Mike Hoge:
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Schwere Probleme mit der Story und dem Game-Design.
Als wir damals mit Gothic angefangen haben, war es meine Idee,
einen Multiplayer-Modus mit Story einzubauen.
Wir haben seitdem viele Tage und Wochen mit der Lösung von Multiplayer-Problemen
verbracht, weil wir das Feature um jedem Preis einbauen wollten.
Relativ früh wurde uns klar, wie viele Probleme da dran hängen,
vor allem was die Missionen (die bei der Entwicklung erst als
letztes kommen) betrifft.
Einige Beispiele:
Problem: Die Missionen von Gothic bauen teilweise aufeinander
auf. Es gibt Packs von 5 oder 6 Missionen, die teilweise aufeinander
folgen müssen aber auch teilweise parallel verlaufen können.
Spieler A nimmt Mission 1a an. Mission 1b kann erst losgehen,
sobald Mission 1a gelöst wurde. Spieler B spricht mit dem Auftraggeber,
kurz nachdem Spieler A Mission 1a gelöst hat und bekommt Mission
1b OHNE Mission 1a gemacht zu haben oder überhaupt zu kennen.
Das ist Mist.
Mögliche Lösungen:
1. Spieler B bekommt die Mission nicht - alle Missionen dieses
Strangs müssen von Spieler A gemacht werden --> Scheißlösung,
denn wir müssten uns bei 5 Spielern 5 mal so viele Missionen
einfallen lassen.
2. Einer der Spieler bekommt immer alle Missionen, und die anderen
müssen ihm "unfrei" als Party folgen --> Problem: Jeder möchte
gerne Missionen annehmen können.
UND: So würden immer alle Spieler überall gemeinsam hinlaufen.
(Das wiederum ist ein weiteres Problem)
Weiteres Problem: Rennen immer alle Spieler in denselben Dungeon
(was teilweise aufgrund der voranschreitenden Story nicht zu
vermeiden ist, denn wenn das z.B. große Portal zum uralten Tempel
aufgeht und alle NSCs rennen hin und plündern, dann wollen die
Spieler natürlich alle mit von der Partie sein), dann können
viele kleine feine Sachen in der Story so nicht stattfinden,
weil die Herausforderung für einen Spieler einfach in einem
magisch- psionischen- pfeilgespickten und blutsprizenden Inferno
von 5 Spielern zunichte gemacht wird.
Wir wollen kein Diablo machen.
Noch ein Problem: Im ersten Sechstel des Spiels ist der Spieler
in keiner Gilde. Er entscheidet sich, wem er beitreten will
und macht Aufnahmeprüfungen. Diese können auch nur einmal gemacht
werden. Also schonmal dasselbe Problem wie oben, 5 mal so viele
Missionen.
Darüber hinaus gibt es hier aber noch das Problem, dass das
Spiel völlig außer Balance geraten würde, wenn alle Spieler
einer Gilde beitreten würden, also müssten wir die Spieler zwingem,
sich artig auf die Gilden zu verteilen. Schnappen sie sich aber
gegenseitig wieder die Aufträge weg, verhindern sie gegenseitig
den Gildenbeitritt.
Lösung: Den kompletten ersten Teil des Spiels im Multiplayer
weglassen und jeden eine der Gilden über einen Auswahlscreen
wählen lassen. Ihr seht worauf es hinausläuft?
Wir haben uns entschlossen den Multiplayer-Modus zu streichen,
da wir ansonsten die Story nicht so hätten umsetzen können,
wie geplant. Unser Ziel für den Multiplayer-Modus war es, die
komplette Story spielbar zu machen. Doch bei der Umsetzung hätten
wir leider viel zu viele Kompromisse zu Lasten der Dramaturgie
und eines interessanten Storyplots machen müssen.
Den Multiplayer-Modus statt dessen als eine Art Deathmatch einzubauen,
wäre auch keine Alternative gewesen, denn GOTHIC lebt von der
Interaktion mit den NPCs, deren Reaktionen auf den Spieler,
eben der lebendigen Welt in der man sich bewegt und mit der
man auf sehr unterschiedliche Weise interagieren kann.
In den letzten Monaten hat sich gezeigt, daß es noch viele dieser
Story- und Missions-Probleme gibt. Wenn man bedenkt, wieviel
Zeit wir in die Lösung der ersten paar Probleme gesteckt haben,
kann man sich ausmalen, wie lange es noch dauern würde, den
Rest vernünftig hinzubekommen. Ich verstehe vollkommen, dass
es für die Fans so rüberkommt, daß wir am Anfang mit Multiplayer-Storymode
"geprahlt" haben und jetzt nicht halten können, was wir versprachen.
Ich kann euch da draußen nur bitten, eine Sache zu bedenken:
Die Entwicklung eines Spiels wie Gothic dauert in der Regel
2-3 Jahre. Und da ist es unmöglich am Anfang, als Newcomer Team
mit einer handvoll Leute von vorneherein perfekt abzuschätzen,
was in 2-3 Jahren geht und was nicht.
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