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Interview mit Mattias Filler
"Einiges von Cor Kalom (dem Antagonisten im Sektenlager) ist von mir. Ich wollte eigentlich noch einbauen, dass der Spieler für ihn arbeiten kann, das wäre dann ein schöner Effekt gewesen, wenn sich Cor Kalom als Antagonist entpuppt."
WorldofGothic: Wie bist du damals zu Piranha Bytes gekommen? Du warst ja zusammen mit Björn Pankratz und Stefan Kalveram zuerst als QA-Mitarbeiter dabei. Nach kurzer Zeit kam dann das Schreiben von Story und Dialogen hinzu. Habt ihr das Testen des Spiels dann später einfach zusätzlich neben eurem Job als Storyschreiber erledigt?
Filler: Wir hatten damals einen gemeinsamen Freundes- und Bekanntenkreis. Mit Stefan Kalveram habe ich zu der Zeit studiert und als er das Angebot von PB bekam, hat er mich mit an Bord geholt. Es war schnell klar, dass ich in die Story Abteilung wechseln würde, durch mein Pen&Paper Hobby passte das gut.
Es war halt auch der Bereich der liefern musste. Story gab es zwar auf Papier, aber nicht im Spiel. Als Roman Keskenti den Info Manager eingebaut hatte, (mit dem die Dialoge gescriptet wurden) ging es los. Da haben wir dann Tag und Nacht die Inhalte reingehauen.
WorldofGothic: Den typischen Tester-Alltag stelle ich mir eher langweilig vor: Immer und immer wieder die gleichen Spielabschnitte auf unterschiedlichem Wege durchspielen und alles, was nicht funktioniert, notieren … lief das wirklich so ab oder bestand deine Aufgabe eher darin, Berichte von Testern auszuwerten? Habt ihr damals irgendwelche Reporting-Tools verwendet?
Filler: Als wir dazugekommen sind, gab es zwar schon eine Welt und Figuren aber nicht viel Inhalt der getestet werden musste. Horst aus dem Level-Bereich hat uns dann die Aufgabe gegeben durch die Welt zu gehen und alle Stellen herauszusuchen die nicht fertig waren. Das war unsere erste sinnvolle Aufgabe und hat uns ins Thema reingebracht. Da es noch keine Abläufe fürs Testen gab, haben wir uns selbst organisiert. Jeder hatte seine Aufgaben und nach jedem Release wurden Listen abgearbeitet. Soweit ich mich erinnere, kam das erste Testing Tool mit Gothic 2, aber da bin ich mir nicht sicher.
WorldofGothic: Wie bist du überhaupt zum Story-Schreiben gekommen. Ich weiß, dass du viel Zeit mit Pen&Paper-Rollenspielsystemen wie „Das schwarze Auge“ verbracht hast. Hat dich das dazu animiert, eigene Geschichten zu erdenken und Charaktere zum Leben zu erwecken?
Filler: Ja, klar. Mit „Das schwarze Auge“ hat alles vor langer Zeit angefangen ... Pen&Paper hat nicht nur die Lust am rollenspielen geweckt, sondern mich auch mit den Jungs zusammengebracht, war doch unsere erste Begegnung im Münsterland auf einer Convention, lange vor Piranha und Gothic.
WorldofGothic: Warum das Erzählen in Computerspielen und nicht zum Beispiel das Schreiben von Erzählungen? Ist es interessanter, die Dialoge für einen Charakter in einem Computerspiel zu schreiben?
Filler: Ich hatte eigentlich nie vor zu schreiben, und die Chance für Computer Spiele zu schreiben lag halt auf einmal auf dem Tisch. Das Interaktive macht das Schreiben für Spiele für mich reizvoll. Dem Spieler Entscheidungen und Konsequenzen zu bieten hebt sich von reinen Erzählungen ab. Aber selbst ein Spiel bietet halt meistens eine unumstößliche Hauptstory, die maximal ein paar verschiedene Abzweigungen/Enden bietet. Man versucht also immer wieder einen Weg zwischen Erzählung und Entscheidungsfreiheit zu finden. Ein spannendes Thema, mit dem ich mich heute noch beschäftige. Ich habe ein Konzept geschrieben, das genau dieses Thema in den Vordergrund rückt.
WorldofGothic: Was war dir in deiner Zeit bei Piranha Bytes besonders wichtig, was war für dich der Kern deiner Arbeit, der unbedingt ins jeweilige Spieleprojekt einfließen sollte? Vielleicht eine bestimmte Art, Quests oder Dialoge zu gestalten?
Filler: Es gab immer irgendein Feature oder eine Struktur die verbessert werden wollte. Mal hat das gut funktioniert, mal weniger. Ich erinnere mich das ich beim Spielen von Gothic als voll ausgebildeter Magier vor dem Reisbauer stand und er mich Wasser holen schickte. Kein gutes Feedback. Bei Gothic 3 war es uns unglaublich wichtig das jeder NPC sterben kann, was uns dann aber in Bezug auf die Erzählung nur hinderlich war und keinen nennenswerten positiven Einfluss auf das Spiel hatte. Es ist uns wohl nicht immer gelungen, gute Reaktionen einzubauen, aber wir sind insgesamt besser geworden.
