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04 Schatzkästchen

Von der Macht der Tränen

Geehrte Leser,
Krieg herrscht in Myrtana, Leid, Schmerz und Trauer vereinigen sich mit Freude, Glück und Dankbarkeit und ein Atemzug kann den Unterschied zwischen beidem ausmachen. In dieser Zeit treffen Sieger auf Besiegte, Orks auf Menschen und Stahl auf Stahl.
Eine besondere Begegnung ist es hingegen, wenn die Schlacht geschlagen ist und sich Ork und Mensch wieder begegnen, begegnen ohne einander wirklich zu verstehen.
Von solch einer Begegnung, einer Begegnung zischen gefangenem Sieger und fliehendem Besiegten, zwischen zwei Kulturen des Krieges und des Glaubens die unterschiedlicher kaum sein könnten erzählt diese Postreihe.
Vor Montera haben die Königstreuen die Grünhäute in die Flucht geschlagen. Doch nicht jeder Sieger kann feiern.
Ob der Innostreiter Hiroga aus den Fängen des Orks Synkka zu entfliehen vermag? Ob Synkka seinem Gefangenen die begehrten magischen Tränen entlocken kann? Und wie er versucht sie aus dem Menschenkrieger herauszupressen und ob der Ork dadurch die Macht erlangen wird, nach der er sich so sehr sehnt, dies alles lässt uns der folgende Postwechsel hautnah miterleben.
Viel Vergnügen beim Lesen.

Yared

Kommentar von Hiroga:
Eigentlich habe ich nur nach einer Möglichkeit gesucht meinen Charakter für ein paar Tage verschwinden zu lassen, ein wenig Dramatik in den Lauf der Dinge zu bekommen und Poststoff zu schaffen. Geworden ist es letzten Endes eine etwas andere Art der Begegnung zweier fremder, verfeindeter Rassen und vor allem Kulturen, bei denen der alte, tiefgehende Hass nur eine sekundäre Rolle spielt. Viel mehr stehen Aberglaube, Beklopptheit und Kommunikationsschwierigkeiten im Vordergrund. Ein Kampf zwischen Ork und Mensch mal etwas anders.

Anmerkung:
Die folgende Postserie ist in Orthographie und Artikulation genauso wiedergegeben, wie sie im RPG in den Threads „Myrtana #55“, „Faring #20“ und „Nordmar #18“ gepostet wurde. Allein die Formatierung mag minimal abweichen.


Von Synkka, 08.11.2010

Da lag er wie ein blutgetränkter, toter Sack auf den Schultern Gargos. Gargo hatte sich nach Synkkas bettelnden Bitten dazu bereit erklärt sein neues halb totes Opfer zu tragen. Der Hauch des Lebens hatte ihn noch nicht verlassen, seine Schmerzen mussten präsent sein, jedoch waren die Wunden längst nicht mehr lebensbedrohlich dafür hatte der Palo gesorgt. Dumm wäre er gewesen hätte er die Wunden unversorgt gelassen, sein Ziel waren doch die Tränen...
Die Tränen eines Kämpfers...sie waren noch viel wertvoller als die dieser Frau, sie waren seltener, deshalb mussten sie auch wertvoll sein. Er musste eine Schwäche entdecken, eine Schwäche die den immernoch bewusstlosen Morra zum Heulen bringen würde...
Grinsend betrachtete Synkka den Kerl...er war sein neues Projekt, er war derjenige der ihm noch mehr Können im Umgang mit der Regulka einbringen würden, denn Tränen waren magisch. Wie magisch waren die Seinigen?
Der Weißhaarige wandte sich ab, schüttelte den Kopf, zu viele Gedanken befanden sich in seinem Hirn. Was waren diese Tränen? Ein Wunderheilmittel...eine verborgener Schatz, sein Schatz...


