Es ist 4 Uhr morgens, als der Wecker klingelt. Noch nie zuvor ist ein PC ACTION-Redakteur so früh aufgestanden. Schließlich machen wir den Job ja, weil wir keinen Bock haben, vor 12 Uhr zu arbeiten. Warum wir dann die Qualen des Frühaufstehens freiwillig dieses Mal mit Ihnen geteilt haben, fragen Sie? Ganz einfach: Weil wir Zocker vor dem Herrn sind und uns zum ersten Mal die Rollenspiel-Hoffnung Gothic 3 in Aktion ansehen dürfen. Das ist wohl Grund genug, oder?
Wann kommts?
Die wohl wichtigste Neuigkeit zuerst: als Erscheinungstermin geistert ja schon seit längerer Zeit "Ende 2005" durch die Medien. Bei unserer Audienz in der heiligen Schaffensstätte der Piranha Bytes in Bochum konkretisieren Björn Pankratz (Spiel-Designer) und Horst Dworczak (Chef-Designer) den Termin. "Q 4/2005 oder Q 1/2006", bemerken die Jungs beiläufig. (Bemerkung von mir: Aha, von "Q 4/2005" auf "zwischen Q 4/2005-Q 1/2006" ist also ne Konkretisierung.) Soll heißen: Gothic 3 erscheint entweder im letzten Quartal dieses oder im ersten des nächsten Jahres. Die Geschichte der Spiele-entwicklung lehrt uns, dassanfang nächsten Jahres wahrscheinlicher ist. Eines ist uns jedoch aufgefallen. Jeder Aschenbecher im Piranha-Gebäude ist bis zum Anschlag gefüllt. Kaum ein mitarbeiter, der nicht mit einer Fluppe im Mundwinkel durch die Hütte huscht. Würde man den entwicklern das Rauchen verbieten, entfielen die zahlöreichen Zigarettenpausen und wir könnten wohl schon nächsten monat mit der Veröffentlichung rechnen. wir haben uns bereits mit dem Verleger JowooD in Verbindung gesetzt, um so ein Verbot voranzutreiben.
Worum gehts?
Zur Story wollten die Macher nicht allzuviel verraten, beschränkten sich also auf das Wesentliche. Nur so viel: In den Vorgänger-Spielen bereiste der Held die Insel Khorinis. Während seiner Abenteuer tobte auf dem Festland ein fetter Krieg zwischen den Menschen und den Orks. In Gothic 3 betritt er erstmals diesen riesigen Kontinent, wo nun die Orks das Sagen haben. Die besetzen ganze Städte, versklaven die Menschen und sind im Vergleich zu früher nicht einfach dumme monster, sondern eine richtige Rasse mit eigener Kultur und zielen. Es kommt aber noch schlimmer: Die Magie ist von der Erdoberfläche verschwunden. Damit sorgen die Entwickler dafür, dass der Spieler nicht mit dem zum Super-Mann gereiften Helden aus dem Vorgänger losspielt. Das soll aber nicht bedeuten, dass Sie das Ganze mit einer totalen Null als Charakter beginnen. Der Typ hat schließlich Drachen getötet und schon deshalb bestimmte Grundfähigkeiten. Die Hauptfigur ist ein gestandener Kämpfer und steigert sich von Anfang an", erklärt Björn Pankratz. Natürlich findet die Magie (drei verschiedene Arten gibt es) nach und nach wieder ihren Weg ins Spiel und ins Repertoire des Helden. Das Beschwören mächtiger Dämonen soll jetzt nur an bestimmten Stellen, wie etwa besonderen Altären, funktionieren.
Groß, größer, Gothic 3
Gegen die spielwelt des kommenden Abenteuers erscheint das "alte" Khorinis geradezu lächerlich klein. Über dreimal größer als die Insel ist der Kontinent. Ob man zum Latschen verdammt ist oder auch Reittiere benutzt wollten die Macher nicht verraten. Wenn wir deren Mimik richtig deuten wird es aber Reitviecher geben. Stefan Kalverman zeigt uns ein Poster auf dem die ganze Weltkarte von G3 abgedruckt ist. Wir versuchen ihn abzulenken, indem wir ihn über die Probleme beim Schreiben solch einer Geschichte ausfragen, und versuchen die Karte zu klauen. Vergeblich. Mist! Die Welt ist aber in unterschiedliche Themen aufgeteilt. Es gibt unter anderem lebensfeindliche Wüsten, eisige Schnee-Gebiete, riesige Wälder – alles inklusive ortsspezifischer Monster. Genau wie in der Realität, wo bestimmte Raubtiere auch nur in besonderen Regionen vorkommen. Die Biester folgen ihrem eigenen Rhythmus, suchen nach Beute und jagen in Rudeln. Dabei darf man sie in G3 auch beobachten. Klasse, weil die Fans mehr Städte forderten gibt es fette 20 Stück davon. Da viele von Orks regiert sind, zettelt unser Held sogar Aufstände an. Das funktioniert angeblich so: Städte, beziehungsweise deren Bevölkerung. Verfügen über eine Art übergeordnete KI. Besiegt der Spieler eine bestimmte Anzahl der Besetzer Orks, ermutigt das die versklavten Bürger, dem Beispiel des Spieler zu folgen. Solche Aktionen verbessern den Ruf des Helden und sogar dafür das besonders Starke Nichtspieler Charaktere bereit sind an der Seite des Helden zu kämpfen. Der Ruf ist sehr wichtig. Bestimmte Rassen profitieren von einer Heldentat, während anderen dadurch auf die Füße getreten wird und umgekehrt. Also immer schön darauf achten, wen man gerade ablinkt. Generell erlaubt Gothic 3 mehr spielerische Freiheiten als die Vorgänger. Eine Einteilung in einzelne Kapitel gibt es nicht mehr. Piranha Bytes will trotzdem dafür sorgen, dass man den Roten Faden nie verliert. Unter anderem durch unterschiedliche Handlungsstränge. Vielleicht gibt es ja auch verschiedene End-Sequenzen?
