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6 Verseschmiede

Die Trauerweide (Dumak)

Auf der kahlen Heide,
da steht ein alter Baum,
eine Trauerweide,
erstarrt in einem Traum.


Bei einem alten Weibe,
da darbte eine Maid,
ihr geschah am Leibe
einst ein großes Leid.

Der Wind in ihren Zweigen
bringt leise sie zum Spiel
und in der Blätter Reigen
findet er sein Ziel.


Sie wollte hin zum Tanze
mit einem Burschen gehn
und flocht sich einen Kranze
sie war so wunderschön.

So rauschen denn die Blätter
ohne Unterlass,
im stürmisch Regenwetter
glänzen sie ganz nass.


Das Weibe aber sagte:
›Er wird nicht kommen her.‹
Denn der Neid, der nagte
an ihrem Herzen sehr.

Am Tage scheint die Sonne
auf ihr grünes Dach
und Wandrer voller Wonne
im Schatten liegen wach.


Das Mädchen jedoch lachte
und wollte hören nicht:
›Geschenke er mir machte,
mein Herz er mir nicht bricht.‹

Des Nachts die Sterne schimmern
durch ihr lichtes Blatt
und an dem silbern Flimmern
sieht man sich nie satt.


›Zu Holz will ich erstarren,
wenn er mich vergisst,
ich werde seiner harren,
auch wenn du gram mir bist.‹

Im Frühjahr Weidenkätzchen
mit ihrem Duft betör’n,
man kann an manchem Plätzchen
die Bienen summen hör’n.


›Wenn dies ist dein Wille,
so möge er geschen.
Als Baume sollst du stille
auf der Heide stehn.‹

Im Sommer spendet Schatten
die weitgespannte Kron,
viel Wandrer an dem glatten
Stamme lehnten schon.


Der Alten düst’ren Worte
das Mädchen hörte nicht,
es dacht’ an and’re Orte,
ein Lächeln im Gesicht.

Und wenn die Blätter fallen,
von Herbstes Hauch gefärbt,
wird von des Windes Krallen
der Weidenbaum gegerbt.


Die alte Hexe schickte
einen Zauber aus,
den Burschen er umstrickte
mit tiefem Schlaf zu Haus.

Auf die silbrig Rinde
im Winter schneit es weiß,
in dem kalten Winde
die Zweige rascheln leis.


Des Abendrotes Schimmer
der Nacht hat Platz gemacht,
der Bursche, der kam nimmer,
die Maid umsonst gewacht.

Am Morgen auf der Heide
beugen sich verzagt
die Zweige einer Weide,
wie’s voraus gesagt.

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