Von Synkka, 09.11.2010

„Wach auf mein Kleiner…wach auf kleiner Soldat. Morra?! Willst doch nicht alles verschlafen...“, murmelte Synkka, während er seinem neuen Spielzeug links und rechts auf die dreckbesudelten Wangen schlug.
„Es geht weiter…und Gargo, ja Gargo du willst ihm doch nicht zumuten, dass er dich die ganze Zeit trägt?“
Vergnügt plauderte der Palo weiter mit seinem Gefangenen, der sich nach gefühlten Jahren endlich aus seiner Totenstarre zu lösen schien und die verklebten Augen langsam aufschlug. Er musste sich verhältnismäßig gut fühlen, denn Synkka hatte seine Fähigkeiten als Quacksalber, wie man ihn gerne mal bezeichnete, an ihm angewendet. Die spezielle Paloheilsalbe aus allerlei Kräutern hatte die Blutung am Arm gestoppt und bewirkte die schnelle Heilung. Auch die Wunde am Bauch hatte der Weißhaarige mit einigen Pflanzenteilen geflickt und beschmiert… er musste doch gesund und munter sein, denn dann nur dann konnten die Tränen ihre volle Kraft entfalten.
Sie mussten aus diesem gebrochenen Krieger herausströmen…er musste Meere heulen und vertrocknete Seen durchfluten.
„Aufwachen…Schnarchnase!“
Lächelnd blinzelte der Palo sein Tränenmännchen an, mit verbeulter Rüstung musste er, ob er nun wollte oder nicht, mit ihm die Tage weitermarschieren. Synkka hatte ihm Extra um den Hals eine Schnur gelegt, die er selbst in der Hand hielt, um ihn sozusagen Gassi zu führen, wie Brosh sein Mammutlein.
Wenn er flüchten wollte, sollte er es nur versuchen…
Noch eine Ohrfeige links, rechts, links, rechts, links rechts…mit langen behaarten Fingern startete Synkka die ersten Versuche einen Krieger zum Heulen zu bringen. Es würden Tage der Forschung auf ihn zukommen, anders war diese Problem nicht zu lösen…


Von Hiroga, 10.11.2010

Schwach blinzelnd versuchte er die Augen aufzuschlagen. Eine unsanfte Berührung im Gesicht unterstützte ihn. Die Augenlider wogen schwer, ihm war als hätte er Tage lang geschlafen. Bevor sich sein Sichtfeld zu einem Bild aufklarte, bahnten sich vereinzelte Erinnerungen ihren Weg durch seinen Kopf. Freiya, der Heereszug, er hatte sie verlassen müssen... Montera, die Orks, der Schütze,... Heinrich!
Langsam erspähte er etwas vor seinen glasigen Augen. Ein Gesicht? Wieder dieses unangenehme Gefühl, die dumpfe Berührung nahm Gestalt an, hinterließ einen leichten Schmerz. Unter großer Anstrengung gelang es ihm endlich die Augen aufzuschlagen und kaum triumphierte er über die Bewusstlosigkeit, wünschte er sich doch sogleich wieder in den tiefen Schlaf zu fallen, der ihn ereilt hatte.
Eine fiese, grässliche Fratze blickte ihn an. Ein dunkles, von Narben gezeichnetes Gesicht, bestückt mit spitzen Zähnen, zwischen denen womöglich die Fleischreste hunderter Kreaturen schimmelten. Fettige Haarsträhnen rahmten das erbärmlich hässliche Gesicht des Wesens ein. Er schauderte. Ihm war bewusst was für einem Geschöpf er sich gegenüber sah. Die Hoffnung, dass dies alles nur ein Albtraum sei, schwand als er erneut den Schmerz der Ohrfeige auf seinen Wangen spürte.
Für einen Augenblick war er gewillt dem Schwarzork in die grässliche Visage zu spucken und ihm seinen tiefen, wohl begründeten Hass entgegen zu speien, doch weder würde dies seine Lebenserwartungen sonderlich steigern, noch war es seinem Stand angemessen.
Kaum herrschte er wieder über jeden Muskel seines Gesichtes, bildete sich ein Blick tiefster Ablehnung und Wut.
Langsam versuchte er seine Zunge dazu zu überreden ihren Dienst wieder aufzunehmen.
"Was willst du... Kreatur des tiefsten Abgrunds?", presste er angestrengt zwischen den Zähnen hervor, sich seiner Situation noch immer unbewusst.


Von Synkka, 10.11.2010

Synkka blickte den plötzlich so lebhaften Morra interessiert an, begann zu kichern und genoss das menschliche Grollen, von dem er kein Wort verstand.

"BrabBrabelbarbarelbabbel...", wiederholte er dann laut lachend, ehe er dem Morra ins Gesicht fasste.
Erst bedeckte er mit der ganzen Handfläche die linke Backe, fuhr dann mit dem Zeigefinger die Augenbraue entlang, den Nasenrücken hinunter, ehe er letztendlich die Lippen des Morras beführte.

