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Synkka, 11.11.2010
Nicht nur auf menschlicher Seite machten sich Zweifel breit, auch auf orkischer Seite wollte man langsam die Welt nicht mehr verstehen, aber mehr war man einfach zu ungeduldig.
Synkka stand kurz vor der Raserei, selten erlebte man den Palo so, denn selten wollte er etwas so unbedingt, wie die Tränen aus dem Morra herauszukitzeln. Wütend zeigte der Weißhaarige seine Zähne, knurrte und maulte vor sich hin, während er auf und ab ging und das fransige Haar mit gleichem Temperament umherflog.
"Dummer Morra...bist so schwer zu knacken, was willst du von mir? Was soll ich tun...was ist die Welt, bestraft mich so und lässt Gedanken an meinem Kopf knabbern...schmerzhaft ist das, weißt du wie schmerzhaft?! Vielleicht so?", brüllte der Urkma und erhoffte sich ein gleichartiges Brüllen, als er dem Morra in die Waden biss, ehe er ihn erneut ohrfeigte, obwohl er genau wusste, dass es ihn nicht zum Heulen bringen würde.
"Wenn ich regen will, soll er kommen. Wo hast du sie versteckt Morra? Wo sind die Massen an Wasser...die ihr speichert...da?", fragte er und piekste ihn mit den Fingern in den Bauch.
"Da? Morra!?", meinte Synk und steckte den Finger in die Ohren, ehe er erneut auf den Tränensäck drückte, ihn dann massierte und dann mit den Fingernageln versuchte hineinzukneifen.
Nichts half...er musste alles probieren alles...sein Finger wanderte die Nase des Morras hoch, während er gleichzeitig seine Ohrmuschel massierte...nichts!
Er kniff ihm ins Ohr und leckte gleichzeitig an seinem Finger, erhoffte sich, dass es ihn an seine Mami erinnern würde...nichts! Wollte er seine kostbaren Schleudermaterialen für diesen Morra opfern?...noch nicht heute es musste noch eine andere Möglichkeit geben.
Ja die Möglichkeit den Morra zum Heulen zu Bringen lag so nahe, doch Synkka verstand sie nicht, weil er die Liebe zu einer Frau nicht kannte...er kannte nur die Liebe zu seiner Mutter.
Diese eine wahre Liebe, die der Morra kannte, existierte in seinem kranken, kleinen Hirn nicht...
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Hiroga, 13.11.2010
Die Tage waren geprägt von Schmerzen, Ekel und Wirrungen, die ihm immer mehr versicherten, dass er dem Wahn erlag. Das alles konnte unmöglich die Wirklichkeit sein. Doch hielt es ihn schon viel zu lange hier. Wie entkam er aus diesem Traum? Wie durchbrach man die Grenze, die Phantasie und Realität trennte? Oder hatte er längst jegliche solcher Ebenen verlassen? Existierte er noch, oder waren es einzig die Reste seiner Seele auf ihrem Weg in das Reich Innos'?
Das Ansinnen des Grünfells blieb ihm weiterhin verborgen. Die dämlichsten und widerwertigsten Dinge probierte die Kreatur an ihm aus. Nur halb so schlimm wäre all das gewesen, wenn der Ork sich auf seine Finger beschränkt hätte, doch nun nutzte der irre Diener Beliars zu allem Übel auch noch seine pelzige, ekelhafte Zunge.
Gesehen hatte er, wie ein Mensch in zwei Teile gerissen wurde, wie seine Innerein den Boden zierten und seine leeren Augen ihn anstarrten. Ekel war ihm seitdem fremd gewesen. Der Ork allerdings schuf eine gänzlich neue Ebene der Widerwärtigkeiten und sein Gesicht machte den Anfang.
Kopfschüttelnd besah er sich sein Bein. Die Bisswunde hatte eine seltsame Farbe angenommen. Vermutlich stammte es von den fauligen Beißern des Grünfells. Immer wieder, den ganzen Tag über verteilt fummelte das Vieh in seinem Gesicht rum oder versuchte ihn mit Schmerzen zu irgendwas zu bringen. Doch was sollte das? Das Ding verstand ja nichtmal was er sagte, geschweige denn vermochte seine Gesten zu deuten.
Besonderes Interesse schien der Ork an seinen Augen gefunden zu haben. Wieder und wieder patschte er auf seinen Tränsensäcken herum. Was wollte dieses Mistvieh?
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Synkka, 14.11.2010
Man konnte sich wieder miteinander beschäftigten. Synkka betrachtete den Morra ausgiebig. Wie ein zusammengefallener Haufen lehnte er an einer Wand, das Gesicht dreckig, der Körper noch voll von getrocknetem Blut der Kämpfe. Es waren alte Spuren des Kampfes, die einfach weggewaschen werden konnten, seine Wunden heilten dank Synkka prächtig, die Narben allerdings würden ihn ewiglich daran erinnern.
