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Interview mit Nico Bendlin
"Ich war selbst Teil der Editing-Community und bewunderte die Modifikationen, die bereits für GOTHIC erstellt wurden. Diese Begeisterung war für mich der entscheidende Grund, auch für Gothic II - Die Nacht des Raben die Modifikations-Tools bereitzustellen."
World of Gothic: Du hast ja nie Informatik als Beruf oder im Studium erlernt, sondern als Autodidakt. War es einfach, mit dem Background einen Job zu finden? Und was hattest du für Referenzen angegeben?
Bendlin: Ich habe gleichzeitig ein Fachabitur und eine handwerkliche Berufsausbildung gemacht. Die Neunziger waren eine Zeit mit vielen Veränderungen und in meinem gelernten Beruf war es damals schwierig, in Berlin eine feste Anstellung zu finden. Irgendwann bekam ich einen 286-er geschenkt und verbrachte viel Zeit damit, verschiedene DOS-Varianten und später Windows zu verstehen. Als ich dann eine Weiterbildung zum PC-Servicetechniker machte, musste ich wenig Neues lernen und verbrachte mehr Zeit mit Assembler und verschiedenen anderen Programmiersprachen. Aus dem abschließenden Praktikum wurde eine Festanstellung und die Softwareentwicklung ist seitdem mein Beruf.
World of Gothic: Bevor du bei Piranha Bytes angefangen hast, warst du als Software-Entwickler in Berlin tätig. War es für dich schwierig, aus der Millionenmetropole ins Ruhrgebiet umzuziehen oder war dir das eher egal?
Bendlin: Abgesehen davon, dass Berlin in eine wunderbare Stadt für junge Erwachsene war (und wahrscheinlich immer noch ist), gab es damals kaum noch Gründe, die mich dort gehalten hätten. Das Leben überraschte mich mit einigen unerwarteten Wendungen, sowohl schönen, als auch herausfordernden.
World of Gothic: Hat dich auch an Spielen vor Gothic eher das Grundgerüst darunter interessiert, also ein Spiel zu dekonstruieren, seine Programm-Mechaniken zu analysieren? Als Programmierer hat man doch sicher ganz eigene Interessen an Computerspielen?
Bendlin: Eigentlich war und bin ich kein klassischer Zocker. Die Teile der Gothic-Serie sind eines der wenigen Spiele, die ich auch bis zum Ende gespielt habe. Dafür habe ich viel mehr Zeit in den Dateien von Spielen verbracht, die ich nie wirklich spielte. Das Reverse Engineering und die strukturelle Datenanalyse waren schon immer meine Lieblingsspiele.
World of Gothic: Wie kam es dazu, dass du ausgerechnet für Gothic Tools (
NicoVDFS) erstellt hast? Wie bist du überhaupt auf Gothic gestoßen und was hat dich an dem Spiel fasziniert?
Bendlin: Auf den ersten Teil wurde ich zuerst durch den Namen aufmerksam. Später interessierte mich die Geschichte und die Freiheit im Spiel. Mein unstillbares Interesse am Verstehen von komplexen Systemen führte (zum Bedauern meiner Eltern) nicht nur dazu, dass ich mein erstes ferngesteuertes Auto direkt in seine Einzelteile zerlegte - ich sah mir natürlich auch die Spiel-Dateien von GOTHIC mit einem Hex-Editor an.
World of Gothic: Fandest du es besonders interessant, zur Abwechslung mal in der Spieleprogrammierung tätig zu sein oder war das einfach ein Programmierjob wie jeder andere?
Bendlin: Die Spieleentwicklung ist und war nicht mein Bereich. Ich war nicht lange in der Branche und kann nur von der Arbeit an Gothic II berichten. Es war eine interessante Herausforderung, eine komplexe Engine zu erweitern. Aber mit der Grafikprogrammierung hatte ich kaum bis gar nichts zu tun.
World of Gothic: Wie du zu Piranha Bytes gekommen bist, hatte ja auch ein wenig mit Zufall zu tun. Vielleicht warst du zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Erzähl mal!