"Morra mag Mamas Daumen, haha...nein dazu kommen wir später Kleiner.", antwortete sich der Weißhaarige selbst, ehe er weiter durch das Gesicht seines Gegenübers fuhr. Er umrandete die Augen mit dem Daumen schmierte dabei ein wenig Saft einer Zwiebel darum, drückte auf den Tränensack, zwickte in die empfindliche Haut unter dem Auge, ehe er innehielt und einige Minuten starr in das Gesicht blickte.
Es regte sich nichts, der Morra rührte sich nicht, er heulte nicht, hatte nur seinen unförmigen Mund zu einer Strich geformt und was er für Nasenlöcher hatte...wie die eines Pferdes, er schien wütend dieser Morra. Doch er konnte so viel tötenden Blicke senden wie er wollte, Synkka interessierte das nicht...
Morras konnten nicht zaubern, Tränen aber schon.
"Synkka gibt nicht auf..."

Vielleicht war es die Kombination: Ohrfeigen, links rechts, mehr Zwiebel unter die Augen, an die Nase, in die Ohren...noch eine Ohrfeige links und rechts.


Von Hiroga, 10.11.2010

Wirr blickte er dem Vieh entgegen, das ihn fröhlich weiter mit Ohrfeigen versorgte und vor seinen Augen wild mit einer Zwiebel rumfuchtelte. Fragen kreisten im Kopf des Menschen umher, alle wurzelten sie in ein und der selben Entscheidenden von ihnen.
Wer oder Was bei Innos war das für eine verkommene Existenz und Was tat Es da?
Laut grunzelnd drückte es auf dem Gemüse herum, betatschte das starre Gesicht des Ritters und beobachtete seine Reaktion mit Argusaugen. Immerzu hatte man sie vor dem Unterschied zwischen den alten Orkstämme aus Khorinis und den Orks des Festlands gewarnt. Gerissen und klug sei der Feind geworden, nicht so dumm und primitiv wie sie es von der Insel gewohnt gewesen waren. Und nun saß ihm dieses dämlich grinsende Ding vor der Nase und patschte mit seinen verfluchten, stinkenden, hässlichen, haarigen Händen auf ihm herum. Und verdammt was wollte es mit der Zwiebel?
Interessiert musterte das Schrumpfhirn sein Auge, drückte mit den Fingern an der Augenhöhle herum, glotzte ihn weiter an und grunzte, bevor es den Ritter erneut ohrfeigte. Was versprach die Flachbirne sich davon? Sollte er winselnd um Gnade betteln, ob einiger Schellen und... einer verfluchten Zwiebel? Er hatte von Legenden gehört, laut denen Knoblauch gegen Verfluchte, die zu Blutsaugern wurden, wirksam war. Glaubte diese Verkörperung der Dummheit, dass Zwiebeln gegen die Streiter Innos' wirksam waren? Hielt dieser Klumpen Dreck ihn womöglich für einen Dämon oder einen Besessenen?

Widerspenstig öffnete er den Mund, wollte diesem erbärmlichen Fehler der Natur beleidigen, verfluchen und verdammen, doch kaum bewegten sich seine Lippen watschte ihm der lebende Kuhfladen mit der Zwiebel quer durch sein Gesicht. Angeekelt schüttelte er sich. Der Zwiebelsaft biss in den Augen und brannte in der Nase. Er hasste Zwiebeln! Das konnte der zum Leben erweckte Dreck unter den Zehennägeln eines Penners nicht gewusst haben! Das war ganz und gar unmöglich!
Und überhaupt... seit wann machten die Orks Gefangene? Obgleich er als Ritter einen bestimmten Wert für das Königreich hatte, waren die Grünfelle auf dem Schlachtfeld nicht für das Lösegeldgeschäft bekannt und dieses erbrochene Fleischwanzenragout mit Sicherheit ebenso wenig.
Skeptisch blickte er an sich hinab. Selbst seine Wunden hatte man notdürftig versorgt. Was wollte dieses einer Stuhlprobe eines Nordmanns gleichendes Etwas von ihm?

Grunzend zeigte es auf seine Nase und drückte darauf. Hatte es etwa ein Problem damit? Seine Nase war wunderschön, grazil und wohlgeformt. Noch nie hatte des Nachts auch nur ein Laut sie verlassen! Jawohl, es war das schönste und perfekteste Riechorgan in ganz Myrtana.

Das Bild verschwamm, er verdrehte die Augen. Die wirren Gedanken, welche sich um seine Nase ranken, der Gestank des Orks, die unendliche Müdigkeit, trotz der langen Bewusstlosigkeit und das verlorene Blut stießen ihn neuerlich, im Angesicht dieses Ohrenschmalzgemischs, in einen tiefen Schlaf.