Äußerliche Narben, die ihm zeigten, dass er mit dem Leben davongekommen war…die Narben im Innern waren tiefer und wurden von Stunde zu Stunde mit Synkka noch mehr aufgerissen, denn dieser hatte etwas entdeckt…sein Ziel war in greifbarer Nähe, das jedoch wusste der Weißhaarige zu dieser Zeit noch nicht.
Er hatte seine kurz verlorene Geduld wieder erlangt, konnte sich wieder kontrollieren und spürte die Neugierde, die ihn in seine Ideen vorantrieb.
…Tränen, spukten in seinem Kopf. Tränen…, sie tanzten und sie sangen in seinem Hirn und er sang mit. Er sang die Melodie der Tränen mit einer honiggeölten tiefen Stimme, brummte vor sich hin und her und träumte…
Am liebsten hätte Synkk den Morra in ein großes Feuer geworfen…er wusste Rauch war böse, Rauch schmerzte in den Augen und doch war es des Palos liebster Schmerz. Der Schmerz des Feuers, die Hitze der Flammen, das verdampfen seines Schweißes, wenn er durch die Flammen lief und der leicht safitge Duft seiner angesenkten Haare. Es war der Duft eines wahren Palos, der für seinen Stamm und seine Seele durch die Feuer dieser Welt wanderte um seinen Stolz und seine Kraft zu beweisen.
Heute würde er den letzten Schritt gehen, er fühlte es tief in den Wirrungen seiner Seele, er fühlte es, weil er heute mit dem falschen Bein aufgestanden war und dies dadurch nur ein guter Tag für einen Ork werden konnte. Er fühlte das Glück in seinen Adern, er fühlte die Kraft der glitzernden Perlen, die heute das Haupt des Morras schmücken würden, ehe Synkka sie wie kleine Lebewesen in eines seiner Tongefäße wandern lassen würde, wo sie gefangen in der Dunkelheit und Stille all ihre Kraft sammeln konnten, die der Palo irgendwann benötigen würde.
„Ach Morra…mein Glück, dein Glück…sie sind hier ich seh sie, siehst du sie nicht? Mach doch die Augen auf, öffne deine Pforten für das heilige Gut…
Was haben wir hier? Bist mir ähnlich, hast Beutelchen an deinem Körper und bist kein Palo. Kann das sein? Ist das möglich Morra?“
Murmelnd zog der Schwarzork leicht an dem Lederbeutelchen das um die Hüften des Morras baumelnd seine Neugier geweckt hatte.
„Was das Morra?“
Mit einem Ruck zerrte er an der Schnur bis es sich löste und er den Beutel langsam öffnen konnte.
„MAMA?!“
Mamaaa…“Morra?!“, brüllte Synkka plötzlich, hatte sich dem stinkenden Menschlein bis auf die Nasenspitze genähert, ehe er in gebrochener Menschensprache versuchte zu sprechen.
Es war sein erster Versuch seit Jahre, das Wissen darüber hatte er längst vergessen gehabt…bis zu diesem Zeitpunkt…dieser Morra hatte seine Mutter getötet. Sie hatte gelebt, als er den Berg verlassen hatte. Sie hatte gelebt, gelebt mit ihrem rotblond wehenden Haar, seine Mutter und er hatte sie getötet und ihr Haar in einem Beutel als Trophäe…
„Moohhhrarrr Sienga muddaa tetötet…morraaar sienga draurig“, begann er leise, wurde dann lauter, ehe er wimmernd vor dem Morra zusammensackte und begann die einzelnen Haare zu entwirren.
„Moarrar“, brüllte Synkka und stopfte sich die einzelnen Haare in den Mund, zog eines nach dem anderen angesabbert, glänzend wieder hervor, um sie sich in die Haare zu flechten.
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Hiroga, 16.11.2010
Was tat er da? Wusste dieser Narr, denn nicht was er in den Händen hielt? Natürlich nicht, wie hätte er es wissen, wie hätte er es verstehen sollen? Dieses Monster war nicht fähig die Tiefe zu ergründen, würde es nie sein.
Grob, flach, derb, simpel, primitiv, einfach, brutal und hohl. Unmöglich würde es der Kreatur sein je solche Gefühle zu empfinden. Nie dieses Brennen, dieses Feuer, das gleißende Licht mit dem die Liebe ihn erfüllt hatte, in den gemeinsamen Nächten mit ihr. Ihr, die sie nun fern war, so fern wie nie zu vor, ferner noch als bevor er ihr begegnet war. Unerreichbar, Unantastbar, die Verkörperung des Unmöglichen. Es war vorbei. So wie er es vorausgesehen hatte. So wie sie es befürchtet hatte. Alles stand fest. Nichts konnte mehr geändert werden.
