VARANTDer Pfusch mit dem TempelVorsichtig gehen die Bewohner des Tempels zu Al Shedim immer noch durch das Haus Adanos‘, ihren Wohn- und Schaffensort, und dennoch tragen viele von ihnen Verbände, haben blaue Augen oder Platzwunden an ihren Köpfen. Sind die Angehörigen des Kreises des Wassers nicht vernünftig lebensfähig, dass sie sich ständig neue Verletzungen zuziehen? Keineswegs, denn bis zur kurzem hatte eine magische Kraft innerhalb des Tempels gewütet und dessen Bewohner samt und sonders in den Wahnsinn getrieben.
Man mag es kaum glauben, doch erneut gibt es Probleme im Fall des Tempels von Al Shedim. Als ob es nicht gereicht hätte, dass dank des magischen Waldes merkwürdige und gefährliche Pflanzen wie eine Plage in dem uralten Gemäuer gewuchert waren, als ob es nicht genug gewesen wäre, dass man zur Beseitigung der Pflanzen den Tempel all seiner Magie hatte berauben müssen, und dass bei deren Freisetzung nach erfolgter „Unkrautvernichtung“ der Kopf der großen Adanosstatue in der Eingangshalle zerstört worden war. Wie wir bereits in der letzten Ausgabe berichteten, hatte sich als weiterer Nebeneffekt eine merkwürdige Anziehung auf Falken zu den Problemen gesellt, die man während des Rituals gehabt hatte, wenngleich niemand so recht zu wissen schien, wo diese Anziehung her zu kommen schien und woher die Falken gekommen waren, die man ansonsten wohl eher weniger in Al Shedim anzutreffen vermochte. Zusätzlich zu alldem jedoch schien sich allen Ernstes eine Art Poltergeist in die Mauern des Tempels geschlichen zu haben.
Planlos wie ein frischer Novize wirkte da ein gestandener Magier, und ebenso gehetzt und verängstigt bewegte er sich durch die Gänge, wenn plötzlich Türen mit aller Kraft zufielen und scheinbar banale Zauber vollkommen unkontrollierbar wurden oder sich vollkommen ins Gegenteil verkehrten. Einem Nervenzusammenbruch nahe war dabei wohl vor allem der Bibliothekar des Tempels, Kuron, denn der Geist hatte sich einen gewaltigen Spaß daraus gemacht, nicht nur einfach die Bücherregale mit uralten Schriften von teilweise unschätzbarem Wert leer zu räumen, sondern den interessierten Besuchern des Wissenshortes die dicken Wälzer direkt an den Kopf zu werfen! Aufräumaktionen und ähnliche Versuche der Einschränkung des Durcheinanders waren dabei freilich zwecklos, denn im Gegensatz zu Menschen wird so ein Geist wohl niemals müde. Eine andere Lösung musste her, der Poltergeist vertrieben werden.
Dieser Aufgabe stellten sich zwei Männer, einer aus dem Kreis des Wassers und einer, der sich offenbar in der Pflicht sah. Dabei handelte es sich um Solveg und einen Schwarzmagier, der bereits bei den Ritualen im Tempel teilgenommen hatte. Unsere intensiven Recherchen ergaben, dass es überhaupt erst seine Schuld gewesen sein musste, dass all das geschah, was nicht verwundert, denn mit einem Schwarzmagier ist nie zu spaßen, und vertrauensselig ist so eine finstere Gestalt erst recht nicht.
So nahmen die beiden sich also der Herausforderung an und stürzten mit Bergkristall und Obsidianstein bewaffnet stundenlang durch den Tempel, um den widerspenstigen Geist zu erwischen. Unter größtem Kraftaufwand, unter Hinnahme von Verletzungen und Chaos gelangt es den beiden tapferen Recken (bzw. dem tapferen Recken und dem Verursacher dieser misslichen Lage) schließlich, den wörtlich zu nehmenden Plagegeist in den Obsidian einzusperren.
Heute scheint der Tempel wieder zu alter Ruhe zurück gefunden zu haben, wenngleich das Problem mit den Vögeln immer noch nicht behoben ist und so mancher Magier immer noch sicherheitshalber vor einer offenen Tür abstoppt, bevor diese urplötzlich zu schlägt. Doch ist dies nun tatsächlich das Ende des Pfuschs im Tempel, der bei den magischen Ritualen angerichtet wurde? Und war es wirklich so schlau gewesen, auf Akteure aus dem Kreis der Beliargeweihten zu setzen, um all dies umzusetzen? Hat der Schwarzmagier nicht sogar eine Saat der Dunkelheit im Tempel gepflanzt, die die Kräfte des Gottes des Gleichgewichts zukünftig korrumpieren wird?