Von Synkka, 10.11.2010

Der kleine Krieger schien sich bei Synkka und bei den anderen Orks wohlzufühlen.
Wie ein wohlbehütetes Baby war er wieder eingepennt ohne dem Schwarzork eine Träne in den Beutel zu verdrücken, keine Einzige war ihm über die Wange gekullert...Ein wenig enttäuscht hatte sich Synkka für ein paar Stunden abgewandt, hatte Gargo wieder das Tragen seines Objektes überlassen, um sich über sich selbst Gedanken zu machen.
War er zu unfähig? Wollte man ihn bestrafen, weil er in der Schlacht nicht alles was in seiner Macht stand gegeben hatte? Aber er hatte alles gegeben, er hatte alles für seine Freunde gegeben und würde auch alles für seine Tränen geben, die ihn in den letzten Wochen das wichtigste in seinem Leben geworden waren.
War es vielleicht eine neue Ära der Palos? Nicht mehr nur die alleinige Konzentration auf die Kraft des Feuers, die er immernoch so schätzte, sondern auch der Glauben an den Reichtum der Tränen in all ihren Facetten, wie sie in den schönsten Farben von der Sonne bestrahlt glitzerten, wenn sie von den gedemütigten Körpern der Morras in strömen herabfielen.
Synkka träumte vor sich hin, als er bemerkte wie der Morra auf Gargos Rücken erneut erwachte.
Wie schön es war, wie er seine Augen aufschlug...wie das Leben wieder in den schlafenden Körper kroch und sich das zappelnde Menschlein wehrte und doch keine Chance hatte.
Gargo hatte sich den Morra über die Schultern geworfen, würde er Kotzen müssen konnte er also gerade auf den Boden vor sich spucken...Die Füße des Menschleins hingen auf der anderen Seite der Schulter herunter. Synkka hatte ihm die Schuhe ausgezogen, diese dann mit den Schnürsenkeln an die Handgelenke gebunden und zum Schluss die stinkenden Socken mit einem Stock so befestigt, dass sie vor seinem Gesicht herabhingen.
Seine mit Hornhautgebirgen beschmückten Füße betrachtete der Palo ausgiebig, ehe er eine Feder aus der Tasche zauberte, die er von den zahlreich ermorderten Hühnern in Massen besaß.
Einige Male fuhr er über die Zehen und dann über den ganzen Fuß, schleckte selbst danach darüber und hoffte auf eine Reaktion.


Von Hiroga, 11.11.2010

Zweifel machten sich in ihm breit. Zweifel an seinem Verstand oder viel mehr an dem des Orks. Träumte er all das nur, oder konnte eine Kreatur für wahr so verrückt und frei von jeglichem Hirn sein? Ungläubig versuchte er dem Grünfell mit seinem Blick zu folgen, als die hässliche Gestalt begann seine Füße mit einer Feder zu bearbeiteten. Wenig Zeit verging, bis sich tatsächlich, allen Schmerzen und Ängsten zum Trotze, ein Kribbeln ausbreite und ihn zu seinem stummen Grinsen zwang. Er biss sich auf die Unterlippe. Sollte das eine Folter sein? Nein, so idiotisch konnte selbst dieser seltsame Ork nicht sein. Das Vieh musste etwas anderes im verdrehten Sinn haben. Doch wie kam ein Ork auf die Idee einen gefangenen Menschen, noch dazu einen Ritter, an den Füßen zu kitzeln? Was versprach er sich davon? Informationen? Nein, der Gedanke war zu lächerlich.

Für eine Weile ließ er die affigen Versuche des Mistviehs über sich ergehen und ließ nur ab zu ein Schnauben oder leichtes Grunzen verlauten, in der Hoffnung der Ork würde es irgendwann aufgeben. Doch unbeirrt und beharrlich fuhr der Diener Beliars vor und kitzelte seine Füße mit der Feder.
"Was erhoffst du dir, Ork? Was bei Innos willst du von mir?", knurrte er, resigniert feststellend, dass das Grünfell kein Wort verstanden zu haben schien. Natürlich, das Ding sprach orkisch und hatte sich scheinbar bisher nicht allzu sehr mit den Menschen auseinandergesetzt. Daran, dass er einem durchgeknallten Exemplar in die Finger geraten war, bestand unlängst kein Zweifel mehr. Doch wurde noch dazu nun als Versuchskaninchen für seine Forschungen am Mensch missbraucht? Das alles war einfach so banal...

Strampelnd versuchte er sich gegen die Federfolter zu wehren und dem Ork ins Gesicht zu treten, doch in seiner misslichen Lage auf der Schulter des anderen, stinkenden, Hohlkopfes der ihn schleppte, war es ein aussichtsloses Unterfangen. Er musste sich etwas anderes überlegen, für einen Augenblick ausharren und einen Weg finden den schmutzigen, widerwärtigen Fängen dieser Kreaturen zu entkommen.

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