WorldofGothic: Gibt es in Gothic Dinge, von denen du weißt „Das ist von mir“? Bestimmte Dialoge, Quests, NPC Und erinnerst du dich an Inhalte (Story, Dialoge, Quests, etc.), die du gerne noch in Gothic eingebaut hättest, die es aber leider nicht mehr geschafft haben?
Filler: Ich habe mich eigentlich überall, aber v.a. in den späteren Kapitel ausgetobt. Einiges von Cor Kalom (dem Antagonisten im Sektenlager) ist von mir. Ich wollte eigentlich noch einbauen, dass der Spieler für ihn arbeiten kann, das wäre dann ein schöner Effekt gewesen, wenn sich Cor Kalom als Antagonist entpuppt.
Auch die alte Mine wollte ich noch größer aufziehen, mit mehr Quests zwischen Buddlern und Schatten. Für die Hauptstory war auch noch mehr Inhalt vorgesehen. In den späteren Kapiteln sollte der Schläfer Psi- Wellen aussenden, um Wahnsinn unter den Leuten zu säen. Diego begrüßt den Spieler irgendwann mit „Ich dachte, du wärst tot“ daraus wollte ich eigentlich einen Running Gag machen … Aber das hat alles aus Zeitgründen nicht mehr geklappt. Auf der anderen Seite haben wir viel „on the fly“ eingebaut, da hat vor allem Stefan Nuyl richtig viel Gas gegeben, und z.B. die Fokussteine, das Golem Rätsel und vieles mehr eingebaut.
WorldofGothic: Zwischen Gothic und Gothic II gibt es einige kleine Inkonsistenzen, sei es die Darstellung des Lebens in der Spielwelt oder auch bei den Hintergründen wie der Göttergeschichte. Wurde sich damals bewusst entschieden, Dinge zu verändern, anstatt sie als gegeben zu übernehmen oder lag das einfach an einer nicht so gut organisierten Dokumentation? Ein Piranha sprach mal von einer Zettelwirtschaft, die eine nicht so gute Idee gewesen sei.
Filler: Inkonsistenzen entstehen leider manchmal wenn viele Leute gleichzeitig an einer Story arbeiten. Die Sache mit den 12/13 Magiern ist inzwischen auch schon Kult.
Eine weitere Sache war das mit In Extremo. Wenn die Show vorbei ist sagt ein Buddler „Die sind weitergezogen!“. Richtig und viel besser wäre natürlich gewesen: „Die wollten weiterziehen und haben unsere Warnungen ignoriert.“
„Naja, jedenfalls wissen wir jetzt, das die Barriere noch immer funktioniert.“
Okay, ein winziges Detail habe ich noch. Ein Satz im Intro stößt mir jedes mal negativ auf. „Willkommen im Lager!“ Dabei ist der Held gar nicht im Lager. Er hätte sagen sollen: „Willkommen in der Kolonie!“ Alle Inkonsistenzen sind, soweit ich mich erinnere, auf unsere eigene Planlosigkeit zurückzuführen. Ich hoffe, die Fans haben uns inzwischen verziehen.
WorldofGothic: Wie viel weiß ein Story-Schreiber von den Gameplay-Mechaniken, die es später im Spiel geben wird? Wie erfolgt zwischen euch der Austausch, muss sich der Schreiberling mehr nach dem Programmierer richten oder werden Features extra auf Wunsch der Storyautoren angefertigt?
Filler: Ein Story Schreiber muss alle Features kennen, denn es ist seine Aufgabe diese zu präsentieren. Es kommt natürlich oft vor das Features noch nicht entwickelt sind, von daher haben wir immer versucht ohne weitere Features auszukommen. Wir wussten es gibt Kampf, Items, Dialoge und haben uns darauf konzentriert.
Später haben wir dann teilweise selbst die Sachen eingebaut, die wir brauchten, oder es wurde von Anfang an besser geplant. Das hat sehr gut bei Risen funktioniert (z.B. die ganze Magie und die Tagesabläufe z.B. Scrolls Schreiben. Das war gut geplant und konnte genau so umgesetzt werden.)
WorldofGothic: Kein Spieler will immer wieder die gleichen Quests erleben! Wie schafft man es, als Storyschreiber Abwechslung in die Dialoge und Aufgaben von Quests zu bringen, so dass sie interessanter werden?
Filler: Dafür gibts keine Geheimformel. Ein paar Tricks vielleicht, um den Spieler zu überraschen. Der Spieler hat ja eine bestimmte Erwartungshaltung, damit lässt es sich spielen. z.B. klaut der Spieler einem Kerl ein Amulett. Der freut sich aber darüber weil das Amulett verflucht war. Wenn der Spieler eine augenscheinlich einfache Quest erledigt, und 10 Pflanzen sammelt, braut der Auftraggeber daraus ein Gift um einen Konkurrenten loszuwerden. Man sollte sich halt ab und zu die Frage stellen „Kann ich diese Situation ins Gegenteil kehren?“ Ich komme auch nicht umhin um an dieser Stelle Witcher 3 lobend zu erwähnen, weil sie genau das richtig gut geschafft haben.
