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World of Gothic



01. Murdra | 02. Das Messer | 03. Rauch im Gebirge | 04. Gerüchte vom Kontinent | 05. Groms Hand | 06. Der hölzerne Wirt | 07. Der Fremde | 08. Der schwarze Krieger | 09. Ped | 10. Nummer drei | 11. Holz auf Stein | 12. Blutnattern | 13. Die Freiwilligen I | 14. Die Freiwilligen II | 15. Zum später zahlen | 16. Tot ist tot | 17. Schuld |



Von Hans-Jörg Knabel

Ork von den Südlichen Inseln.

»Das gibt’s nicht«, fauchte Murdra, während sie mit einem feuchten Leinentuch grimmig über die Tischplatte wischte. »Jeder hat einen Namen!«
Elgan und Ricklen brachten hastig ihre Metkrüge in Sicherheit. »Ho, Murdra«, rief Elgan. »Jetzt, wo es endlich wieder Met gibt, musst du ihn ja nicht gleich verschütten!« Feren, der bei ihnen am Tisch saß, bedachte Murdra mit einem finsteren Blick und insistierte: »Der Held, von dem mein Onkel erzählt, hat keinen Namen!«
Murdra warf sich schnaubend das Tuch über die Schulter. »Der Onkel wird den Namen einfach nicht wissen«, erwiderte sie. »Jetzt sagt er, der Held hätte keinen, obwohl er eigentlich einen hat.« Sie schaute triumphierend in die Runde. Elgan, den eine dichte Schwade Pfeifenrauch umgab, lächelte ihr milde durch den Rauch hindurch zu. »Wäre es nicht spannender, wenn er wirklich keinen Namen hätte?« fragte er, während er bedächtig an seiner Pfeife sog.
»Viel spannender!« stimmte Ricklen ihm zu und lehnte sich grinsend in seinem Stuhl zurück.
»Geschichten müssen wahr sein, nicht spannend!« knurrte Murdra. »Wie wahr wird Ferens Geschichte wohl sein, wenn der Onkel nicht mal den Namen des Helden weiß?«
»Wenn ich ein Met bei dir trinke«, warf Elgan ein, »ist mir egal, von wem du es hast. Alles, was zählt, ist der Geschmack – und der Rausch.«

Ricklen ließ seinen Metkrug auf die Tischplatte krachen und lachte. Es war ein tiefes, dröhnendes Lachen. Murdra hatte es noch nie gemocht. Heute hasste sie es.
»Was ist jetzt mit Ferens Geschichte?« fragte Elgan. »Willst du sie hören?«
»So nicht!« entschied Murdra und blies sich wütend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann nahm sie die leeren Metkrüge vom Tisch und stapfte zurück, in Richtung ihrer Küche.
Am Tisch direkt vor der Küche saß Craglan, der Großmeister der Waldläufergilde, und unterhielt sich leise mit Belgor. Er war nicht mehr ganz so blass wie noch vor ein paar Tagen, aber der Verband, den Murdra erst heute Morgen gewechselt hatte, war wieder blutig. Craglan griff mit der Hand zur Wunde.
»Gekratzt wird nicht!« sagte Murdra streng, als sie Craglans Tisch erreicht hatte. Craglan lächelte Murdra verlegen an und nahm die Hand vom Verband. »Was erzählt Feren?« fragte er.
»Lügengeschichten«, knurrte Murdra und stemmte die Hände in die Hüften, »von einem Helden aus Myrtana. Will seine Geschichte interessant machen und sagt, der Held hätte keinen Namen.«
»Hm«, machte Craglan. »Ich hab‘ die Geschichten, die man sich auf dem Kontinent über den namenlosen Helden erzählt, auch schon gehört. Er soll über das Schicksal der Götter bestimmt haben und durch ein magisches Portal in eine fremde Welt gereist sein, wo er einen der mächtigsten Magier aller Zeiten bekämpft und angeblich auch geschlagen haben soll.«
»Ich sag’s ja: Lügengeschichten!« knurrte Murdra und spuckte neben sich auf den Boden. »Jeder hat einen Namen und keiner sagt dem Herrn Innos, was er zu tun und zu lassen hat.«
»Na ja«, warf Craglan ein. Ein mattes Lächeln umspielte seine Lippen. »Die Leute vom Kontinent scheinen die Geschichten zu glauben.«
»Weich sind sie, im Hirn, allesamt!« zischte Murdra.
Craglan lachte, mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Da sind wir einer Meinung. Was man sonst noch hört, vom Kontinent, ist ohnehin viel wichtiger.«
»Was hört man denn?« fragte Belgor.
»Lee wird mit seinen Paladinen nicht so schnell in See stechen, um die Südlichen Inseln zurückzuerobern. Er sitzt in Vengard fest und strickt an einem Frieden zwischen den Orks und den Menschen.«
Orkkrieger aus Thorus‘ Gefolge.

»Heerführer Lee?« fragte Belgor erstaunt. »Hat er nicht mit Lord Tronter im Bluttal gekämpft?«
»Das waren nur Gerüchte, mein Freund«, sagte Craglan. »Soldaten erzählen viel, wenn sie glauben, sie hätten eine Schlacht verloren. Lee hat Argaan nie betreten. Warum hätte er auch kommen sollen? Er hat Probleme genug.«
»Ich hab‘ von einem Krieg gehört, zwischen einem Heerführer namens Gorn und den Orks«, warf Belgor ein.
»Ja«, sagte Craglan und kratzte sich wieder an seiner Wunde. Murdra quittierte es mit einem wütenden Schnauben. »Das ist eines seiner Probleme, ein interessantes, wie ich glaube, auch wenn der Krieg noch nicht offen ausgebrochen ist.«
»Dieser Gorn«, sagte Belgor, »er scheint von Torgaan zu sein. Ist das möglich?«
Craglan nickte mit dem Kopf. »Was man so hört, lässt darauf schließen. Aber – und jetzt wird es spannend – nicht nur er. Sein Gegenspieler, Thorus, der mit den Orks im Bunde ist, scheint auch ein Schwarzer Krieger zu sein.«
»Das wird ein grimmiger Krieg«, bemerkte Belgor und strich sich mit der Hand über das Kinn.
Wieder nickte Craglan. »Und hoffentlich einer, der Lee lange beschäftigt.« Er wollte noch etwas sagen, aber die Tür zum Schankraum wurde polternd aufgestoßen.
Jetzt aber, dachte Murdra und drehte sich um. Die Tür stand weit offen. Drei kräftige Männer traten in den Schankraum. Sie hatten leichte, aber reich verzierte Rüstungen an. Aha, fuhr es Murdra durch den Kopf. Setarrifer! Die Soldaten schauten sich verächtlich im Schankraum um und rümpften die Nasen.
»Wem gehört diese ... Absteige?« fragte einer der Soldaten herrisch.
»Mir«, knurrte Belgor argwöhnisch.

»Wirf den Pöbel raus!« dröhnte der Soldat und trat den Wassereimer, der neben der Tür stand, um. »Und räum‘ den Saustall auf«, befahl er. »Seine Majestät, Ethorn VI. aus dem Hause Setarrif, König von Argaan, bereist das Land, mit seinen Männern. Er wird hier rasten!«

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