Keine Lust auf Party?
Eine permanente party gibt es nicht, dafür sind alte Bekannte am Start. Beispielsweiße Diego, den Gothic Fans einfach zu sehr ins Herz geschlossen haben, um ihn verschwinden zu lassen. "Den alten bekannten spendieren wir diesmal auch eine Eigene Geschichte. Potentiell kann ich jeden Bewohner der Welt als Party-Mitglied mitnehmen, oder mit ihm handeln. Das werden wir einschränken, um uns auf die cooleren Charaktere zu beschränken. Diese Rekruten folgen mir dann bis zu einem bestimmten Punkt", so Björn. Sechs Rassen teilen sich den Kontinent und im Gegensatz zum Vorgänger, steht der Held um einiges später vor der Wahl, welcher Seite er sein Schwert leiht. Dazu kommen Sechs Berufsklassen, wie etwas Schmied, oder sogar Gladiator. Dabei nimmt der Spieler an faszinierenden Gladiatorkämpfen mit eigenen Regeln teil. "Du kloppst dich zunächst in einem popeligen Steinkreis, wirst immer besser und qualifizierst dich schließlich für die größeren Arenen", erzählt der Spiel-Designer begeistert. Dabei erwähnt er ganz nebenbei, dass es diesmal auch Schilde gibt. Gleichzeitig können sie sich mit Waffen und Zauberstäben ausrüsten. Alles legt die Vermutung nahe, wesentlich mehr Ausrüstungsgegenstände im Spiel zu finden. Hallo Blizzard!
Gut bedient und gut aussehend
Chef-Designer horst Dworczak hat erfreulicherweise noch mehr gute Nachrichten: "Die gesamte Bedienoberfläche ist diesmal viel intuitiver und freier konfigurierbar." So soll etwa die Maus besser in die Steuerung eingebunden sein. Auf die Grafikoptionen trifft das ebenfalls zu. Jede Menge Einstellungen sorgen dafür dass jeder das Maximum aus seinem System herausholen kann. Wir durften uns bereits sabbernd einige Szenen und Ausschnitte ansehen, die sich allerdings allesamt noch im Entwicklungsstadium befanden. Trotzdem waren wir hellauf begeistert. Die ganze Welt ist von Hand modelliert und nicht einfach nach dem Baukasten-Prinzip zusammengewürfelt. Ein Waldgebiet etwa, sah genauso aus wie man es aus der Realität kennt. Kein Stein gleicht dem anderen, überall gibt es markante, individuelle und lebendig wirkende Grafikdetails. Auch die Monster und Spielfiguren sind optisch eine Wucht. Techniken wie Normal Mapping, Ragdoll-System und Echtzeitlichteffeckte kommen massenhaft zum Einsatz. Was es nicht gibt, ist ein Mehrspieler-Modus. "Das kam für uns nicht in Frage", so Björn Pankratz. Banane, geil wird Gothic 3 wohl auch so. In unserem Schwestermagazin PC Games gibt es diesen Monat übrigens weitere Bilder.
(geschrieben von Ahmet Iscitürk)
Kommentar des Autors
So richtig fertige Spielszenen bekam ich von Gothic 3 nicht zu sehen. Das heben sich die Piranhas wohl für die diesjährige E3 auf. Doch das Zeug, das ich zu sehen bekam, hat mich ehrlich beeindruckt. Was ich von den Entwicklern zu hören bekam, noch mehr. Sollte nur die Hälfte davon den Weg ins fertige Spiel finden, käme dies einer rollenspieltechnischen Offenbarung gleich. Man merkt den Jungs wirklich an, dass sie ihren Job lieben und es als ihre heilige Pflicht ansehen, ein geiles Produkt abzuliefern. Da ist es dann auch egal, ob es noch dieses Jahr kommt oder erst 2006.