass die Priesterschaft ihn auf dem Kerker holte. Nun ist er weg. Ich denke er überwältigte den Priester und floh.
Dennoch muss ich leider zugestehen, dass auch schon einem Gefangenen kurzzeitig die Flucht gelang. Wir haben eine wenig eingespielte Truppe im Kerker, da hat ein hünenhafter Nordmann die Flucht ergriffen, indem er eine Geisel nahm. Jedoch konnte er durch beherztes Eingreifen eines Ordensbruders schnell wieder ergriffen werden. Wir verbessern nun den Ablauf innerhalb des Kerkertraktes. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Vorfall nicht wiederholen wird.
Wie ich bereits sagte, ist Schreiben und Organisieren ein Hauptteil meiner Arbeit, doch auch das Kommandieren und das Ausbilden der Männer ist mir anvertraut worden. Aus gutem Grund. Ich habe Erfahrung in der Führung von Männern im Feld. Ich traue mir durchaus zu mit jeder Situation fertig zu werden. Nicht einmal meine schlecht verheilten Verletzungen, die ich mir im Krieg gegen die Orks zuzog, können mich von der Erfüllung meiner Pflichten abhalten. Zwar ist meine Schwerthand fast gänzlich unbrauchbar, doch meine Linke ist durchaus einsatzbereit. Ich werde es nie einfach haben, das ist mir bewusst, doch ich bin mir sicher, dass es einen Weg gibt, wenn ich es will. Dazu kommt, das ich nicht alleine arbeite. Es wäre ein Fehler, die gesamte Kerkeranlage auf ihren Weibel zu reduzieren. Auch wenn eine Männer noch unerfahren sind, so sind sie sehr fähig.
Im Ernstfall sind wir bereit.
Die Gefangenen ordnungsgemäß zu verwahren, aber auch die Stadt vor ihnen zu beschützen. Bereit dazu, mit jeder Situation, die sich im Kerker entwickelt, klar zu kommen. Dort unten ist es ein beengter dunkler Raum. Viele Gefangene sind wirklich ganz unten angekommen. Nicht selten kommt es vor, dass sie so verzweifelt sind, dass selbst Kämpfen gegen eine Übermacht für sie eine Option ist. Das sind besonders gefährliche Situationen. Wie in die Ecke gedrängte Tiere sind sie zu allem bereit. Besonders da heißt es, einen klaren Verstand zu behalten und vor allem darauf aufzupassen, dass niemand der eigenen Männer verletzt wird. Eine Flucht ist meist sinnlos, da der Weg vom Kerker bis zu den Toren immer noch weit ist. Doch soweit wollen wir es ja gar nicht erst kommen lassen. Hier ist Konfliktlösung der besonderen Art gefragt, und dafür sind wir bereit.
Als ich nach Thorniara kam, hatte ich mir überlegt in den Ställen nach Arbeit zu fragen, um Kriegsrösser sowie auch Nutzvieh zu versorgen. Irgendetwas fangen sich die Viecher immer ein.
Dass ich wieder in den Wachdienst eintreten kann, ist großes Glück für mich. Hinzukommt, das die Arbeit mit den Gefangenen, die alle ihre ganz eigenen Geschichte zu erzählen haben, mir durchaus gut gefällt. Es ist etwas Sinnvolles und so Jemand wie ich kann diese Arbeit gut erfüllen. Hier bin ich nützlich. Das soll nicht heißen, dass ich nicht doch noch die eine oder andere Sache in meinem Leben anstrebe, doch viel erwarten tue ich auch nicht. Eine große Kämpferkarriere steht mir wohl nicht mehr bevor. Doch so Innos will werde ich dennoch meinen Namen in die Geschichtsbücher schreiben. Das klingt sehr pathetisch, was ich aber damit sagen möchte ist, dass ich zu allem bereit bin. Dennoch aber auch Innos danke, dass er mir bis hierhin eine zweite Chance gegeben hat.