Grundsätzlich muss man gucken was man gerade vor sich hat. Bei G2 im Kloster wollte ich den Spieler durch die ganze Location schicken. Deshalb gibts die „Wurst verteilen“ Quest. Und weil ich den Novizen vor dem Tor vergessen hatte, bekam er dann auch einen entsprechenden Dialog: „Die meisten vergessen mich!“
WorldofGothic: Gibt es in deinem Alltag Situationen, bei denen du denkst, dass man das gut in einer Story verwerten könnte? Woher holst du dir Inspiration?
Filler: Inspiration kommt natürlich aus Büchern, Spielen, Filmen. Auch das echte Leben hält viel bereit. Das ist vor allem wichtig um einen Wiedererkennungswert beim Spieler zu triggern. Eine Situation die man aus dem echten Leben kennt, eine Figur die sich bekannt verhält, das ist viel wert. Es braucht beides: Figuren die sich wie erwartet verhalten und Figuren die dieses Klischee durchbrechen.
WorldofGothic: Hast du besondere Erfahrungen in deiner Zeit bei Piranha Bytes gemacht, die du aus diesen Jahren mitnehmen konntest und die dir bis heute geholfen haben?
Filler: Was sich bis heute gehalten hat sind die Arbeitszeiten. Ich arbeite gerne Abends und Nachts, wenn es sich einrichten lässt. Die Zeit von Gothic war sehr prägend und ich glaube eine Stärke von mir ist es Leidenschaft in ein Projekt einfließen zu lassen. Ich bilde mir ein, das hat sich bis heute nicht geändert. Außerdem liegen mir Rollenspiele ganz gut.
WorldofGothic: Welche Tipps und Tricks würdest du angehenden Storyschreibern mit auf den Weg geben? Welche Fehler sollten sie vermeiden, die dir vielleicht selbst am Anfang passiert sind?
Filler: Erkenne dein Spiel. Es ist wichtig die Main Features zu kennen, die das Spiel tragen sollen und dann kann man Setting und Story designen. Es bringt halt nichts zu sagen, „Wir machen ein Weltraumspiel mit vielen Schiffen, die gegeneinander kämpfen!“, wenn man keine Raumschlachten umsetzen kann.
Papier ist geduldig. Gerade am Anfang wenn alles nur in den Köpfen und auf dem Papier stattfindet, kann man schnell auf Sand bauen, wenn nachher bestimmte Features fehlen.
Was auch immer wieder gerne passiert, ist das viel zu groß gedacht wird. Da werden ganze Welten und komplexe Beziehungsgeflechte geplant, und am Ende weggeschmissen. Ich bin eher für überschaubare Settings mit vernünftig geplanten Inhalten. Größer werden kann man später immer noch.
WorldofGothic: Verfolgst du das von THQ Nordic letztes Jahr angekündigte Gothic Remake? Welche Dinge sollten dort deiner Meinung nach aus dem Original möglichst genauso umgesetzt oder gar ausgebaut werden, weil sie das Spielgefühl von Gothic bestimmen?
Filler: Ich hab die Demo vom Gothic Remake gesehen, aber nicht selbst gespielt. Ich glaube wenn die Entwickler die Main Features erkennen, wie z.B. die offene, gefährliche Welt (in Kombination mit, das Spiel hält nicht an wenn du einen Trank trinkst) dann sind sie auf einem guten Weg. Eins ist klar, die Steuerung kann nur besser werden
Schön wäre natürlich wenn das Remake so gut ankommt, das ein weiteres (neues) Spiel folgen kann.
WorldofGothic: Du hattest
2013 in einem Interview geschrieben, dass du dich freuen würdest, wenn „irgendwann was geiles mit der Gothic Marke passiert und ich Teil davon sein kann.“ Wäre das Remake denn etwas, was in diese Kategorie fallen würde?
Filler: Gothic hat einen reichhaltigen Hintergund der viel Platz für Geschichten bietet. Ich glaube es wird mir immer leicht fallen, in diese Welt zurückzukehren.
WorldofGothic: Selbst nach 20 Jahren diskutieren Fans und Spieler über das Gothic Universum, stellen Theorien auf, erstellen Analysen und Modifikationen, die die Originalstory erweitern und manche Logikfehler füllen. Kannst du diese Begeisterung nachvollziehen oder ist das für dich eher merkwürdig, dass sich Menschen so lange mit diesem alten Spiel beschäftigen?
Filler: Ich habe nie mit dem Erfolg gerechnet (ich glaube das hat keiner) aber es ist natürlich schon sehr geil, dass Gothic diesen Kult-Status besitzt. Ich find’s super wenn sich auch nach 20 Jahren noch Begeisterte finden, die sich mit viel Leidenschaft und Zeit durch die alten Daten wühlen, das Spiel an allen Ecken und Kanten verbessern und mit neuen Geschichten bereichern.
geschrieben von Don-Esteban