War das Innos’ Plan? Sollte er hier vergehen und der Kraft des Feindes erliegen? Warum er, warum sollte er sterben? Alles hatte er getan, für seinen Herrn, der immer und für ewig in seinen Augen der Einzige gewesen war. Würde sein Tod ihn unvergessen und bedeutungsvoller machen, als er es lebend sein konnte? Sollte er Tribut zahlen für den Sieg der Königstreuen? Warum sollte er sterben… warum ließ Innos ihn aus dem Kelch trinken, dessen Gift ihn dahinraffte?
Warum soll ich sterben? Beantworte mir diese Frage Herr… Warum? Verzweiflung fand ihren Platz im Strom seiner Gefühle.
Glaube!, hörte er eine Stimme in seinem Inneren rufen.
Ihre Stimme!
Er blickte auf, zu der Höllenfratze, die das letzte Geschenk der einzigen Liebe seines bald endenden Lebens zu verschlingen drohte. Der Ekel wurde von unbändiger Wut fortgespült. Sein angewiderter Blick wich einem Ausdruck reinen Zornes, als die Bestie das mit ihrem verfluchten Speichel Haar besudelte.
Die unverständlichen Worte des Orks wehten ihm entgegen, doch keinen Sinn ergaben die Fetzen seiner Sprache. Er schenkte ihnen wenig Beachtung. Einzig drei Worte hatte er verstanden. Mensch, Mutter, getötet… welch irrwitziger Gedanke, der der Wahrheit nicht ferner sein konnte. Mit einem mutlosen Kopfschütteln wies er den Vorwurf des Grünfells ab und blickte ihm eindringlich in die schäbigen Augen. Verstand dieses Wesen denn so wenig vom Leben? Jeglicher Gedanke an eine Gemeinsamkeit der Orks und Menschen war gewichen. Diese Dinger waren nicht mehr als Vieh, sie gehörten auf die Schlachtbank, sie waren Abschaum. Keiner von ihnen verdiente das Geschenk des Lebens. Dieses Exemplar war ein Symbol, verdreckt und widerwärtig wie es nur sein konnte, ein Zeichen Innos’, das ihn an seine Pflicht zu erinnern versuchte.
„Nein Ork, aber dich, dich werde ich töten! So Innos mir mit seinem Licht den Weg erhellt werde ich ihn gehen, fordere es auch mein Leben, und dich abschlachten. Wie ein Tier werde ich dich richten, wie Vieh, denn mehr bist du nicht. Ohne Willen, ohne Herz und ohne Verstand stocherst du in der Asche, auf der Suche nach Spuren die dich zum Ziel führen, doch weder Ziel noch Weg sind dir klar. Dein Leben fristest du als Werkzeug Höherer und lässt sie über dich herrschen, über deinen schwächlichen Geist und dein Herz, welches eben so leer und hohl wie dein Kopf ist. Du hast es nie verstanden, verstehst es noch immer nicht und wirst es niemals.“Alles wollte raus aus ihm. Der Schmerz, die Verzweiflung, der Hass und auch die Furcht. Das letzte Aufbäumen. Sein Geschenk an den Ork. Die Vergeltung, der blutige Tod, gebracht durch seine Hand. Innos würde ihm einen letzten Weg zeigen. Den letzten Pfad, gesäumt vom Blut des Biests.
Es kümmerte ihn nicht, dass die Kreatur kein Wort verstand von dem was er sprach und ihr prophezeite, seine Stimme war fest und gefüllt von seinen Empfindungen. Seine Seele sprach er frei und offenbarte dem Ork dabei, was in ihm ruhte. Die Kraft den letzten entscheidenden Streich zu führen. Die Macht aller Natürlichkeiten zum Trotze zu vollbringen, was der Feuergott ihm aufgetragen hatte. Das Feuer, das Grünfell konnte es in ihm sehen. Es war alles, was ihm geblieben war. Dies und die Erinnerung an das, wovon der Herr des Lichts ihn zu guter Letzt noch hatte kosten lassen.
Er schluckte, schnappte nach Luft, es würde bald zu Ende gehen. Die Gewissheit ließ kein Leugnen zu, er fühlte es, ein letzter Wandel, ein letzter Sturm. Und dann… dann würde es vorbei sein… das letzte was er ihr schenken konnte. Es war bitter, dass es kaum mehr als ein Akt der Zerstörung und blinden Wut und Rache sein würde, doch wenn es ihm schon nicht vergönnt war seine Liebe noch einmal zu sehen und noch einmal in den Armen zu halten, wollte er nicht unvergessen sterben und ihr dieses Zeichen hinterlassen. Ein Symbol seiner Wertschätzung, seiner Empfindungen… seiner Liebe.