Bendlin: Ja, ich war einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Eigentlich wurde ich nur nach Bochum eingeladen, um sich für die Bereitstellung eines winzigen Tools zu bedanken, welches die Veröffentlichung des Mod-Kits für GOTHIC vereinfachte. Auf der Couch wurde ich dann nebenbei gefragt, ob ich an einem Nachfolger mitarbeiten wollen würde... Einen besseren Softwareentwickler mit mehr Erfahrung hätte man sicher finden können, aber mit Motivation und Engagement habe ich das hoffentlich halbwegs ausgleichen können.
World of Gothic: Wofür genau hatte dich Piranha Bytes gebraucht, was waren deine Aufgaben?
Bendlin: Ein Teil von Piranha Bytes arbeitete bereits an einem Nachfolger von GOTHIC. Das Teams hatte dafür, basierend auf eigenen Ideen und Wünschen der Fans, einige Erweiterungen der Engine geplant. Dabei ging es auch um die Überarbeitung der Steuerung und des Inventars. Also keine Raketenwissenschaften, sondern nur geduldige Entwicklungsarbeit in einem großen, lange gewachsenen Projekt.
World of Gothic: Warst du zuerst im Team des geplanten Gothic-Sequels? Wie bist du dann ins spätere Gothc-II-Team gewechselt? Welche Unterschiede gab es zwischen den beiden Teams? Warum scheiterte die Entwicklung des Sequels?
Bendlin: Ursprünglich wurde an einer eigenständigen Erweiterung von GOTHIC gearbeitet. Das hätte bedeutet, dass man als Spieler wieder ins Minental gekommen wäre. Der Publisher wollte aber lieber einen Vollpreistitel verkaufen. Eine völlig neue Welt zu erschaffen wäre, in dieser Team-Zusammensetzung, im geforderten Zeitplan nicht realistisch umsetzbar gewesen. Also wurde das Projekt eingestellt. Ich blieb innerhalb der Phenomedia-Gruppe und entwickelte ein paar Monate im gleichen Haus an einem Spiel für die ersten Java-fähigen Mobiltelefone mit. Das andere Team sicherte sich den Auftrag zur Entwicklung von Gothic II. Ich wurde schließlich gefragt, ob ich Carsten (Edenfeld) nicht unterstützen kann. Also baute ich etliche Änderungen des Sequels auch/wieder in Gothic II ein.
World of Gothic: Wie war für dich die Entwicklung von Gothic II? Habt ihr immer mit einem Erfolg des Spiels gerechnet oder gab es auch Momente des Zweifels?
Bendlin: Das waren bewegte Zeiten und einen Erfolg konnte keiner garantieren. Wer hätte bei GOTHIC gedacht, dass Mud so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und man ihn im Marvin-Modus des Add-Ons als Zombie beschwören können werden würde.
World of Gothic: Wie hast du die Erwartungen und das Feedback der Community während der Entwicklung von Gothic II erlebt?
Bendlin: Ich war selbst Teil der Editing-Community und bewunderte die Modifikationen, die bereits für GOTHIC erstellt wurden. Ohne die Initiative von Bert wäre das nicht möglich gewesen. Diese Begeisterung war für mich der entscheidende Grund, auch für Gothic II - Die Nacht des Raben die Modifikations-Tools bereitzustellen. Während meiner Arbeit am G2MDK hatte ich einen regen Austausch mit verschiedenen Mod-Teams und bekam viele Rückmeldungen – vielen Dank und liebe Grüße!
World of Gothic: War es schwierig, Piranha Bytes davon zu überzeugen, die Mod-Tools für Gothic II anzupassen und zu veröffentlichen? Soweit ich weiß, beruht das ja vor allem auf deiner Initiative.
Bendlin: Das G2MDK hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon fast fertiggestellt. Es ging eher darum, den Publisher zu überzeugen. Die Klärung der rechtlichen Belange brauchte etwas Zeit. Ansonsten wurden mir keine Steine in den Weg gelegt.
World of Gothic: Wie hast du die Modding Community von Gothic nach der Veröffentlichung der beiden Modkits erlebt? Hast du mit einer solchen Reaktion durch die Community gerechnet?
Bendlin: Auf der einen Seite ist die Entwicklung von Modifikationen für Gothic alles andere als einfach, andererseits hat man dafür sehr umfangreiche Möglichkeiten zur Umsetzung seines eigenen Spiels. Dank der engagierten Editing-Szene sind die Möglichkeiten über die Jahre immer weiter gewachsen. Ich hatte eher damit gerechnet, dass die Aufmerksamkeit früher oder später nachlassen würde – ich wurde eines Besseren belehrt und mehr als positiv überrascht.