Diplomatie? Um einen Konflikt diplomatisch lösen zu können, müssen sich in der Regel beide Parteien auf Augenhöhe begegnen können. Wenn ich jedoch an die schon erwähnten vergangenen Aktionen des selbsternannten Königreichs Argaans denke und auch daran, wie viele Kameraden wir im Krieg gegen die Orks in ungleichen Schlachten verloren haben, da die angeforderte Verstärkung ausblieb, dann sehe ich für eine diplomatische Lösung nicht die besten Chancen.
Dennoch wäre sie wünschenswert. Ich denke, das Reich hat in den letzten Jahren genug Tod und Blutvergießen gesehen. Meiner Meinung nach sollte Ethorn sein abwehrendes Verhalten überdenken. Die Angelegenheit unblutig zu beenden ist nach wie vor eine Option, wenn dieser Abtrünnige seinen fehlgeleiteten Stolz überwindet, angemessene Reparationen zahlt und sich endlich wieder dem Reich unterordnet. Denn aller Widrigkeiten zum Trotz haben die Menschen des Reiches und die Menschen von Argaan gemeinsame Feinde. Nicht nur, dass gefährliche Schwarzmagier und Beliarsanhänger frei unter der Bevölkerung wüten, auch soll es auf dieser Insel nach wie vor Orks geben.
Das Ethorn, der Besitzt auf diese Insel anmeldet, dessen immer noch nicht Herr werden konnte, legt für mich eindeutig dar, dass er seiner Aufgabe als Regent nicht gerecht wird. Damit dieses Gebiet endlich befriedet werden kann ist es allerhöchste Zeit, das Argaan sich beugt. Das große myrtanische Reich verspricht Frieden und Schutz. Selbst der hartgesottenste Krieger aus Rhobars Heer ist des Kämpfens müde geworden. Somit ich gehe nicht davon aus, dass die Setarrifer irgendwelche Unannehmlichkeiten erdulden müssten, wenn sie sich unterwürfig ins Reich eingliedern. Doch der Impuls dazu sollte nun aus Setarrif kommen. Das Reich und auch er Orden, der die Verwaltung Argaans im Namens Rhobars übernommen hat, sind lange Zeit gnädig genug gewesen.
Sollten sich die Menschen im Süden aber weiterhin starrköpfig und dumm zeigen, muss es zur Schlacht kommen. Alte Verträge belegen, dass Argaan Teil des myrtanischen Reiches ist. Wiederstand kann zum Wohl des Reiches nicht geduldet werden. Wenn die Setarrifer damit durchkommen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Fürstentümer diesem Beispiel folgen und ebenfalls ihre Unabhängigkeit proklamieren. Das hätte den Zerfall unserer starken myrtanischen Gemeinschaft unter Rhobar III. zur Folge und somit auch unsere und des Reichs‘ Schwächung. Kleinstaaten würden sich, um Gebietsansprüche streitend, in unzähligen Kriegen verlieren. Somit wäre alles, wofür die Menschen in den letzten Jahren so sehr geblutet haben für Umsonst gewesen. Männer, Frauen und Kinder für Nichts gestorben!
Denn schwächliche Winzfürstentümer sind doch nur ein gefundenen Fressen für andere Reiche oder, schlimmer noch, die Orks! Chaos und Tod wären die Folge. Ist dies nicht ein beliargefälliges Werk? Allein der Gedanke daran lässt mich erschaudern. Nein, ich habe genug Kameraden auf Schlachtfeldern sterben sehen. Bevor das nun endlich sichere Reich erneut ins Verderben gestürzt wird, sollte Ethorn mit Gewalt zur Vernunft gezwungen werden. Das dieses auf Kosten seiner unschuldigen Bevölkerung geschieht ist tragisch. Doch so ist es häufig in Kriegen, die wegen der Dummheit einzelner Fürsten geführt werden müssen: Die Bevölkerung zahlt einen hohen Preis dafür.
Um den Kollateralschaden zu minimieren ist ein schnelles Gefecht mit einer großen Übermacht wünschenswert. Eine Belagerung würde nur unnötig Ressourcen und zu viele Menschenleben verschwenden.
Ich für meinen Teil wäre sofort bereit für den Schutz des Reiches ein weiteres Mal in die Schlacht zu ziehen.
Bei Innos, wollen wir hoffen, dass es der Verräterkönig nicht so weit kommen lässt. Für Innos!