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World of Gothic






Die Spielezeitschrift Gamestar enthielt in der Heftausgabe 02/2005 ein Making of über Gothic 2. Mit freundlicher Genehmigung der Gamestar-Redaktion veröffentlichen wir dieses nun hier.
Making of Gothic 2
Wie das populärste deutsche 3D-Rollenspiel in nur einem Jahr Entwicklungszeit entstand - und wie es in Gothic 3 weitergeht.

Vor zwei Jahren erschien Gothic 2, Nachfolger des 2001 veröffentlichten Gothic, das Rollenspiel-Fans mit seiner dichten Atmosphäre und ungewöhnlichen Geschichte um eine Gefängniswelt begeisterte. Eigentlich wollten die Entwickler von Piranha Bytes nach dem ersten Teil ein ganz neues Spiel erschaffen, doch nach sanftem Druck von Fans und Publisher brachen sie erneut in die Fantasy-Welt auf. Wie das Team in kürzester Zeit einen würdigen Nacjfolger aus dem Boden stampften, erzählen uns Mike Hoge und Kai Rosenkranz von Piranha Bytes. Mike ist Gründungsmitglied der Essener Spielefirma und einer der Väter der Gothic-Reihe - als Game Designer ist er verantwortlich für die Vision und Marschrichtung. Kais Aufgaben erstrecken sich von Tool-Programmierung über spezialeffekte, Musik und Soundeffekte bis hin zum Webdesign.

Kampf gegen die Zeit

Gothic 2 sollte nicht erst zwei, drei Jahre später erscheinen, wenn sich keiner mehr an den ersten Teil erinnern würde. Doch wie in einem Jahr eine neue Grafik-Engine mit neuen Leveln, Charakteren und Co. entwickeln? Vielleicht kaufen? "Für die Lizensierung einerexistierenden Technologie fehlte uns das Geld", erinnert sich Kai Rosenkranz. "Darüber hinaus hätte es die mit elf Monaten recht knapp geplante Entwicklungszeit unmöglich gemacht, sich erst langwierig in eine fremde Engine einzuarbeiten oder eine eigene zu entwicklen. Also beschlossen wir, die bewährten gothic-Routinen zu nutzen und sie für die notwendigen Grafik-Verbesserungen von gothic 2 entsprechend aufzurüsten." Das war allerdings leichter gesagt als getan, denn "Die Hälfte der hochgelobten künstlichen Intelligenz bestand aus komplizierten Tricks, mit denen halbwegs erfolgreich diverse Bugs umschifft wurden - für die andere Hälfte galt das Gleiche, allerdings ohne das Wort erfolgreich." Mike ergänzt: "Während der Entwicklung von Gothic wurden sämtliche spielbausteine so oft geändert, gehackt und ineinander verwoben, dass es unmöglich war, einzelne Teile sauber zu ersetzen. Wir konnten also nur an bestimmten Stellen eingreifen, um zu vermeiden, dass uns das ganze Kartenhaus zusammenfällt. So war es beispielsweise unmöglich, die Wegfindung zu verbessern. Deswegen geht etwa Lester in Gothic 2 nicht selbst zu Xardas Turm, sondern wird in Abwesenheit des Spielers dorthin teleportiert, denn wir konnten nicht sicherstellen, dass er an seinem ziel ankam, ohne unterwegs hängen zu bleiben oder gar in den tod zu stürzen. In Gothic 3 haben wir dieses Problem in den Griff bekommen." Kai schildert ein anderes Problem: "Viele Kritiker bemängelten die ihrer Meinung nach komplizierte Steuerung des ersten Teils. Diesen Punkt wollten wir in gothic 2 auf jeden Fall ausmerzen." So mussten sich die Entwickler vor dem eigentlichen Spieldesign mit verspätetem Bug-Fixing auseinander setzen. Und schraubten ihre eigenen ansprüche herunter: "Während wir uns mit Gothic mit dem Anspruch, eine Spielwelt mit einer komplett nichtlinearen Geschichte und maximal möglicher Handlungsfreiheit anzubieten, grenzenlos überfordert hatten, waren wir beim zweiten Teil etwas zurückhaltender bei den Zielen."