World of Gothic: Du hast ja viele Jahre lang die Gothic-Modder bei technischen Problemen unterstützt und von dir aus Support bei Problemen mit den Modding-Tools geleistet. Beobachtest du heute noch die Modding-Community? Gibt es dir ein Gefühl der Befriedigung, zu sehen, dass es noch immer eine aktive Modding-Community gibt?
Bendlin: Ich bin immer wieder begeistert, welche großartigen Modifikationen entstanden sind und immer noch entstehen. Was mich am meisten freut, ist die großzügige Bereitschaft, seine Entdeckungen und Entwicklungen mit anderen zu teilen und sich gegenseitig zu helfen (weit jenseits der Mod-Lizenz, mit der ich das grundsätzlich eingefordert habe). Nach über einem Jahrzehnt der privaten Unterstützung habe ich mein Wissen längst weiter gegeben. Für mich war es Zeit, mich aus dem Editing-Forum zu verabschieden und anderen Projekten zuzuwenden.
World of Gothic: Bist du manchmal selbst erstaunt darüber, was an Zusatzpaketen und Engine-Verbesserungen alles von engagierten Programmierern erstellt worden ist in den letzten Jahrzehnten? Hättest du manche dieser Verbesserungen für möglich gehalten?
Bendlin: Es hat ein paar Jahre gedauert, um einen direkt ausnutzbaren Fehler im Skript-Parser zu finden. Durch den direkten Zugriff auf die Engine-Objekte öffnete sich eine völlig neue Welt. Dank der Arbeit einiger fleißiger Fans gibt es heute hochwertige Skript-Pakete, um darauf bequem und sicher zuzugreifen. Es gab und gibt aber auch etliche andere Projekte, die das Spiel von außen erweitern. Nein, ich hatte das in dieser Form nicht erwartet.
World of Gothic: Was machst du heute? Ist das Programmieren von Anwendungen (oder Datenbanken?) noch immer deine Beschäftigung?
Bendlin: Ich kann mich glücklich schätzen, in einem Beruf zu arbeiten der mich interessiert und mir Freude bereitet. Tief in meinem Herzen war ich schon immer Systemprogrammierer. Jetzt, wo die Kinder immer selbstständiger werden, konnte ich in den Bereich wechseln, der mich am meisten interessiert. Zurzeit arbeite ich mich in die Entwicklung von Gerätesoftware ein und erstelle in einem kleinen Team Software für Fahrscheinautomaten. Das wird mich aber nicht davon abhalten, in meiner selten gewordenen Freizeit alte PC-Spiele zu analysieren, um sie für die Nachwelt zu erhalten (aktuell Ambermoon).
World of Gothic: Wird oder wurde dein Nachwuchs schon an die Gothic-Reihe heran geführt?
Bendlin: Diese Frage möchte ich direkt an die nächste Generation weitergeben...
Elias: In der Grundschule hat mein Vater mir mein erstes Computerspiel gezeigt, dass ich damals nur eine halbe Stunde am Tag spielen durfte. Dieses Spiel hat meine Auffassung von Computerspielen und wie ich sie spiele wahrscheinlich sehr stark beeinflusst. Ich spreche natürlich von Minecraft... Nein Spaß. Die Rede ist von Gothic 1. Den ersten Teil habe ich am Anfang noch mit meinem Vater gespielt und dann mit einem Freund, der keinen eigenen Computer hatte. Als ich das Spiel später einem anderen Freund zeigte, hat er erst mal versucht, alle umzubringen. So gesehen glaube ich, dass es gut war, dass Gothic das erste Computerspiel war, das ich je gespielt habe und nicht irgendwelche Ballerspiele. Nachdem ich Gothic II durchgespielt und Gothic 3 abgebrochen hatte, habe ich eine lange Zeit andere Spiele gespielt. Erst als die Modifikation Legend of Ahssûn raus kam, bin ich wieder zu Gothic zurückgekommen und ich war begeistert! Zu der Zeit konnte ich sogar einige Freunde dazu bewegen, Gothic zu spielen und auch sie sind begeistert von dem ersten Teil, obwohl sie eher modernere Spiele mit fortschrittlicherer Grafik gewöhnt sind. Aussehen ist eben nicht alles.
geschrieben von Milgo