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Verzweifelt
versuchst Du Dich aus dem erbarmungslosen Griff der beiden Wachen
zu befreien, die Dich unaufhaltsam vorwärts ziehen. Nur noch
wenige Schritte bis zum Abgrund. Du bohrst Deine Füße in
den Dreck, um die Kerle daran zu hindern, Dich näher an diese
Klippe zu bringen. "Jetzt geht´s ab hinter den Vorhang!"
keucht der Wächter zu Deiner linken Dir ins Ohr. Sein langes,
schweißnasses, schwarzes Haar schlägt Dir ins Gesicht.
Mit stahlhartem Griff umfaßt er Deinen linken Arm und Deine
Schulter, während er brutal versucht, Dir die Beine wegzutreten,
um Deinen Widerstand zu brechen. Der Kerl zu Deiner Rechten lacht
hämisch, als er mit aller Kraft an Deinem Arm reißt.
Du blickst auf. Direkt hinter der Klippe erstreckt sich die
riesige leuchtende Kuppel, die Du schon von weitem gesehen hast. Wie
erschlagen von der Größe dieser magischen Barriere erstarrst
Du für einen Moment des Schreckens. Genug für die beiden
Wachen, um Deinen Widerstand endgültig zu überwinden. Der
Schwarzhaarige tritt Dir Deine Beine weg, und auf Deinen Knien wirst
Du bis an den Rand der Klippe geschleift. Das dunkle Summen, das die
ganze Zeit kaum wahrnehmbar im Hintergrund zu hören war, wird
jetzt lauter. Im Zentrum der magischen Kuppel siehst Du eine größere
Siedlung. Rauch steigt von den Hütten auf. Weiter vorne ist etwas,
das aussieht wie der Eingang einer Mine... "Stellt Ihn hin!"
Laut erhebt der Scharfrichter des Königs hinter Dir das Wort.
Die beiden Wachen zerren Dich eilig hoch. Du verrenkst Dir den Hals,
um hinter Dich zu blicken; kannst den hochgewachsenen Mann aber nur
so gerade aus den Augenwinkeln sehen. "Gefangener! Für Deine
Missetaten verurteilt Dich unser erhabener König zur Zwangsarbeit
in den Erzminen. Du wirst dort verbleiben bis zum Ende Deines jämmerlichen
Lebens! Wachen..."
Undeutlich siehst Du, wie die Gestalt hinter Dir einen Arm
hebt. Wie wild wirfst Du Dich hin und her, um dem Griff der Wachen
zu entkommen. Ein Tritt ins Kreuz reißt Dich aus dem Armen der
Wachen und Du fällst, stürzt auf die Barriere zu, reißt
die Arme hoch, um den Aufprall abzufangen, doch der kommt nicht...
Ohne Widerstand fällst Du einfach weiter, immer schneller rast
Du in Richtung Boden. Nein, Wasser! Du stürzt auf einen See zu!
Du hörst Deinen eigenen Schrei nicht mehr, als Du endlich die
Wasseroberfläche durchschlägst. Benommen wie von einem Keulenschlag
läßt Du Dich aus der Tiefe langsam wieder an die Oberfläche
treiben. Luft! Verschwommen siehst Du die Konturen des Ufers. Mit
letzter Kraft schwimmst Du darauf zu und ziehst Dich an Land. Vor
Dir stampft ein Fuß in den Matsch. Du blickst auf. Mehrere,
in Fetzen aus Lumpen und verrotteten Rüstungsteilen gekleidete
Gefangene stehen mit verschränkten Armen über Dir. Der Kerl
direkt vor Dir beugt sich herab, zieht Deinen Kopf an den Haaren hoch,
blickt Dir direkt ins Auge und raunt mit stinkendem Atem aus einem
zahnlosen Mund: "Willkommen im Knast!"
Hintergrund:
Es herrscht Krieg im Königreich der Menschen. Von Norden
her fallen Scharen von Orks in das Land ein. Um die Kampfkraft der
königlichen Armee zu erhalten, sind die Schmiede des Reiches
unentwegt damit beschäftigt, neue Waffen anzufertigen.
Diejenigen, die in dieser Zeit das Gesetz brechen, trifft ein
hartes Los: Sie werden zur Zwangsarbeit in der Strafkolonie verurteilt,
wo sie tief aus der Erde das ERZ fördern, das für die Herstellung
der Waffen benötigt wird. In der gesamten Strafkolonie gibt es
keine Wachen, und es werden auch keine gebraucht: Das gesamte Gebiet
um die Minen ist von einer magischen Barriere umschlossen; einer Sphäre
von tausend Meter Durchmesser, die das Gefängnis wie eine Kuppel
überspannt und sich tief unter der Erde zu einer Kugel vollendet.
Von außen kann die Barriere problemlos passiert werden; aber
kein lebendiges Wesen kann aus ihr entkommen. Lediglich tote Gegenstände
können die Barriere von innen durchdringen. So haben die Gefangenen
einmal im Monat Gelegenheit, das kostbare ERZ an die Außenwelt
abzugeben. Zum Tausch dafür bekommen sie lebensnotwendige Nahrung,
Medizin, aber auch wenige kleine Kostbarkeiten, die ihnen das harte
Leben annehmlicher machen.
Im Knast herrscht eine harte Rangordnung. Nur den Mächtigsten
unter den Gefangenen ist es vorbehalten, die kostbaren Güter
zu empfangen und nach eigenem Ermessen unter den Schwächeren
zu verteilen. Die Starken nehmen sich den Löwenanteil und leben
in Dekadenz, während die Schwachen gezwungen sind, für ihren
mickrigen Anteil Tag für Tag in den Minen zu schuften.
In der Strafkolonie gibt es zwei rivalisierende Gruppen: Auf
der einen Seite das ALTE LAGER, das unter der Herrschaft der Erzbarone
steht, die den Großteil des Tauschhandels mit der Außenwelt
kontrollieren, und auf der anderen Seite das kleinere NEUE LAGER,
dessen Bewohner sich vom alten Lager abgespalten haben, um ihre eigene
kleine Mine aufzubauen und wie besessen an ihrem Ausbruchsplan zu
arbeiten.
Außerdem gibt es noch den etwas abgelegenen SEKTENTEMPEL,
dessen Anführer den baldigen Untergang der Welt prophezeien.
Gemeinsam mit ihren Jüngern zelebrieren sie die letzten Tage,
die ihnen nach ihrer eigenen Meinung noch verbleiben. Der Sektentempel
und das neue Lager haben sich gegen die große Macht des alten
Lagers verbündet, und so sind die Kräfte im Gefängnis
(zur Zeit) in etwa im Gleichgewicht.
Gelegentlich kommt es zu Angriffen und kleineren Überfällen
zwischen den Lagern, für große Gemetzel ist aber keine
der Gruppierungen mächtig genug. Jede der Parteien beäugt
die jeweils andere ständig in der Erwartung einer kleinen Unachtsamkeit,
um den taktischen Vorteil zu erlangen, den sie bräuchte, um erbarmungslos
über ihre Gegner herzufallen.. |
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