Mehr Details, mehr Story

Im Vergleich zum ersten Teil sollte gothic 2 vor allem mit einer noch detailreicheren Spielwelt brillieren. Doch die Gestaltung der Schauplätze verlief nicht ganz problemlos. "Bei der Hafenstadt Khorinis zeigten sich die ersten Schwierigkeiten", gesteht Mike. "Die Vielzahl von Menschen, Häusern, Gegenständen und Lichtquellen auf engstem Raum zwang die Performance in die Knie. Wir mussten also einiges von unserem Vorhaben streichen, haben aber im Endeffekt dennoch eine Leistungssteigerung von 100 Prozent hinbekommen. Das äußert sich im direkten Vergleich mit gothic zwar nicht in mehr Frames pro Sekunde, aber in der höheren Objektdichte und Texturauflösung."
Neben dichteren Objekten und einer ebenso dichten Atmosphäre sollte auch die Story noch umfangreicher werden. so umfangreich, daß sie erst im Addon Die Nacht des Raben zu Ende erzählt werden konnte? "Nein", antwortet Kai. "Die Planungen für die Erweiterung begannen erst nach der Fertigstellung von Gothic 2. Wie schon beim ersten Schritt vom ersten zum zweiten Teil der Serie standen wir vor der Aufgabe, lose Enden der bestehenden Geschichte zu identifizieren und aufzugreifen. Außerdem haben wir die Gelegenheit genutzt, die Hintergrundgeschichte mit zusätzlicher Tiefe zu versorgen, indem die Spieler im Addon mehr über die Vorgeschichte der Insel Khorinis erfahren." Mike fügt hinzu: "Wir haben die Elemente mit dem größten Potential ausgewählt und daraus eine neue Geschichte gestrickt. Dadurch ist bei manchen Spielern der Eindruck entstanden, wir hätten alles von vorneherein so geplant - aber dem war nicht so. Was es jedoch vorher gab, war ein geschichtlicher hintergrund der welt für alle Episoden."

Drei Freunde sollt ihr sein

Einer der reizvollsten Punkte in Gothic war die unverbrauchte Story der Gefängniswelt mit ihren unterschiedlichen Lagern. Demgegenüber wirkt das Szenario von Gothic 2 fast wieder wie mittelalterliche Fantasy-Standardkost. Kai Rosenkranz erzählt: "Das war auch bei uns eine der polarisierendsten Entscheidungen, die wir zu treffen hatten. Ein Teil des Teams, mich eingeschlossen, konnten sich Drachen, Paladine und postkartentaugliche Blumenwiesen-Motive in der Welt von Gothic nicht wirklich vorstellen. Auch das Spieler-Feedback ging hier weit auseinander. Manche meinten, dass der Vorgänger die interessantere Atmosphäre gehabt hätte, anderen gefiel der zweite Teil besser. Gothic 3 wird auf jeden Fall eher dem ersten Teil ähneln. Der zweite Teil stellt nur eine Art Bindeglied dar, in dem wir die welt außerhalb der Gefängniskolonie präsentieren wollten. In Gothic 3 wird diese Welt fast komplett von Orks besetzt sein."
Bindeglied ist ein gutes Stichwort: In vielen Rollenspiel-Serien kann man seinen lieb gewonnenen Helden in den nächsten Teil importieren. Warum war das bei gothic 2 nicht möglich? "Wir sind der Meinung, dass es einen wesentlichen Teil des Spielspaßes ausmacht, seinen charakter zu steigern", antwortet Mike. "Das wäre mit einem übernommenen Superhelden aus dem ersten Teil schwierig geworden. Es ist aber auch auf die Dauer langweilig, immer wieder von vorne anfangen zu müssen, und so wird der Held in Gothic 3 nicht mit seinem Schiff kentern, wie viele vermuten, sondern ganz gemütlich am Festland von Myrtana anlegen. Allerdings wird man seinen alten charakter auch jetzt nicht übernehmen können. wie gesagt: Warum sollte man einen Superhelden noch steigern wollen?"

Abschlussgedanken

Elf Monate, 13 Mann im Team - woran denkt man nach so einer intensiven Zeit zurück? Mike Hoge erinnert sich: "Auch wenn wir in Gothic 2 nicht alles so machen konnten, wie wir es gerne gewollt hätten, sind wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden. In einem so kleinen Team muss jeder sein Bestes geben und mehrere Aufgaben übernehmen. Aber gerade das ist auch unsere Stärke. Weil wir so wenige sind, gibt es wenig Missverständnisse, dafür viel gegenseitiges Verständnis und dadurch vor allem eine schnelle Reaktionszeit - und das nicht nur, wenn mal etwas schief läuft." Kai Rosenkranz: "In Gothic hatten wir hinsichtlich der nichtlinearen Story unser Pulver schon nach dem ersten Kapitel verschossen und den Spieler dann auf einen vorgegebenen Storystrang gezwungen. Im zweiten Teil war das Verhältnis zwischen Freiheit und festen Bahnen etwas gelungener, was uns viel Ärger erspart hat. Nur so war es möglich, mit gerade mal 13 Piranhas in so kurzer Zeit einen brauchbaren Nachfolger zu basteln.



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