Wie immer wird dies nur die Zeit zeigen.
(-- Maris)
EILMELDUNG: Die Feuerbrunst von Al ShedimEs war eine Schnapsidee unter Jugendlichen, doch es wurde eine Gefahr für die ganze Stadt. Gestern Nacht haben einige junge Nomaden den magisch erschaffenen Wald bei Al Shedim in Brand gesteckt. Der Auslöser war der mitreißende Aufruf eines unzufriedenen Mannes innerhalb einer Tavernenrunde, doch die Ursache liegt weit tiefer.
Es war ein ruhiger Abend ohne besondere Vorkommnisse, als Rashid, Sandläufer unter Sippenführer Onatas, seinen Unmut kund tat. Der Wald gehöre nicht in die Wüste, der Wald sei im Weg, der Wald müsse weg. Die Reaktion war eher ernüchternd. Zu durchgekaut war das leidliche Thema, zu wenig konnte man dagegen tun. Doch als der Nomade das Undenkbare konkret aussprach, stellte sich keiner mehr gegen die Idee. Das Feuer würde seine Arbeit tun. Und so zog ein knappes Dutzend grölender Nomaden aus, um das trockene Holz der Bäume am Rand des Waldes mit Fackeln in Brand zu stecken. Das Feuer breitete sich binnen weniger Augenblicke über eine kaum noch zu beherrschende Fläche aus, und auch die Wassermagier versuchten gar nicht erst, den Wald zu retten, sondern beschränkten sich auf die Verhütung eines Übergriffs der Flammen auf die nahen Zelte, der die ganze Stadt in ein Flammenmeer verwandeln würde. Mit Hilfe der Erdmagie bildeten sie tiefe Schneisen, um den Brand zumindest etwas kontrollieren zu können, doch der Kampf gegen die Flammen ist mühselig und dauert bis zur Stunde noch an.
Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen, dass man so einen Schritt – sei er auch unüberlegt und dumm – überhaupt in Erwägung zog? Und wieso griffen die Ruinenwächter nicht ein, obwohl die Unruhestifter alles andere als leise von der Taverne aus gen Wald zogen und ihre Absicht offen herum posaunten? Wenn man tiefer bohrt, stellt man fest, dass die Vernichtung des Waldes keineswegs auf große Ablehnung unter den Nomaden stößt, obwohl eben dieses Biotop als Ergebnis einer magischen Kooperation zwischen Wasser- und Naturmagie vor nicht einmal einem Jahr das Überleben der Gemeinschaft von Al Shedim gesichert hatte. Der Nutzen des Waldes schien nichtig gegenüber dem, was er der Meinung der Wüstensöhne nach anrichtete.
„Die Jungen verweichlichen, wenn sie nicht das Leben der Wüste kennenlernen, wenn sie sich ihre Nahrung nicht erjagen, die Oasen nicht kultivieren müssen, weil alles direkt vor ihrer Nase liegt und sie nur zugreifen müssen!“, erklärt uns ein älterer Nomade. „Die Traditionen und altes, überliefertes Wissen verkommen, weil die Magie unser Umfeld stört! Wir verlieren unser Gesicht, weil die Wassermagier nach ihrem Gutdünken handeln, ohne zu verstehen, wie wir denken! Sie nennen es unsere Rettung, ich nenne es rücksichtslos.“
Die Diskrepanzen zwischen Nomaden und Wassermagiern werfen auch in diesem Fall ihre Schatten voraus, und mit erschreckender Großflächigkeit findet die Tat Rashids und seiner Freunde Zustimmung in den Reihen der Wüstensöhne, wird die dumme, zerstörerische Tat zur Befreiung einer Fessel der Nomaden Al Shedims glorifiziert. Zur Stunde wurde auch der Kräutergarten der Wassermagier von den Feuern erfasst, und es bleibt nur zu hoffen, dass die Flammen nach dieser Aktion und der voraussichtlich ausbleibenden Bestrafung der Vandalen nicht auch auf die Beziehung zwischen den Brüdern der Wassermagier und Nomaden übergreifen.
(-- Maris)