06 Zirkel um Xardas

Augenzeugenbericht aus dem absonderlichen Kastell

Ja, liebe Leser, ich habe es gewagt: Ich bin höchstselbst in das geheimnisumwobene Kastell der Schwarzmagier eingedrungen. Einzig und allein, um Ihnen, geschätzte Leser, die Merkwürdigkeiten, von denen erzählt wird, aus erster Hand bestätigen oder entkräften zu können. Ich muß sagen, schon am Eingang wird jeder harmlose Gast aufs Tiefste erschreckt und seine Standhaftigkeit auf die Probe gestellt. An den beiden flügeln des großen tores, welches den einzigen bekannten Eingang in das Gemäuer darstellt, befinden sich nämlich zwei Skelette. Dort befestigt hängen sie und prüfen die Standhaftigkeit eines jeden Besuchers aufs Ernsteste. Nun, wenn Sie, teure Leser, glauben, mit ein paar Knochen sei es nicht weit her, dann muß ich energisch einschreiten, denn weit gefehlt: diese Knochen bewegen sich und durch irgendeinen dunklen Zauber sind diese Wesen in der Lage, mit Neuankömmlingen zu sprechen. sie stellen ihnen merkwürdige aufgaben und ich habe gar den leisen Verdacht, sie machten sich über mich lustig, als ich zaghaft an das Tor klopfte und um Einlass bat. Ich will den aufmerksamen Leser nicht mit Einzelheiten langweilen, aber schließlich gelangte ich in das feste Haus und ließ diese schrecklichen Wesen hinter mir, froh, ihrem grausamen Humor entronnen zu sein.

Doch was empfing mich als nächstes? Eine fein gearbeitete Statue aus gutem Material. es mag kein Marmor sein, aber etwas ähnlich weißes. Dargestellt ist eine menschliche Gestalt mit übergezogener Kapuze, der Erscheinung nach einem Magier gleich. Und sie hält dem Betrachter einen flachen Teller in ihrem ausgestreckten Arme hin. Ja, Sie haben ganz recht, wenn Sie empört sind, liebe Leser, denn erneut ist dies eine Verdrehung der Wirklichkeit: Denn welcher Magier würde schon betteln, handelt es sich doch um geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft! Aber diesen Schwarzmagiern ist anscheinend nichts heilig. So machen sie den Magier zum Bettler und spotten so über sich selbst. Wo soll da die Achtung vor der göttlichen Ordnung bleiben?

Mir selbst schlich sich eine Beklemmung ins Herz, die ich mit einem Lied hinweg scheuchte. Danach hatte ich das seltsame Gefühl, mich frei in den Mauern bewegen zu dürfen, ohne auf eine Gefahr zu treffen. Doch weit gefehlt. Ich ging aufs Geratewohl durch einen der Ausgänge aus der Halle mit der Statue und fand mich in einem wunderschönen Garten wieder. So unerwartet war dies, daß mir fast der Atem still stand, denn eben lief ich noch schweren Schrittes niedergedrückt und elend durch düstere Gänge und nun stand ich in einem sonnendurchfluteten Zwinger mit Blumen, Bäumen, Wiesen und seltsamen Statuen, alles fein säuberlich getrennt durch gerade geschnittene Hecken in den verschiedensten Höhen. die Sonne beschien alles fröhlich und seltsame, vorher nie gehörte Vögel zwitscherten in den Bäumen und Hecken aufs wundervollste. Doch kaum hatte ich mich an diese freundliche Oase inmitten des schwarzen Hauses gewöhnt, mein Erstaunen bezwungen und einige Schritte hinein in diese bunte Pracht getan, da tauchte unvermittelt eine Abscheulichkeit vor mir auf, ich könnte schwören, sie kam aus dem Nichts, so urplötzlich war sie erschienen. Ein Wesen, so furchtbar wie in den schlimmsten Strafen, von denen die Weisen berichten. Feurig seine roten Augen, alles durchbohrend, riesig seine schwarzen Nüstern, daraus Wolken aus Rauch mit lautem Schnaufen ausstoßend. Lederne Schwingen hielten es in der Luft, unförmige Krallen können jeden zerfetzen, ein schuppiger Körper, ungestalt und klobig, endend in einem dicken Fortsatz. Diese angsteinflößende Kreatur packte mich und schleifte mich aus diesem wunderschönen Garten hinaus wieder zurück in das dunkle Gemäuer. Ich wollte um Gnade flehen, allein die Zunge blieb vor Angst stumm. Denn in meinem Geist formten sich seine Worte, doch starr vor Schreck behielt ich nicht, was es mir sagte. Doch dann ließ es mich los und verschonte mich oder hatte das Interesse an mir armen Schreiberling verloren. Und so wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden.


Der Eingang in den unverhofft erschienenen Garten.


Seitdem durchstreife ich den Bau und wandere durch die Gänge. Hier begegneten mir jede Menge Wunder, erschreckliche ebenso wie ganz erstaunliche. Doch davon werde ich in meinem nächsten Bericht erzählen. Und auch die Geheimnisse des Gartens werde ich entschlüsseln, sofern mich keiner hindert. Es gehen nämlich Geschichten über Bäume, die reden und über Nixen in den Brunnen.

(--Dumak)