Immer war dieses Wort so ungreifbar gewesen, so unantastbar und fern, verborgen in frostigen Landen. Ein erstes Mal erfüllte ihn die überwältigende Gewissheit, gefunden zu haben, was er in seinem Leben für wahr gesucht hatte. Ein erstes und zu gleich wohl letztes Mal.
Mit seinem Blut ließ er jene Empfindungen in sich pulsieren, ließ sie strömen und schwellen. Sein Herz schlug wild, fast glaubte er der Ork könne es hören.
„Ein Geschenk…“, hauchte er und schloss die Augen. Letzte Bilder, ein Schwall der Erinnerungen, bestimmt durch ihr Abbild. Sie, das schüchterne Mädchen mit dem rotblonden Haaren und dem Engelsgesicht. Sie, die junge, ehrliche Dame die ihn an das Licht hatte glauben lassen. Sie, seine einzige Liebe, die sein Herz getaut und in ihre Wärme getaucht hatte.
„Innos Dein Wille ist hart. Aber du hast alle Karten in der Hand. Ich werde deinen Giftkelch trinken! Schlag mich, zerbrich mich, lass mich bluten, töte mich, doch lass ihr Licht niemals erlischen und schütze sie, nimm was ich dir gebe und mach es ihr zum Geschenk.“Langsam öffnete er die Augen, sah sein Blickfeld verschwommen und gesäumt von Nässe. Tränen zierten sein Gesicht.
Auch Innos hatte geweint. Nun war er an der Reihe.
Mein Geschenk…
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Synkka, 17.11.2010
Auf dem Weg nach Norden Wie hypnotisiert starrte der Weißhaarige auf die kleine Glasphiole, die mit der Anmut einer Frau, zart und wunderschön in seinen beiden Handflächen lag. Er hatte die Umgebung ausgeblendet, vertraute auf seine Beinen die ihn trugen und wusste, dass ihm das schwingende Hinterteil des Kriegsmammuts unterbewusst den Weg zeigte.
Mit tränenverhangenem Blick beobachtete der Schwarzork den Schatz den er in seinen Händen wiegte...hin und her... auf und ab.
Die durchsichtige Flüssigkeit schwappte umher, durchnässte die Innenwände der Phiole, Tropfen um Tropfen der glitzernden Flüssigkeit, die er so sehr liebte.
Er sah den wahren Grund seiner Existenz auf Erden auf so reine Weise, dass er das für ihn Übersinnliche Glasgefäß mehrere Male von sich wegstreckte, nur aus Angst es könnte den atemberaubenden Moment verschlingen. Der feuchte Film auf seiner Haut wirkte traumhaft. Noch nie hatte er solch seltsame Gefühle erlebt, noch nie in seinem Leben hatte er solch eine seelische Befreiung verspürt.
Die Gefühle für seine Mutter waren so groß geworden, der Hass gegen den Morra hatte sich verstärkt und war im Moment, als er eine der zauberhafte Perlen das erste Mal aus seinem Augenwinkeln rinnen sah, wieder abgeklungen.
Den Kopf des Morras, wie einen zerbrechlichen Gegenstand in den Händen haltend, hatte er jede der schimmernden Lebensperlen in der Phiole aufgefangen. Das Wimmern des Morras, das Schimpfen war ein Wohlklang in seinen Ohren und als er sich selbst auf diese Weise wimmern hörte, fühlte sich der Palo beflügelt wie noch in seinem Leben.
Er kannte jetzt das Ziel seines Lebens, er wusste nach was er streben musste, um das wahre Glück zu finden. Er konnte sich selbst in die Seele blicken und sah dabei alle Barrieren, die ihm im Weg lagen sich in Luft auflösen.
Seine Tränen mischten sich in der Phiole mit denen des Morras, als er sich über die kleine Öffnung gebeugt hatte, um sich selbst in der kleinen, spiegelnden Oberfläche zu erkennen, in die er nun seit Stunden schon hineinblickte.
Den Morra hatte Synkka längst vergessen. Stinkend und dreckig hatte der Palo den Schreihals, der seine Mutter getötet hatte, zurückgelassen.
Diese bemitleidenswerte Kreatur war wirklich zum Heulen, er hatte kein Leben er konnte nicht mit der Kraft eines Orkes fühlen und Synkka war sich sicher...nicht einmal ein Ork konnte mit solch einer Kraft fühlen wie er es tat.
Er hatte wahrlich ein Wunder erschaffen, das ihm nicht mehr zu nehmen war...ein Wunder, das er dem Morra genommen hatte, weil er seine Mutter genommen hatte.